Rechtsextremismus bei der Polizei: Polizisten im Nazichat
In der Polizeidirektion Osnabrück laufen derzeit sechs dienstrechtliche Ermittlungen wegen Verdachts auf rechtsextreme Gesinnung. Alles Einzelfälle?
Dass das nicht stimmt, zeigt sich derzeit an der Polizeidirektion Osnabrück: Wegen des Verdachts auf „rechtsextreme Gesinnung“ laufen gegen vier aktive Polizeibeamte, einen aktiven Verwaltungsbeamten und einen pensionierten Polizisten dienstrechtliche Ermittlungen. Sie laufen schon seit Herbst 2020, und so viel ist auszuwerten, dass bis zu ihrem Ende noch Wochen vergehen.
Bei Durchsuchungen Ende 2020 im Emsland und in der Grafschaft Bentheim wurden bei ihnen mehr als 20 technische Geräte sichergestellt, darunter Mobiltelefone, PCs und Tablets, sowohl private als auch dienstliche, zudem Speichermedien. „Nach unseren Erkenntnissen waren teilweise mehrere Hundert Bilder und Videos mit verdächtigen Inhalten unter den Betroffenen verschickt worden“, sagt Marco Ellermann, Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück, auf taz-Anfrage. Darunter seien „verstörende und indiskutable Bilder, die teilweise das Dritte Reich oder das Führerprinzip verherrlichen“. Verfassungsfeindliche Symbole seien zu sehen, Fremdenfeindliches. Messenger kamen zum Einsatz, hauptsächlich Whatsapp.
Drei der Polizisten sind vorläufig suspendiert, ein vierter bereits seit März 2020, wegen eines anderen Vorwurfs, der Verwaltungsbeamte tut weiter Dienst. Das Strafverfahren, wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück zwar eingestellt – die Dateien fanden keine öffentliche Verbreitung –, aber intern werde „auf Hochtouren“ weiterermittelt, sagt Ellermann. Im äußersten Fall droht eine Beendigung des Dienstverhältnisses, eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
„Die Vorfälle müssen schnell und lückenlos aufgearbeitet werden“, sagt Polizeipräsident Michael Maßmann. „Falls sich der Verdacht bestätigt, werden wir konsequent und mit der notwendigen Härte handeln. Ich sage klipp und klar: Beamte, die durch ihr Gedankengut und ihre Handlungen den obersten Grundwerten unserer Demokratie widersprechen, haben in der Polizei nichts verloren.“
Die sechs Fälle schaden dem Ruf der Direktion massiv. Sie tut viel zur Stärkung der demokratischen Resilienz, nicht zuletzt durch die wegweisende Arbeit ihrer Dialogbeauftragten Sabina Ide. Aber das ist offenbar nicht genug. Man gehe „von Einzelfällen in der Polizeidirektion Osnabrück aus, nicht von strukturellen Problemen“, sagt Ellermann. Er sagt es faktisch, nicht abwiegelnd.
Einzelfälle? Mag sein, hier. Aber: „Dass es keine Einzelfälle sind, wenn PolizistInnen rassistisches Gedankengut verbreiten und auch entsprechend handeln, sollten langsam alle begriffen haben“, sagt Heidi Reichinnek, Landesvorsitzende der Linken in Niedersachsen. „Umso unverständlicher ist es, dass eine umfassende Studie zu Rassismus in der Polizei weiter auf sich warten lässt. Demokratiefeindlichkeit lässt sich nicht aussitzen und kann bei der Polizei tödlich sein!“
PolizistInnen in solchen Fällen gegen PolizistInnen ermitteln zu lassen, in der Hoffnung auf Sachneutralität, findet Reichinnek problematisch. Sie fordert eine unabhängige Meldestelle. „Die würde auch den vielen bei der Polizei den Rücken stärken, die keine rassistischen Einstellungen haben. An dieser Stelle schauen wir ganz klar auf Innenminister Pistorius, der ‚die Antifa‘ verbieten will, aber sich hier entspannt zurücklehnt.“
„Da darf nichts unter den Tisch gekehrt werden“, sagt Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete aus Bramsche bei Osnabrück und Obfrau im Innenausschuss für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. „Die Verbreitung von rechtsextremen Inhalten, ob intern oder öffentlich, stellt eine ganz klare Grenzüberschreitung dar und muss mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden.“ Wer das Gewaltmonopol des Staates ausübe, müsse „mit aller Festigkeit auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“.
Wenn die Polizei ein Spiegelbild der Gesellschaft sei, gebe es auch in der Polizei Fehlverhalten, so Polat. Folglich sei davon ausgehen, „dass es auch in der Polizei einen gewissen Prozentsatz gibt, der rechtsextreme und rassistische Einstellungen teilt.“
23 Verdachtsfälle von 2015 bis Mitte 2020
23 Verdachtsfälle „rechtslastigen Verhaltens“ rechnet Svenja Mischel, Sprecherin des Niedersächsischen Innenministeriums, für 2015 bis Mitte 2020 vor. 21 Disziplinar- und arbeitsrechtliche Verfahren waren die Folge. Manches führte zu Geldbußen, zu Verboten der Führung der Dienstgeschäfte, zur Abmahnung, zur Kündigung, manches erhärtete sich nicht. In 14 der Fälle kam es zudem zu Strafverfahren. Zwei endeten mit einer Geldstrafe, eines mit einem Täter-Opfer-Ausgleich, die meisten der Verfahren wurden eingestellt, mangels hinreichenden Tatverdachts.
Zu den sechs Osnabrücker Fällen hält sich das Ministerium bedeckt. Noch sei keine abschließende Beurteilung möglich. Und dann zählt Mischel auf, was Niedersachsens Polizei alles zur „Stärkung der Demokratiefähigkeit“ tut, von der „Polizei Niedersachsen Strategie 2027“ bis zu Roses „Polizeischutz für die Demokratie“.
Viele gute Programme, zum Schutz der Demokratie. Man gehe „mit aller Konsequenz gegen jegliche Anzeichen rechtsextremer und rassistischer Gesinnung vor“, sagt Boris Pistorius, Niedersachsens Innenminister. Aber vielleicht braucht die Demokratie zuweilen Polizeischutz vor Polizisten?
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