Rechtsextremismus in Deutschland: 17 Verfahren gegen BKA-Angestellte
Vielerorts grölen Rechtsextreme ihre Version eines alten Party-Hits. Zugleich gingen am Samstag in mehreren Städten tausende Menschen gegen Rechts auf die Straße.
Konsequenzen gab es in demnach 13 Fällen. Drei Beamte wurden entlassen, fünf Tarifbeschäftigte gekündigt, wobei eine Kündigung vom Arbeitsgericht wieder aufgehoben wurde. In fünf Fällen wurden Disziplinarmaßnahmen erlassen, den Mitarbeitenden wurden also zum Beispiel die Bezüge gekürzt oder sie bekamen eine Geldbuße.
Zwei Verfahren wurden eingestellt, zwei weitere sind derzeit anhängig und wegen laufender Strafverfahren noch nicht abgeschlossen. Die Hinweise, die zu den Verfahren führten, kamen der Antwort zufolge von einer ehemaligen Mitarbeiterin.
Renner sagte dem Spiegel dazu: „Auch wenn die Zahl von 17 förmlichen Verfahren im Zusammenhang mit Rechtsextremismus im Bundeskriminalamt seit 2018 erst mal gering erscheint, muss klar sein, dass jeder einzelne Fall in der zentralen Ermittlungsbehörde einer zu viel ist.“
Die Innenpolitikerin fordert, dass jedem einzelnen Vorgang konsequent nachgegangen werde. „Keine Schonung derjenigen, die mit sexistischen oder antisemitischen Äußerungen auffallen und Wertschätzung derer, die diese Vorgänge melden“, sagte Renner.
Fußballspiel abgebrochen: Ermittlungen zu rechten Parolen
Weil rassistische Parolen skandiert worden sein sollen, ist ein Kreisliga-Fußballspiel in Sachsen-Anhalt abgebrochen worden. Es sei Strafanzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung gestellt worden, sagte ein Polizeisprecher am frühen Samstagmorgen. Demnach hatte der Schiedsrichter am Freitagabend die südlich von Magdeburg in Bördeland-Eggersdorf ausgetragene Partie zwischen dem TSV Blau-Weiß Eggersdorf und Union 1861 Schönebeck beim Stand von 7:0 für die Gastgeber abgebrochen.
Nach Polizeiangaben soll aus einer kleinen Gruppe von ca. zehn Personen, bestehend aus Heim-Fans, Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden, unter „musikalischer Untermalung“ – gemeint ist die Melodie des alten Party-Hits „L'amour toujours“ von Gigi D'Agostino – die Parole gerufen worden sein. Auch in einem Lokal auf der Insel Sylt hatten junge Menschen vor Kurzem zu diesem Lied „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gegrölt und damit deutschlandweit für Aufsehen gesorgt.
Nach Angaben des Sprechers meldete die Spielleitung den Abbruch der Polizei, woraufhin die Beamten die Ermittlungen, Identitäten aufnahmen und Ermittlungsverfahren einleiteten. Der polizeiliche Staatsschutz übernimmt, danach entscheidet die Staatsanwaltschaft, wie es weitergeht.
Weil das Lied zuletzt zunehmend für rassistische Parolen genutzt wurde, wird es bei der Fußball-Heim-EM sowie auf Volksfesten wie dem Münchner Oktoberfest und den Cannstatter Wasen nicht mehr gespielt. Die UEFA strich das Lied in Absprache mit dem österreichischen Fußball-Bund, der den Hit als sogenannten „celebration song“ vorgeschlagen hatte.
Jugendliche sollen rechte Parolen auf Gartenparty gegrölt haben
Die Polizei hat Ermittlungen gegen jugendliche Gäste einer Geburtstagsfeier in Mecklenburg-Vorpommern eingeleitet, die rassistische und verfassungswidrige Parolen gerufen haben sollen. Mehrere von ihnen hätten bei der Gartenparty in Pantelitz angeblich die Parolen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ zur Melodie von „L'amour toujours“ gesungen, teilte die Polizei mit. Eine Person soll demnach „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ gerufen haben.
Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Beamten nahmen die Personalien von 13 Partygästen im Alter von 15 bis 18 Jahren auf und erstatteten Strafanzeige.
Tausende Menschen bei Demo gegen Rechts in Berlin
Einen Tag vor der Europawahl haben laut Angaben der Polizei mehrere Tausend Menschen in Berlin gegen Rechtsextremismus demonstriert. Einem Sprecher der Polizei zufolge verlief die Demonstration am Samstagnachmittag zunächst friedlich. Es gebe einen „starken Zustrom“ an Menschen. Auf den Demo-Schildern waren unter anderem Sprüche wie „Herz statt Hetze“, „Menschenrechte statt rechte Menschen“ oder „Vielfalt ohne Alternative“ zu lesen. Angemeldet waren 10 000 Teilnehmer.
Unter dem Motto „Rechtsextremismus stoppen. Demokratie verteidigen“ hatte ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in mehreren deutschen Städten zu Demonstrationen aufgerufen, darunter in Hamburg, München, Köln und Dresden.
Für die Demonstration in Berlin hatte das Bündnis unter anderem Matthias Ecke als Redner angekündigt. Der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl war Anfang Mai beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden zusammengeschlagen worden.
Bündnis gegen Rechts demonstriert in Hannover
Hunderte haben am Sonnabend in Hannovers Innenstadt gegen Rechtsextremismus demonstriert. Bei der Kundgebung am Tag vor der Europawahl zählte die Polizei nach Angaben der Initiatoren rund 1.300 Teilnehmer. Die Versammlung richtete sich unter anderem gegen die AfD. Diese sei „eine Gefahr für unser buntes und vielfältiges Zusammenleben“, teilten die Veranstalter mit.
Das Motto der Demonstration lautete „Europa steht auf dem Spiel. Es geht um viel.“ Beim Umzug durch die niedersächsische Landeshauptstadt skandierten die Demonstranten Parolen wie „Alle zusammen gegen den Faschismus“ und „Alle Nazis raus“. Auf einem Transparent des Stadtverbands der Grünen war zu lesen: „Menschenrechte statt rechte Menschen“.
Zu der Versammlung hatte das Ortsbündnis „bunt statt braun“ aufgerufen. Zu den Unterstützern gehören unter anderem Gewerkschaften, Kirchen sowie die Regionalverbände von Grünen, SPD und Linkspartei. Ziel der Demo war es laut Aufruf, Erstwähler zu motivieren, am Sonntag „demokratische Parteien zu wählen“.
Morddrohungen gegen SPD-Politiker Karamba Diaby
Der hallesche SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby (SPD) hat offenbar mehrere Morddrohungen gegen sich und seine Mitarbeiter erhalten. Auf Instagram veröffentlichte der im Senegal geborene Politiker als Beispiel ein entsprechendes Schreiben an ihn. Ein Sprecher der Polizeiinspektion Halle sagte am Samstag auf Anfrage, eine entsprechende Strafanzeige durch den SPD-Politiker sei Anfang der Woche eingegangen: „Die Ermittlungen dazu laufen.“
Der 62-jährige Diaby erklärte auf Instagram am Freitagnachmittag, er lasse sich nicht einschüchtern: „Mit dieser letzten Drohung gegen mich ist eine neue rote Linie überschritten.“ Deshalb habe er sich entschieden, „die letzte der vielen Drohungen und rassistischen Hassnachrichten gegen mich zu veröffentlichen“. Der promovierte Chemiker sitzt seit 2013 im Bundestag.
Ihm sei es wichtig, „den Hass und die Gewalt klar zu benennen“. Dieser Hass gefährde den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. „Das dürfen wir nicht einfach so hinnehmen“, schreibt Diaby. Betroffene von digitaler Gewalt rief er dazu auf, sich Hilfe bei Beratungsstellen zu suchen.
Diaby ist seit Jahren Drohungen, mutmaßlich aus der rechtsextremen Szene, ausgesetzt. Dazu gehörten unter anderem ein Brandanschlag und der Beschuss eines Wahlkreisbüros.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht