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Rentenalter DebatteFDP fordert neues Rentenmodell

Das Rentenalter steigt Schritt für Schritt auf 67 Jahre. Die FDP fordert ein Modell des flexiblen Renteneintrittsalters.

Johannes Vogel (FDP) spricht sich für ein Ende eines offiziellen Renteneintrittalters aus Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin dpa | In der Debatte über den Rentenbeginn in Deutschland hat sich FDP-Vizechef Johannes Vogel für eine weitgehende Flexibilisierung ausgesprochen. „Ich bin überzeugt: Niemand muss den Menschen mehr vorschreiben, wann sie in Rente zu gehen haben – auch weil die Lebensläufe immer unterschiedlicher werden“, sagte Vogel der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zuvor hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür ausgesprochen, dass künftig mehr Menschen als bisher tatsächlich bis zum geltenden Renteneintrittsalter arbeiten.

Vogel sagte: „Das Land, das hier in Europa am erfolgreichsten ist, ist Schweden mit seinem Modell des flexiblen Renteneintrittsalters.“ In Schweden können die Bürgerinnen und Bürger innerhalb eines Korridors entscheiden, wann sie in Rente gehen möchten. Je früher man geht, desto weniger Rente erhält man.

Vogel sagte, Schweden erreiche so das höchste faktische Renteneintrittsalter in Europa sowie mehr Selbstbestimmung für die Menschen. Dabei gelte in Schweden eine ganz einfache Regel: „Wer eher in den Ruhestand geht, erhält weniger Rente, wer später geht, erhält mehr.“ Vogel forderte: „Daran sollten wir uns auch hier orientieren.“ Die FDP fordere dies schon lange.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warb ebenfalls für mehr Flexibilität. „Am besten wäre ein System, in dem Menschen ab einem bestimmten Alter selbst entscheiden, wie lange und wie viel sie arbeiten wollen“, sagte der SPD-Politiker dem Tagesspiegel. „Aber wer nicht mehr weiter arbeiten kann oder will, muss auch früher gehen und von seiner Rente leben können.“

Ampel hat Dialog dazu vereinbart

Vogel bescheinigte Bundeskanzler Scholz, mit der Frage des längeren Arbeitens eine wichtige Debatte angestoßen zu haben. Scholz hatte den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt: „Es gilt den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Das fällt vielen heute schwer.“

Vogel, der auch parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion ist, erinnerte daran, dass die Ampel diese Debatte schon während der Koalitionsverhandlungen geführt habe. Im Koalitionsvertrag sei vereinbart worden, zum skandinavischen Modell einen Dialogprozess zu führen. „Auch dieses Vorhaben des Koalitionsvertrags sollten wir diese Legislatur entschlossen angehen“, forderte Vogel.

SPD, Grüne und FDP hatten damals angekündigt, mit den Sozialpartnern einen Dialog darüber zu führen, wie Wünsche nach längerem Verbleib im Arbeitsleben einfacher verwirklicht werden können. In die Debatte einbeziehen will die Ampel neben einem flexiblen Renteneintritt nach skandinavischem Vorbild auch die Situation belasteter Berufsgruppen.

Verdi-Chef Frank Werneke forderte, die Finger von Regelungen zu lassen, die einen früheren Renteneintritt ermöglichen. „Viele Menschen gehen früher in Rente und nehmen dafür hohe finanzielle Einbußen in Kauf, weil sie darin den einzigen Ausweg aus einer Arbeitsbelastung sehen, die sie nicht bis zum Rentenalter stemmen können“, sagte er der Stuttgarter Zeitung.

Eine weitere Anhebung des Rentenalters hatte die Ampel im Koalitionsvertrag zugleich ausgeschlossen. Nach geltender Rechtslage wird die Altersgrenze ohne Renten-Abschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben.

Vor rund einem Monat hatte der Arbeitgebervertreter im Bundesvorstand der Rentenversicherung, Alexander Gunkel, verlangt, die Altersgrenze für die Rente solle neu auf den Prüfstand kommen. Gunkel verwies darauf, dass eine Regierungskommission zur Zukunft der Rente bereits 2020 empfohlen hatte, dass es 2026 eine neue Bewertung zum Thema einer möglichen Anhebung der Altersgrenzen gebe solle.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte angekündigt, zeitnah ein Rentenpaket II vorzulegen. Dies soll die Weichen für eine langfristige Stabilisierung der Rente stellen, auch wenn immer mehr Angehörige geburtenstarker Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen.

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11 Kommentare

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  • Da hat die FDP mal wieder die Nase vorn. Wo kämen wir denn auch hin, wenn ältere Menschen "viel zu früh" aus dem Arbeitsleben aussteigen und dadurch plötzlich die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen stark zurückgeht???

    Na klar, so meint es die FDP natürlich nicht. Das zeigt sich bereits daran, daß sie diese Sache geschickt geschwurbelt ganz anders ausdrückt.

    Doch in der Realität zählt nicht, welche Partei gerade welche Sau durchs Dorf treibt, sondern nur, was am Ende der Kette wirklich herauskommt.

    • @wxyz:

      der Maurer, der mit 55 nicht mehr arbeiten kann hat dann Dank der FDP die Gelegenheit seine Kreativität in der Verknüpfung verschiedener Sozialmassnahmen und seine Sanktionsmaßnahmenvermeidungskompetenz zusätzliche 10 Jahre voll zu entfalten und bis ins hohe Alter trainiert zu bleiben.



      Das könnte er sonst nicht.

  • Politiker die ein Leben lang nur "schlaue Reden" halten, aber nicht den Hauch einer Ahnung haben was schwere körperliche Arbeit überhaupt ist, die können natürlich leicht daherreden und den Leuten erzählen, dass man auch bis ins hohe Alter arbeiten kann. Der Dachdecker bedankt sich doch jetzt schon, dass er mit über 60 noch auf Dächern herumkraxeln "darf". Was unsere überbezahlten Volksvertreter mit so einem Vorschlag (flexibles Renteneintrittsalter) mal wieder bezwecken, sollte wohl klar sein.

  • Flexibilität wäre wünschenswert!

    Ich bin 1977 mit 15 Jahren ins Berufsleben eingestiegen mit einer klassischen, handwerklichen Lehre.



    In dem Job habe ich später nie mehr gearbeitet, weil es mich in die Krankenpflege verschlagen hat, wo ich seit 1981 als Fachkraft tätig bin.

    Ja, ich habe einen kleinen Abreisskalneder gebastelt, der bis zum regulären Renteneintritt (65J, 8 Monate) zählt.

    Würde ich jetzt immer noch in der klassischen Krankenpflege arbeiten, würde ich sagen: "Ja bitte, gerne früher in Rente" - allein weil die Belastung mit dem Alter steigt.

    Seit 2 Jahren habe ich mich aber spezialisiert und muss nicht mehr aktiv in der Pflege arbeiten. Somit könnte es auch länger gehen - aber bitte mit flexiblen Lösungen - und vor allem ohne Hinzuverdienstgrenzen!

    Wenn ich dann aber auf meinen Rentenbescheid schaue, frage ich mich ernsthaft, warum ich überhaupt noch arbeite - das steht in keinerlei Verhältnis zueinander.

  • Eine Einheitsrente etwas nördlich von Hartz4 für Jedermann ohne igendwelche Bedingungen bei gleichzeitiger Abschaffung von Pensionen und Einbeziehung aller Beschäftigten des ÖD in den Kreis der Einzahler. Wer dann mehr will, soll privat vorsorgen. Das ist die einzige zukunftsfeste Lösung. Sobald die Boomer im großen Stil in Rente gehen, wird ein immer größer werdender Teil des Bundeshaushalts ausschließlich für die Renten drauf gehen. Da diese Gruppe aber auch jede Wahl entscheidet, hat keine einzige Partei im Bundestag eine echte Rentenreform im Programm.

    • @Šarru-kīnu:

      die ganzen Versorgungswerke der Steuerberater , Rechtsanwälte, Ärzte etc nicht vergessen, da wird auch ganz viel Geld an der Rentenkasse vorbeigeführt.

  • Entscheidend wird doch sein, dass das "weniger" beim früheren Renteneintritt so hoch ausfallen wird, dass kleine Renten sich auf Hungerleiderniveau reduzieren werden. Im Grunde ein Vorschlag der die Reduzierung des Renteniveaus als "Freiheit" und "Flexibilität".



    Das ist die Freiheit und die Flexibilität, die sich die HochverdienerInnen leisten können, die untere Hälfte der Gesellschaft aber deutlich länger im Gefängnis der Abhängigkeit halten wird.

    • @Favier:

      Hungerleiderniveau, genau das ist es.



      Das bedingungslose Grundeinkommen könnte hier helfen, den Druck am falschen Ende rauszunehmen.

  • alles so flexibel. wenn man immer nur von der eigenen Lebensrealität auf andere schließt, fällt einem gar nicht auf, dass der Maurer schon mit 55 in Rente muß, da ist der Steuerberater gerade auf dem Höhepunkt seiner finanziellen Karriere und will noch viel mehr verdienen... Für den einen ist der Rentenbeginn Freiheit und für den anderen Begrenzung.... ein flexibles Renteneintrittsalter ist in der Realität gut für den, der sich durchsetzen kann, der der immer nur funktioniert wird bis zum Ende der Fahnenstange sich durchwursteln müssen und Maurer arbeiten ab 55 kaum noch, die meisten hangeln sich durch....



    Wenn dann ein frühes Renteneintrittsalter und jeder darf verlängern. Das wäre Freiheit und Flexibilität.



    Aber eigentlich gehts ja nur darum, dass die Rente nach Meinung der FDP zu viel kostet, alles andere ist eh nur ein Verkaufsargument, um weniger Rente zahlen zu müssen.

    • @nutzer:

      Dass Rente zu viel kostet zieht sich durch so ziemlich alle Parteien. Man sollte neben einem flexiblen Korridors ab/bis jedoch für einkommensschwache Menschen Sozialleistungen vergünstigen oder anderweitige Zuschüsse zur Bestreitbarkeit des Lebensunterhalts einrichten.

      • @Lars B.:

        na klar kostet Rente, wenn Menschen 10 bis 20 Jahre nicht arbeiten und weiterhin entlohnt werden, ist das niemals billig. Aber so ist der Deal. Da ist nichts Neues noch Aufregendes dran.



        Die immerzu wiederholte Leier "aber der demografische Wandel" ist ein Totschlagargument derer, die die Rente schleifen wollen. Will man etwas ändern muß man sich überlegen, wie das System funktionieren kann und z.B. auch mal Anregung im Ausland holen, Österreich z.B. , mit einem erstaunlich hohem Rentenniveau und achtung jetzt kommt`s : trotz demografischen Wandel. Ja auch die Österreicher sterben aus.



        Der Clou, es zahlen alle in die Rente ein und nicht wie in D wo Staatsbeamte und Gutverdiener extra Rentenkassen haben und den Plebs in der öffentlichen Rentenkasse zurücklassen. Wenn ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung gar nicht einzahlt, liegt evtl. da der Fehler und nicht so sehr im demografischen Wandel.



        Das ist ein großes Truggespenst mit dem Bauchgefühle angesprochen werden und jeder "Ja genau!" murmeln kann. Profitieren tun die die eh viel haben.