piwik no script img

Reparationszahlungen für GriechenlandDeutschlands Schuld

Das griechisches Parlament fordert für die Schäden der Weltkriege Reparationszahlungen. Doch Deutschland betrachtet die Sache als abgeschlossen.

Tispras im Parlament: „ein historisch, ethisch und emotional beladenes Thema“ Foto: reuters

Athen afp | Das griechische Parlament hat am Mittwochabend dafür gestimmt, Reparationsforderungen an Deutschland wegen der beiden Weltkriege zu stellen. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für eine Resolution, welche die Regierung von Ministerpräsidenten Alexis Tsipras dazu verpflichtet, die griechischen Entschädigungsforderungen „mit allen notwendigen diplomatischen und rechtlichen Schritten“ durchzusetzen. Die Bundesregierung bekräftigte jedoch, dass sie alle Ansprüche als bereits abgegolten betrachtet.

Sowohl die Abgeordneten von Tsipras' Regierungspartei Syriza als auch die der oppositionellen konservativen Nea Demokratia und der sozialdemokratischen Bewegung der Veränderung (Kinal) stimmten dem Resolutionsentwurf zu. „Das ist eine historische und moralische Aufgabe“, sagte Tsipras im Parlament. Die Regierung werde Deutschland „eine mündliche Mitteilung“ überbringen, um den Dialog hinsichtlich dieses Themas zu beginnen.

Die Ansprüche erfolgreich geltend zu machen ist ein Wahlversprechen von Tsipras aus dem Jahr 2015. Tsipras erklärte, er habe das Thema nicht mit der schweren Finanzkrise der vergangenen Jahre und den Schulden des Landes verquicken wollen. Jetzt aber, nach dem Ende der internationalen Hilfsprogramme, sei der richtige Zeitpunkt. „Es ist ein historisch, ethisch und emotional beladenes Thema“, sagte er. „Wir haben jetzt die Chance, dieses Kapitel zu schließen.“ Wichtig sei ihm, mit Deutschland auf Augenhöhe und freundschaftlich zusammenzukommen. In der Resolution heißt es nun, seine Regierung solle dafür sorgen, dass „die Forderungen Griechenlands aufgrund des Ersten und Zweiten Weltkrieges vollständig erfüllt“ würden.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwochnachmittag, er könne derzeit nicht beurteilen, wie die Debatte ende und welche Folgen sie haben werde. Die Regierung wisse „um die große Schuld und das große Leid“, das Deutschland zu Zeiten des Nationalsozialismus über Griechenland gebracht habe.

Deutschlands Schulden: mindestens 270 Milliarden Euro

Zur Frage von Reparationen habe sich aber an der Haltung der Regierung nichts geändert. Sie betrachte das Thema als „juristisch wie politisch abschließend geregelt“, sagte Seibert.

Ein Parlamentsausschuss in Athen hatte im vergangenen Jahr die Summe, die Deutschland Griechenland schulden soll, mit mindestens 270 Milliarden Euro beziffert. Sie soll Entschädigungen für Schäden und Plünderungen während des Ersten Weltkrieges sowie für Massaker und einen Zwangskredit während des Zweiten Weltkriegs abdecken.

Unter der Besatzung Hitler-Deutschlands von April 1941 bis September 1944 wurden rund 300.000 griechische Staatsangehörige getötet. Die Nazis verübten zahlreiche Massaker, etwa in Lyngiades, Distomo, Kalavryta, Kandanos oder Viannos.Außerdem nahm die Besatzungsmacht 1942 bei der griechischen Zentralbank einen Zwangskredit auf, der damals auf knapp 500 Millionen Reichsmark beziffert wurde und heute mit Zinsen einige Milliarden Euro wert wäre.

Deutschland hat die griechischen Forderungen stets abgewiesen. Zur Begründung heißt es in Berlin unter anderem, der Zwangskredit falle unter das Londoner Schuldenabkommen von 1953.Der Streit um die Entschädigungsforderungen belastet das deutsch-griechische Verhältnis seit Jahren. Hinzu kamen die Auflagen der internationalen Kreditgeber während der griechischen Finanzkrise, hinter denen viele Griechen den Einfluss der Regierung in Berlin vermuteten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Reparationsforderungen des ersten Weltkrieges und die Staatsanleihen waren Gegenstand des Londoner Schuldenabkommens 1953 und sind mit der Zahlung der letzten Raten getilgt. Entschädigungszahlungen privater Personen unterliegen dem Globalabkommen von 1960 und sind ebenfalls bezahlt.

    Insoweit könnte es allenfalls um eine staatliche Reparation gehen. Diese hätte Griechenland ohne weiteres 1990 geltend machen dürfen. Nun hat man erst die Hilfsleistungen gerne im Empfang genommen um dann veraltete und vollkommen überhöhte Entschädigungszahlungen zu fordern.

    Auf solche populistischen Winkelzüge sollte sich die Bundesregierung nicht weiter einlassen.

  • Lesen Sie die Arbeiten von Thomas Kuczynski und Karlheinz Roth zum Thema.



    Entschädigungsansprüche für Zwangsarbeit im ‚Dritten Reich‘ auf der Basis der damals erzielten zusätzlichen Einnahmen und Gewinne,



    Karl-Heinz Roth in der Süddeutschen:



    "Die Reparationsfrage ist nicht erledigt"



    www.sueddeutsche.d...nen-roth-1.4165550

  • Das kommt schon noch. Populisten machen das eben so, aus innenpolitischen Gründen. Das ist bei denen wie ein Reflex. Salvini kommt sicher auch bald wieder damit gegen Deutschland. Dann reagiert die Bundesregierung mit einem kühlen aber höflichen Textbaustein und alle sind zufrieden, bis es ein paar Monate später wieder loopt.



    Nicht mal ignorieren, immer freundlich bleiben und was für die Wirtschaft und für die Jugend tun, dann schleift sich das auch irgendwann ab.

  • Warum stellt Griechenland keine Forderungen an Italien? Weil dort nichts zu holen ist?

  • Okay. Damit wäre Griechenland 74 Jahre nach Kriegsende wohl endlich genau so selbstbewusst, wie die sogenannten Siegermächte 1945 in Jalta bzw. Potsdam waren – und offenbar auch genau so zerstört. Zumindest gefühlt.

    Vielleicht sollte die deutsche Regierung der griechischen anbieten, die Produktionshallen von VW, Mercedes, BASF, Bayer, Continental oder Adidas abzubauen und auszufliegen. Mit etwas Glück wird so vielleicht ein neues Wirtschaftswunder ausgelöst. Mit etwas Pech eher das Gegenteil (siehe Nachkriegs-DDR).

    Tja. Hätte - wäre - wenn. Hätten "die Russen" damals bekommen, was ihnen in Potsdam zugesagt worden war, wäre vor 30 Jahren "der Westen" vielleicht "dem Osten" beigetreten. So aber hat sie ein gekränkter Sieger einmal mehr in der Historie selber bedient - und letztendlich alles verloren.

    • @mowgli:

      Zynisch und überflüssig. Besser einfach mal die Klappe halten.

  • Demnach würden die (berechtigten) Forderungen der Nachfolgestaaten der UdSSR an die Bundesrepublik Deutschland (wenigstens) bei etwa 22,5 Billionen Euro, bzw. 22.500 x Milliarde Euro liegen! --- Damit würde wohl der gesamte Staatshaushalt der BRD für die nächsten 35 bis 40 Jahre zur Verfügung stehen! [Bitte, nicht glauben, aber doch selbst berechnen!]

    PS: Angesichts der gewaltigen Menschheitsverbrechen der deutschen Kapitalfaschisten an den Völkern der (vormaligen) Sowjetunion wäre das wohl auch noch eine milde Strafe!

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Reinhold Schramm:

      .



      Da haben die Franzosen ja noch mal Glück gehabt. Als Napoleon in Moskau war, haben die Russen selbst die Stadt abgefackelt. Macrönchen muss also dafür nix zahlen

  • he has lost his marbles.



    wir wissen auch wo die liegen:



    en.wikipedia.org/wiki/Elgin_Marbles

  • Wieso ist es den Griechen und Polen eigentlich 1990 nicht möglich gewesen, eigene Ansprüche zu formulieren und öffentlich zu verbreiten? Beide Staaten waren schon damals wieder demokratisch und im Falle Polens wieder unabhängig.

    Beide Regierungen haben innenpolitische Schwierigkeiten wie starke Abwanderung (Brain Drain), wirtschaftliche Probleme oder Reformen, die auf breite Kritik stoßen. Für beide ist es attraktiv einen Akteur von außen in die Manege zu holen. So bietet sich die Möglichkeit das Land gegen einen äußeren Feind (mehr oder weniger) zu einen und innenpolitische Probleme von der Agenda zu verdrängen. Die tatsächlichen Probleme beider Staaten bleiben aber weiterhin ungelöst.



    Reparationen wird keiner von beiden erhalten.

  • Rächt sich, dass Deutsche Einheit 1990 nicht durch Friedensvertrag mit 53 ehemals kriegführenden Ländern sondern Zwei plus Vier Vertag herbeigeführt, Chance verpasst, auf Zukunft gerichtet durch eine Versöhnungs- , Ausgleichs- , Entschädigungsökonomie in Europa Wachstum statt Austerity zu generieren? Was nicht ist, kann werden?

    Historie:



    Nachdem Griechenland April 1941 durch Deutsche Wehrmacht besetzt war, stand als 1. Beamter der NS- Raubökonomie ein Reichsbankdirektor, namens Paul Hahn, der Griechischen Notenbank als Reichskommissar ins Athener Haus.



    Dessen erste Amtshandlung bestand darin, den letzten Friedenshaushalt Griechenlands in Höhe von ca. 250 Milliarden Drachmen zu 100 % als Maßstab für die Besatzungskosten der Deutschen Wehrmacht in Griechenland zu veranschlagen.



    Damit war griechischer Staatshaushalt über Nacht mit der Folge verdoppelt, dass sich beim Drachmen ein ungeheurer Inflationsdruck aufbaute.



    Im Wege Besetzung, fiskalischer Plünderung Griechenlands durch Deutsche Wehrmacht Administration, war über die Börsen in Istanbul, Alexandria die griechische Drachme gegenüber türkischer, ägyptischer Lira dramatisch abgewertet worden.



    Reichsbankdirektor Paul Hahn wußte dunklen Rat:



    "Griechenland solle Steuern erhöhen, Vermögen jüdischer Bevölkerung entschädigungslos konfiszieren, der Deutschen Reichsbank treuhänderisch übergeben.

    Erfasste Goldbestände jüdischer Bevölkerung ergaben in Saloniki 1942 ca. 12 Tonnen hochkarätiges Gold.

    Deutsche Reichsbank ließ geraubt griechisch- jüdisches Gold durch Brokerhäuser über Börsen Athen, Saloniki, Pattras an griechische Bürger verkaufen, um so durch Komplizenschaft des vermögenden Teils griechischer Bevölkerung griechische Drachmen "vertrauensbildend" zu stabilisieren.



    Fiskalische Raub- Signale Deutscher Reichsbank Athen reichte ins Vichy- Regime Frankreich, Holland, Belgien, Norwegen, es Athen räuberisch gleichzutun.

    www.freitag.de/aut...ehr-als-reparation

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich bin kein Jurist und kann demzufolge die rechtliche Seite det Janzen nicht einordnen.

    Dass das Verhältnis Griechenland-Deutschland ein sehr sensibles ist, in dem nicht ein Jeder die angemessene Form wahrt, wurde dieser Tage erst wieder auf Kreta deutlich. Deutsche Soldaten, die die griechische Fahne heruntergerissen und die deutsche gehisst haben. Auf Kreta. Dazu fallen mir nur die Worte des Malers Beckmann 1929 in Berlin ein.

    Dumm geboren. Nichts dazu gelernt. Und die Hälfte wieder vergessen. Ein Anlass zum Fremdschämen.

  • Es wird häufig, leider auch im Beitrag, vergessen, dass nicht nur D. Krieg in Gr. führte. Zuvor taten das Mussolinis Truppen. Und im WK1 desgleichen das Osmanische Reich. Kaum anzunehmen, dass es dabei keine Kriegsverbrechen und Zerstörungen gab. Aber warum gibt es keine Reparationsforderungen an Italien und die Türkei (jedenfalls habe ich nichts davon gehört)?



    Bei der Höhe der Geldforderungen sollte berücksichtigt werden, dass Gr. seit Jahrzehnten ein bevorzugtes Reiseziel deutscher Urlauber ist. Sie bringen Geld ins Land, von dem u. a. die Beschäftigten der Fremdenverkehrsbranche profitieren!

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Italien hat rund 100 Millionen $ gezahlt. Deutschland hat übrigens auch rund 115 Millionen Mark gezahlt. Bulgarien wäre noch ein Kandidat für Forderungen.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Weder meine, noch meine Eltern- noch meine Großelterngeneration war für diesen Krieg verantwortlich, genauso wollen die Griechen ja nicht für die Zerstörungen in der Türkei in den 1920er Jahren oder die Verwüstung von Persepolis unter Alexander verantwortlich gemacht werden.



    Im Bezug auf den Kredit, entweder der Zwangskredit fällt unter Kriegsschäden dann ist er mit anderen Reparationen abgegolten oder er ist ein regulärer Kredit dann ist er zurückzuzahlen aber zinnslos, wobei die Frage ist ob er nach so langer Zeit nicht verfallen ist. Umgerechnet wären das ca.1,85 Milliarden Euro (Die Bundesbank gibt den Gegenwert von 1 Reichsmark in Euro für 1945 mit 3,7 an).

  • Welche Zinsen, und werden die Transferzahlung während der Eurokriese gegengerechnet? Dann dürfte sogar noch ein Euro bei zurück kommen.