piwik no script img

Regeln der Intimität beim DatingKnutschen muss genug sein dürfen

Wenn es beim Daten zum Kuss kommt, ist die Erwartung auf anschließenden Sex oft groß. Warum wir deshalb ein Recht auf Intimität ohne „Ziel“ brauchen.

Immer schön, aber auch oft mit Erwartungen verbunden: Knutschen Foto: Shingi Rice/Unsplash

W enn man einem Date körperlich nahkommt, kuschelt oder sich küsst, scheint man in unserer Gesellschaft einen unsichtbaren Vertrag zu unterschreiben, in dem steht: Wir werden Sex haben. Wenn wir cis und hetero sind, mit Penetration.

Ich glaube, uns entgeht durch diese Vertragsklausel viel. Ich kuschel und knutsche sehr gerne. Oft ist es einfach genau das, was ich gerade mit einer bestimmten Person machen möchte. Solche schönen Momente halten aber meist nicht lange.

Eher früher als später wird der Punkt kommen, an dem ich sagen muss: Bis hierhin und nicht weiter. Anstatt einfach da weiterzumachen, wo es sich gerade für beide noch gut angefühlt hat, wird die andere Person insistieren, oder den zärtlichen Moment ganz beenden. So habe ich es oft erlebt, mit verschiedenen Geschlechtern.

Eine Zeit lang versuchte ich, schon auf dem gemeinsamen Weg nach Hause klar zu sagen, was ich möchte und was nicht. Der Vorteil war, dass ich mich etwas entspannen konnte. Ich hatte nicht mehr die ganze Zeit im Hinterkopf: Gleich kommt der Moment, an dem du der anderen Person eröffnen musst, dass du den Vertrag brechen wirst. Der Erfolg dieser Methode war trotzdem mäßig. Es hielt meine Dates selten davon ab, zu insistieren oder aufzustehen mit einem Spruch wie: „Ich gehe mal nach Hause, kalt duschen.“

Kuscheln als neue Genusskategorie

Bei meinem letzten Tinder-Profil-Update schrieb ich in meine Bio: „Ich möchte wahrscheinlich keinen Sex, melde dich gern, wenn du Lust auf kuscheln oder knutschen hast.“ Jetzt kann nichts mehr schiefgehen, dachte ich. Die Leute wissen von Anfang an, woran sie sind, und ich werde nur noch mit denjenigen matchen, die das gleiche Bedürfnis haben. Toll, diese Dating-Apps.

Die zwei Dates, die ich daraufhin hatte, verliefen ähnlich. Wir küssten uns an einem schönen Ort an einem warmen Spätsommerabend. Doch statt das zu genießen, verschwendeten beide die gemeinsame Zeit damit zu insistieren, ich solle mit zu ihnen nach Hause kommen, obwohl ich längst nein gesagt hatte. Aus einem schönen Knutsch-Date war wieder nichts geworden.

Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder sie hatten den einzigen Satz im Profil nicht gelesen. Oder ihn nicht ernst genommen. Das konnte entweder an der verbreiteten Rape-Culture-Denkweise liegen, ein Mann müsse eine Frau „rumkriegen“, egal was sie dazu sagt. Oder der unsichtbare Vertrag hatte in den Augen dieser Dates mehr Gewicht, als mein gut sichtbares geschriebenes und gesprochenes Wort.

Ich wünsche mir, dass Kuscheln im Vertragswerk der Intimität als eigene Genusskategorie anerkannt wird und nicht bloß als ein Schritt auf dem Weg zu einem Ziel. Überhaupt wünsche ich mir mehr intime Begegnungen ohne Ziel. Am besten auch ohne Vertrag. Die einzige Klausel müsste sein, dass alle Beteiligten zu jeder Zeit einverstanden sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Lou Zucker
Lou Zucker ist Journalistin und Autorin. Als Redakteurin arbeitete sie für neues deutschland, Supernova, bento und Der Spiegel, derzeit ist sie Chefin vom Dienst bei taz nord in Hamburg. Ihr Buch „Clara Zetkin. Eine rote Feministin“ erschien in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Tinder? Ernsthaft? Ausgerechnet intime Daten, wie z.B. zum Thema Sexualität, mit US- oder sonstigen Datenkraken zu teilen käme mir nicht in den Sinn. Und dann meckern, wenn alles irgendwann offen im Netz rumfliegt...

  • -Tinder-Profil-Update



    -meine Bio:



    -ich werde nur noch mit denjenigen matchen..



    Das klingt alles sehr übel!



    Knutschen steht doch in der Überschrift.



    Gut, hier kommt wieder die längere Lebenszeit ins Spiel.(Gähn-ick weiß)



    Analog ist besser.@MOSHE LAVI



    Eindeutig besser!



    Zu nah am Feuer 1984



    www.youtube.com



    /watch?v=4B3uo8Izpsc

  • 3G
    33955 (Profil gelöscht)

    Der Fleischmarkt, online, wirft bei mir die Frage; warum die analoge Begegnungen das Nachsehen haben? Das digitale flirten überspringt einen Baustein im Rahmen einer Begegnung- nämlich das erste Visualisierung. Es fehlen die erste subtile Eindrücke die im Unterbewusstsein stattfinden- wie der Geruch.



    Eine erfahrene Frau sollte schon wissen, dass ein Mann (allgemein) sexuell orientiert ist. Es ist nicht verpönt.



    Meine Meinung nach der Mensch ist nicht digital.

  • Sollte selbstverständlich sein. Menschen sind keine Konsumgüter.

    Und mensch trägt auch etwas Verantwortung füreinander.

    Ich finde es traurig (aber leider realistisch), dass extra darauf hingewiesen werden muss.

  • Jeder kann sich alles mögliche wünschen. Besseres Wetter, Weltfrieden, leckeres Essen, mehr Geborgenheit.

    Nur, es gibt keinen Vertrag darüber.



    Wenn es anscheinend gesellschafltlich akzeptiert ist, bei 99% oder so, dass ein Tinderdate eher im Bett landet als davor, dann ist das noch keine rape Culture.



    Und anscheinend sind die Regeln der einzelnen Person immer eingehalten worden. Ist doch schön. Selbst wenn andere sich dann zurückziehen müssen.

    Ansonsten, vielleicht eine Knutsch und Kuschel App rausbringen.

    • @fly:

      Es ist nicht nur "gesellschaftlich akzeptiert", sondern wird insbesondere von Männern aggressiv eingefordert. Das und die dahinterliegenden Vorstellungen vom freien Verfügungsrecht über die Körper von Anderen zum Zweck der eigenen Befriedigung hat sehr wohl mit Rape Culture zu tun.

  • Zu meiner Zeit kam immer erstmal reichlich Petting vor dem ersten Kuß. Sex kam eigentlich nur dann infrage, wenn die Frau verheiratet war.

    • @Rainer B.:

      "Reichlich Petting vor dem ersten Kuss"?



      Kenn ich so gar nicht. Bei mir begann alles immer mit dem ersten Kuss. Was danach kam, ergab sich dann halt so...

      • @Volker Scheunert:

        Oh, oh, oh - danach gab's dann bei uns gewöhnlich 'nen Satz rote Backen und der Klammerblues war schnell beendet.

  • Ich denke dazu braucht es klare Kommunikation und Erwartungsmanagement.



    Wenn das Gegenüber trotzdem insistiert, besteht kein Match. Im Zweifel Date beenden. Immer klare Kante zeigen, gerade bei Männern.

    Ansonsten hilft meines Erachtens nur insbesondere unter Heterosexuellen, klassische Rollenbilder zu verabschieden. Das gilt allerdings für beide Geschlechter. Auch Frauen müssen sich da massiv anpassen. Ein Mann kann nicht mal einfach so machohafter Beschützer mit Jäger-Instinkt und einfühlsame, verschmuste Kuschelkatze gleichzeitig sein.

  • Die verbreitete Rape-Culture-Denkweise und rumkriegen. Merkt sie den Widerspruch nicht? Rape schert sich einen Dreck um rumkriegen! Einen Dreck!!!

  • "Warum wir deshalb ein Recht auf Intimität ohne „Ziel“ brauchen."

    Ist das nicht längst zivilisatorischer Standard? Welcher Neandertaler geht 2021 noch davon aus, dass ein Kuss automatisch Sex bedeutet?

  • Es ist natürlich so eine Sache. Sind Triebe im Spiel, wird der Verstand gedimmt.

    Dennoch sollte es eine zivilisatorische Selbstverständlichkeit sein, die Signale des Partners beim intimen Miteinander richtig zu deuten.

    Im Zweifel lieber einen Schritt zurück als zwei vor.

    • @Jim Hawkins:

      🥰 - 😘 - hier hilft verläßlich wiedermal:



      Der Alte aus Wiedensahl.

      “Wer sojet Sorgen hett -



      Hett auch Likörchen!“ o.s.ä.



      & sodele - Robert laß gehn



      m.youtube.com/watch?v=_iVSlA6tG4Q



      “ …du siehst an ihren Öhrchen - sie hatte 1 2 3 Likörchen“ (& trink nich so viel!;)

      kurz - Wie grad en vogue - hilft auch hier ne🚦 & ähnlicher Krimskrams - wa!

      • @Lowandorder:

        Nach meiner Erfahrung kann einem beim Knutschen schlecht werden, hat man 1 2 3 Likörchen zu viel intus.

        Von weiterführenden Aktivitäten gar nicht zu reden.

        • @Jim Hawkins:

          Koa Ahnung - trink das Zeugs ja nich!



          Mein Freund & Sangesbruder Robert ist der Alki-Experte - wa!

          unterm—- entre nous only —



          Daß Robert sich mal ne Gitarre aus Holzsegmenten gebaut - eingeschlafen im Regen & in Segmenten am Morgen wieder vorfand - ©Ponal-Kleber - 🤪 - verschweigen wir lieber mal. Ebenso =>



          Wie “K…Solo…!“ & Däh - die Harp tief unterviel Gelersch inne Butz versenkt🥳

          kurz - Zum Knutschen => Liedermacher Niedermacher - Fein - am Niederrhein •



          ROBERT KAUFFMANN * Sternenklar und sternhagelvoll live @adriAkustik 2016



          m.youtube.com/watch?v=bLf07BGh5SA Robert laß 🌟 ⭐️ gehn