Rechtsextremes Attentat in den USA: Wieder ein Weißenretter
Ein 19-jähriger Rassist schießt in Kalifornien in einer Synagoge um sich. Eine Person stirbt, drei weitere Menschen werden verletzt.
Der Täter, der ein paar Blocks von der Synagoge entfernt verhaftet wurde, ist offenbar ein Fan anderer weißer Rassisten und spricht ihre mit Hass und Verschwörungstheorien gespickte Sprache. In einem „Manifest“, das er kurz vor seiner Tat am Sonntag ins Internet stellte, hat er das Attentat von Neuseeland, bei dem 49 Menschen ums Leben kamen, als „Katalysator“ für seine eigene Tat bezeichnet. Wie der Attentäter von Neuseeland schreibt auch der 19-jährige US-Amerikaner über einen „weißen Genozid“. Wie jener, erwähnt auch er den schwedischen YouTuber „PewDiePie“ – der weltweit 89 Millionen Abonnenten hat – als einen „Einfluss“. Und wie jener fordert er andere auf, ihn nachzuahmen. Neben vielen anderen Dingen wetterte der Schütze von San Diego auch gegen den Feminismus, den er als „Sünde“ bezeichnet.
Der Schütze steht im Verdacht, schon vor dem Attentat auf die Synagoge mindestens eine weitere rassistisch motivierte Straftat begangen zu haben. Sie war gegen Muslime gerichtet. Die Polizei hält ihn für den mutmaßlichen Verantwortlichen für eine Brandstiftung in einer Moschee im kalifornischen Escondido im vergangenen Monat. Dabei kamen keine Menschen zu Schaden.
Donald Trump, der sich nach anderen rassistischen Gewalttaten in den USA mit Kommentaren zurückgehalten hat, wusste dieses Mal schon wenige Stunden später, dass es sich vermutlich um ein „Hassverbrechen“ gehandelt habe. „Wir werden den Antisemitismus bis zum Grund bekämpfen“, sagte Trump vor Anhängern in Wisconsin. Das klang grundsätzlich anders als seine Reaktion auf rechtsextreme Gewalttaten im Sommer 2017 in Charlottesville in Virginia. Damals brauchte der US-Präsident mehrere Tage, bis er auf den Tod einer jungen Antirassistin reagierte, die von einem Neonazi umgebracht worden war. Dann sagte der US-Präsident: „Es gibt sehr nette Menschen auf beiden Seiten.“
Anstieg von Hassverbrechen
Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom stellte die Schießerei in der Synagoge bei San Diego in eine Reihe mit Charleston, Pittsburgh, Quebec und Neuseeland. „Niemand sollte Angst haben müssen, in einen Tempel zu gehen“, sagte Newsom. Der Rabbiner der Synagoge in San Diego, der am Samstag selbst an der Hand verletzt wurde, war nach dem Attentat in Neuseeland an die Öffentlichkeit gegangen.
In den letzten Jahren beobachten Antirassismusgruppen in den USA einen Anstieg von Hassverbrechen. Am Samstag erklärte Heidi Beirich vom Southern Poverty Law Center, das rechtsextreme Aktivisten in den USA beobachtet: „Die heutige Attacke folgt auf ein Jahr von intensiver Gewalt, die von der rassistischen Alt-Right inspiriert ist.“ Seit 2014, so hat ihre Gruppe dokumentiert, sind mindestens 81 Menschen durch diese rassistische Gewalt getötet und 104 verletzt worden.
Southern Poverty Law Center über den Anstieg der Gewalt
Als im vergangenen Monat der Justizausschuss des Repräsentantenhauses ein Hearing zu Gewalttaten von weißen Rassisten veranstaltete, bei dem auch Überlebende von Attentaten auf religiöse Zentren aussagten, gab es so viele Hassmails zur Direktübertragung im Internet, dass YouTube die Kommentarfunktion abschaltete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen