Religiöses Rap-Konzert: Mit Jesus im Moshpit
Die O’Bros rappen über Gott und Glaube. Damit sind sie auf Platz 1 der Album-Charts gelandet. Was ist da los? Ein Besuch beim Tourauftakt.
Und sie habe in dieser Zeit auch einen Traum gehabt. „Gott persönlich hat mir darin zugesprochen, dass ich leben werde, obwohl die Diagnosen der Ärzte nicht danach aussahen.“ Es sei ihr Auftrag, das zu erzählen und anderen Menschen Mut zu machen. Sie nahm sich vor, jedes Jahr ein Konzert der O’Bros zu besuchen. Und jetzt stehe sie hier und feiere das Leben!
Eugenia ist 43 Jahre alt und steht tatsächlich quietschfidel in der Schlange vor dem Lokschuppen in Bielefeld. Hier fand am vergangenen Dienstagabend der Tourauftakt der O’Bros statt, der Brüder Maximilian und Alexander Oberschelp aus München, die über ihren christlichen Glauben rappen. Vor zehn Jahren veröffentlichten sie ihr erstes Album, mittlerweile spielen sie Konzerte vor Tausenden. Viele außerhalb der christlichen Szene dürften jedoch noch nie etwas von ihnen gehört haben.
Eugenia freut sich über das Interesse. Sie und ihre beiden Begleiterinnen reden und lachen viel. Im Entrée des Lokschuppens angelangt, wünscht sie sehr herzlich, das Konzert zu genießen.
Der Lokschuppen ist ein rundes, altes Backsteingebäude, von innen modern. Eine Schlange vor der Garderobe, eine vor den Klos. Hier sind viele so jung, dass sie mit ihren Eltern da sein müssen. Noemi Frank zum Beispiel, sie ist 15. Sie sagt, die Texte der O’Bros catchen halt voll. Sie feiern Jesus, aber auf cool. Welche Texte denn zum Beispiel? So was wie „Zweifel im Dunkel nicht daran, was Gott dir im Licht gezeigt hat.“ Da könne man halt einfach nichts mehr sagen. Noemi war schon einmal bei einem Konzert der O’Bros, die Stimmung sei krass gewesen.
Fast wie bei einem KIZ-Konzert
Ihre Freundin Alia, 16, hört die O’Bros eigentlich gar nicht so viel. Aber ihre Freunde seien alle beim letzten Konzert dabei gewesen und meinten, es war cool, deswegen sei sie jetzt auch hier. Die Musik der O’Bros sei halt nochmal was anderes als andere Worship-Lieder. Aber die höre sie auch. Jetzt müssen die beiden aber schnell rein, es ist eine halbe Stunde vor Showbeginn.
In der Konzerthalle sind die Lichter schon aus. Es ist nicht ausverkauft, aber gut besucht, vielleicht 1.500 Menschen sind da. Zwei blonde Mädchen im Teenageralter laufen vorbei. Beide tragen pinke T-Shirts, auf den Rücken steht fett in Weiß: JESUS IS LORD. Überhaupt tragen viele hier den Merch der O’Bros. Der Name der Tour, „to be honest“, ist überall auf T-Shirts zu lesen. Die meisten hier sind wohl irgendwo zwischen 15 und 30 Jahren, Männer und Frauen halten sich die Waage.
Als die Halle sich vollkommen verdunkelt, dröhnt eine Stimme aus den Lautsprechern, die verkündet: „Die To-be-honest-Tour 2025 beginnt jetzt!“ Der Vor-Act 2herzen kommt auf die Bühne, ebenfalls zwei christliche Rapper. Die Menge kreischt. Sie rasten aus, als einer der beiden in Doubletime über den Teufel und Jesus und das Angenommensein rappt.
Das Publikum hat die Arme in der Luft, sie wippen mit zur Musik wie bei einem KIZ-Konzert, schwenken ihre Arme bereitwillig von links nach rechts, als es ihnen auf der Bühne vorgemacht wird. Was soll denn noch kommen, wenn erst die O’Bros dran sind?
2herzen erzählen vor einem blau beleuchteten Vorhang, es sei ihnen immer wichtig gewesen, in ihrer Musik von Gott zu erzählen, von den Höhen und Tiefen, die sie jeden Tag mit ihm erlebten.
Zu einer ruhigen Klaviermelodie rappt einer der beiden: Mein Herz ist müde, vom Leben erschöpft / Dreh drei Runden um meinen Block / mit Tränen frag ich leise: Vater, liebst du mich noch? / Dieselben Fragen plagen mich oft / hab kein Monster unterm Bett, aber ein Monster im Kopf.
Zwei junge Frauen machen strahlend ein Selfie am Rande der Menge. Die beiden Künstler teilen das Publikum auf in zwei Hälften. Sie wollten sehen, welche Seite mehr „Welle für Jesus“ machen könne. Sie rufen: Gib mir ein Jesus! – Jesus!, schallt es zurück auf die Bühne, erst von der einen, dann von der anderen Seite des Saals, immer lauter. Wirklich laut.
Gib mir ein Jesus!
Dann stoppen die beiden die Menge und verkünden: „Es passiert überall auf der Welt, aber auch unter uns Christen. Wir haben es gerade geschafft, euch zu spalten, aber wir brauchen Einheit!“ Das sei es, was Jesus gepredigt habe. Also nochmal. Gib mir ein Jesus! JESUS! Es ist wirklich eine große Welle, die diese Crowd machen kann.
Als 2herzen durch und die Rufe nach einer Zugabe verstummt sind, stimmt irgendjemand von sich aus an: Jesus! Jesus! Jesus! Andere steigen ein. Zwei Typen kämpfen sich aus der Menge, einer mit silbernem Glitzer auf seinen Wangenknochen. Sie brauchen kurz Luft, es sei jetzt schon zu heiß da drin.
Kurz darauf erscheinen übermenschlich groß die Silhouetten der O’Bros auf dem Vorhang der Bühne. Die Brüder rappen sich gegenseitig an: Zehn Jahre Hingabe, zehn Jahre Pain / zehn Jahre Sunshine, zehn Jahre Rain / seid ihr bereit für die krasseste Show? Wir sind da, to be honest, let’s go! Die Beats werden schneller und lauter, die Menge kreischt und filmt, bis der Vorhang fällt und die Brüder Oberschelp zur Melodie von „Crazy in Love“ von Beyoncé und Jay-Z die Bühne stürmen. Maximilian schreit ins Mikrofon: Bielefeld, geht’s euch gut?! Alexander fängt an: Whatever it takes / Jesus auf die Eins / God over everything / God over hype.
Die O’Bros performen in Nebelfontänen, die aus dem Boden schießen, E-Gitarren heulen, sie springen rum, schreien in ihre Mikros, rufen wie Adlips Halleluja zwischen ihre Zeilen.
Das hier ist real / das ist kein Fake / kein Hype / wir haben das alles echt erlebt, kein Scheiß. Vielleicht sind damit die Gottesbegegnungen der O’Bros gemeint. Maximilian Oberschelp, der Ältere der beiden, erzählte in einem Interview, dass er einmal regelrecht verliebt war in Jesus. Als auch er eine Offenbarung von Gott hatte. Vielleicht ist damit aber auch der Erfolg der beiden gemeint. Dieses Jahr schaffte es „to be honest“, das Album zur Tour, auf Platz eins der deutschen Albumcharts.
Der Melodie des Tracks klingt nach 187 Strassenbande, einer Gruppe Gangster-Rapper aus Hamburg. In einem späteren heißt es: Wir wollen keine Psalme aus Plastik / Liebe ist nicht Theorie, sondern Praxis. Eindeutig eine Referenz zu Palmen aus Plastik von Bonez MC und RAF Camora, die zu 187 gehören. Da geht es allerdings um Suff, Gras, Sex und Benzer.
Nicht bei den O’Bros, hier geht es um Gott. Er wird zwischen den Liedern auch direkt angesprochen. Du sollst König sein. Wir ehren dich heute. Manche im Publikum heben beide Hände in die Höhe bei diesen Worten. Und es soll nicht um die O’Bros selbst gehen. „Sondern um dich“, sagen sie immer wieder. Darum, dass der Himmel die Erde berührt, um das Kreuz. Orgelmusik, Bässe setzen ein, eine Lichtshow.
Der „geistliche Kampf“ zwischen den Mächten des Bösen
Alles nur zu seiner Ehre / Only Jesus, bis ich sterbe / keiner kommt ihm in die Quere / wenn er will, dann teilt er Meere. Und im selben Lied: Transformation für die ganze Nation / Früchte des Geistes – Geschmackexplosion / kommen voller Dominanz vor den Thron / für jeden Dämon ist hier Haltestation.
Die O’Bros sind charismatisch geprägt, das erzählen sie selbst. Diese Zeilen machen das besonders deutlich. In der charismatischen Auslegung des Christentums geht es um ein Reich Gottes, das sich nicht im Jenseits, sondern schon im Hier und Jetzt immer weiter ausbreiten soll.
Dafür muss der „geistliche Kampf“ zwischen den Mächten des Bösen, zwischen Dämonen, und den guten Mächten Gottes gewonnen werden. Deshalb sollen die bereits Bekehrten nicht nur beten und andere bekehren. Es soll auch eine Transformation aller sieben gesellschaftlichen Sphären stattfinden, also etwa Politik, Wirtschaft oder Bildung, und zwar im Sinne der Gottesherrschaft. Transformation für die ganze Nation. So erklärte es die Theologin Maria Hinsenkamp einmal im Deutschlandfunk.
An diesem Abend geben sich die O’Bros allerdings betont unpolitisch. Nur Charlie Kirk wird einmal erwähnt, als es wieder um Spaltung geht, der evangelikale und rechte Aktivist aus den USA, der im September erschossen wurde. Auch er erwähnte die Transformation der sieben Sphären gelegentlich. Verschiedene Meinungen wie zu Charlie Kirk seien zwar gut, aber es müsse doch Einheit geben, heißt es von den O’Bros. Wir sind heute eins. Jeder sei willkommen, sagen sie später.
Maximilian Oberschelp erzählt, er habe als Kind keine Freunde gehabt. Auf Klassenfahrt hätten seine Mitschüler ihn umringt und ins Gesicht gespuckt. Das sei der demütigendste Moment seines Lebens gewesen. Aber er sei dankbar, dass er damals nicht aufgegeben hat. Er ruft: Egal wie tief die Scheiße ist, in der du sitzt, Gott kann dich da rausholen!
Die O’Bros rappen das Vaterunser, die Menschen stehen mit erhobenen Händen, einige mit geschlossenen Augen. Dann singen sie ein Lobpreislied zusammen, so etwas wie ein musikalisches Gebet ohne Instrumente. Nur die vielen Stimmen sind im Dunkeln zu hören.
Noch mehr Ansprachen. Zur Hoffnung. Gegen die Angst. Für Gott. „Angst ist eine Lüge!“, rufen die O’Bros. „Denn sie macht die Rechnung ohne einen allmächtigen Gott!“
Dann wieder ein Rapsong, die Wände vibrieren, die Menge vor der Bühne öffnet sich zum Moshpit. Eine mittelalte Frau mit Brille und blonden Locken nickt so heftig zum Beat, als würde sie headbangen.
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