Reparationszahlungen für Griechenland: Deutschlands Schuld
Das griechisches Parlament fordert für die Schäden der Weltkriege Reparationszahlungen. Doch Deutschland betrachtet die Sache als abgeschlossen.
Sowohl die Abgeordneten von Tsipras' Regierungspartei Syriza als auch die der oppositionellen konservativen Nea Demokratia und der sozialdemokratischen Bewegung der Veränderung (Kinal) stimmten dem Resolutionsentwurf zu. „Das ist eine historische und moralische Aufgabe“, sagte Tsipras im Parlament. Die Regierung werde Deutschland „eine mündliche Mitteilung“ überbringen, um den Dialog hinsichtlich dieses Themas zu beginnen.
Die Ansprüche erfolgreich geltend zu machen ist ein Wahlversprechen von Tsipras aus dem Jahr 2015. Tsipras erklärte, er habe das Thema nicht mit der schweren Finanzkrise der vergangenen Jahre und den Schulden des Landes verquicken wollen. Jetzt aber, nach dem Ende der internationalen Hilfsprogramme, sei der richtige Zeitpunkt. „Es ist ein historisch, ethisch und emotional beladenes Thema“, sagte er. „Wir haben jetzt die Chance, dieses Kapitel zu schließen.“ Wichtig sei ihm, mit Deutschland auf Augenhöhe und freundschaftlich zusammenzukommen. In der Resolution heißt es nun, seine Regierung solle dafür sorgen, dass „die Forderungen Griechenlands aufgrund des Ersten und Zweiten Weltkrieges vollständig erfüllt“ würden.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwochnachmittag, er könne derzeit nicht beurteilen, wie die Debatte ende und welche Folgen sie haben werde. Die Regierung wisse „um die große Schuld und das große Leid“, das Deutschland zu Zeiten des Nationalsozialismus über Griechenland gebracht habe.
Deutschlands Schulden: mindestens 270 Milliarden Euro
Zur Frage von Reparationen habe sich aber an der Haltung der Regierung nichts geändert. Sie betrachte das Thema als „juristisch wie politisch abschließend geregelt“, sagte Seibert.
Ein Parlamentsausschuss in Athen hatte im vergangenen Jahr die Summe, die Deutschland Griechenland schulden soll, mit mindestens 270 Milliarden Euro beziffert. Sie soll Entschädigungen für Schäden und Plünderungen während des Ersten Weltkrieges sowie für Massaker und einen Zwangskredit während des Zweiten Weltkriegs abdecken.
Unter der Besatzung Hitler-Deutschlands von April 1941 bis September 1944 wurden rund 300.000 griechische Staatsangehörige getötet. Die Nazis verübten zahlreiche Massaker, etwa in Lyngiades, Distomo, Kalavryta, Kandanos oder Viannos.Außerdem nahm die Besatzungsmacht 1942 bei der griechischen Zentralbank einen Zwangskredit auf, der damals auf knapp 500 Millionen Reichsmark beziffert wurde und heute mit Zinsen einige Milliarden Euro wert wäre.
Deutschland hat die griechischen Forderungen stets abgewiesen. Zur Begründung heißt es in Berlin unter anderem, der Zwangskredit falle unter das Londoner Schuldenabkommen von 1953.Der Streit um die Entschädigungsforderungen belastet das deutsch-griechische Verhältnis seit Jahren. Hinzu kamen die Auflagen der internationalen Kreditgeber während der griechischen Finanzkrise, hinter denen viele Griechen den Einfluss der Regierung in Berlin vermuteten.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip