Rechtsextremer Chat von Polizistin: „Ein asyli weniger“
Eine bayrische Polizistin verschickt Dienstinterna, äußert sich rassistisch. Erst nach Jahren wird sie gestoppt. Ein drastischer Fall, aber kein Einzelfall.

Seit gut 20 Jahren arbeitete Stefanie R. als Polizistin in der Dienststelle, als vor sechs Jahren Dinge ins Rutschen gerieten. Ein Bekannter fragte Stefanie R. damals per Whatsapp-Nachricht, ob sie ihm behilflich sein und mitteilen könne, wer der Halter eines KfZ-Kennzeichens sei. Und Stefanie R. war behilflich und übermittelte den Ausdruck aus einer internen Polizeidatenbank. Das Prozedere wiederholte sich zehnmal. Zum Dank wurde Stefanie R. von ihrem Bekannten wiederholt in ein griechisches Restaurant eingeladen. So zeichnen es Justizunterlagen nach, die der taz vorliegen.
Und Stefanie R. zeigte sich auch gegenüber anderen freigiebig. Einer Bekannten schickte sie das Foto eines Ermittlungsvorgangs zu einer Vergewaltigung und sexuellen Belästigung. Ein anderes Mal tat sie das zu einem Einbruch – nachdem die Bekannte gefragt hatte, was in der Straße los sei. Als Stefanie R. eine Frau in einem Krankenhaus bewachte, schickte sie auch von dieser ein Foto mit dem Hinweis, diese habe mehr als 3 Promille intus und sich mit Tabletten umbringen wollen.
So ging das immer weiter, über Jahre. Bekannte fragten sie, was bei bestimmten Polizeieinsätzen los sei, was gegen Familienmitglieder, Freunde oder sie selbst ermittelt werde – und Stefanie R. lieferte.
Auch ein Hitlerbild verschickt
Einer Bekannten schickte sie die Ermittlungsstände zu deren Bruder, später auch an diesen direkt – wegen Fahrerflucht, häuslicher Gewalt, Bedrohung oder Körperverletzung. Der Frau teilte sie auch mit, wer sie wegen Ruhestörung angezeigt hatte. Eine andere Bekannte informierte sie über eine Person, die dieser angeblich 2.000 Euro schuldete. Einem Bekannten wiederum verriet sie, was der Ermittlungsstand zu seinem Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz war und zu einem Fall, wo er betrunken auf einem Grünstreifen vor einem Friedhof aufgegriffen wurde.
Und es ging noch drastischer. Einer Bekannten schickte sie das Foto einer Babyleiche mit dem Hinweis, dass die Mutter noch nicht gefunden und ein Tötungsdelikt möglich sei. Von einem Tatorteinsatz verschickte sie an mehrere Personen Fotos einer Leiche in einer Badewanne und teilte mit, dass diese dort schon acht bis zehn Tage gelegen habe.
Und in den Chats hielt sich Stefanie R. auch mit ihrer Gesinnung nicht zurück. Im August 2020 verschickte Stefanie R. an einen Bekannten ein Foto einer Person, die sich an einer Brücke im Ort erhängt hatte. Ihr Kommentar dazu: „Ein asyli weniger.“ Ein anderer Bekannter erhielt ein Foto von einem Festgenommenen noch während des Polizeieinsatzes mit dem Hinweis „Messergaudi unter Rumänen“. Zu einem anderen Verdächtigen schrieb sie, sein Fall zeige, „was der Pöbel für einen Schlag hat“.
In einer privaten Chatgruppe verschickte Stefanie R. auch ein Hitlerbild mit der Aufschrift „Du bist lustig. Dich vergas ich zuletzt.“ An anderer Stelle verschickte sie von einem Einsatz zwei Fotos mit der Frage: „Wo bin ich?“ Ein Chatpartner antwortete: „Asylantenheim! Negerbunker.“ Darauf Stefanie R.: „100 Punkte.“ Der Chatpartner: „100 Kugeln für de neger wär ma lieber.“ Worauf Stefanie R. kommentierte: „Hab nur 32.“ Darauf ihr Chatpartner: „Glangd a fürs erste.“ Und Stefanie R. wieder: „I derf ned, die fangen nich an obwohl i fett angezogen wär.“
Nur durch Zufall aufgeflogen
Im Dienst flogen die Nachrichten nicht auf – sondern erst, als ein Beschuldigter einer Trunkenheitsfahrt den Verdacht äußerte, dass Dienstinterna nach außen gegeben wurden. Die Ermittlungen führten dann zu Stefanie R. Im Oktober 2023 wurde ihr Handy beschlagnahmt, im Januar 2024 erfolgte eine Hausdurchsuchung. Laut dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd ist Stefanie R. seitdem suspendiert – allerdings bei vollen Dienstbezügen. Zudem läuft gegen sie ein Disziplinarverfahren, das bis zum Abschluss des Strafverfahrens aber ausgesetzt ist.
Schon im Dezember 2024 stand Stefanie R. dann vor dem Amtsgericht Mühldorf – und legte ein Geständnis ab. Wegen der sichergestellten Chats gab es aber auch nicht viel zu bestreiten. Das Gericht warf Stefanie R. vor, „völlig bedenkenlos“ mit ihren Dienstpflichten umgegangen zu sein und das Vertrauen in die Integrität in die Polizei untergraben zu haben. Ihr sei klar gewesen, dass sie die Daten nicht hätte weitergeben dürfen. Mit ihren rechtsextremen Chatnachrichten habe sie zudem zu Hass und Gewalt gegen Asylsuchende aufgestachelt und deren Menschenwürde verletzt.
Das Urteil: eine Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren, ausgesetzt auf Bewährung, und 5.000 Euro Geldstrafe. Eine Strafe, die ein Ende des Beamtenverhältnisses für Stefanie R. bedeuten würde und damit das Dienstende. Deshalb legte die Polizistin Berufung gegen das Urteil ein – über die nun demnächst verhandelt werden soll.
Und es ist kein Einzelfall. Laut einem Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz von 2024 gab es bundesweit zuletzt 739 rechtsextremistische Prüffälle in den Sicherheitsbehörden und 364 erwiesene. Das bayrische Innenministerium teilte der taz mit, dass – Stand 24. April – gegen 26 Beamt*innen der bayrischen Polizei Disziplinarverfahren wegen des Verdachts auf eine rechtsextreme Gesinnung liefen. Vier davon befänden sich schon im Ruhestand, gegen drei liefen Verfahren zur Entlassung. Seit 2020 seien insgesamt 67 entsprechende Disziplinarverfahren gelaufen, so ein Sprecher.
Die bayrische SPD-Innenexpertin Christiane Feichtmeier, selbst Polizistin, sagte der taz, der Fall Stefanie R. habe „alle erschüttert“ und sei ein „gravierendes Fehlverhalten“. Der Fall zeige, wie wichtig interne Kontrollmechanismen und eine konsequente Aufarbeitung seien. Dass die Vorgänge nur durch Zufall aufgedeckt wurden, sei daher „kritisch zu sehen“, so Feichtmeier. Man dürfe den Fall aber nicht verallgemeinern – die große Mehrheit der Polizei leiste „einwandfreie Arbeit“.
Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd erklärte, Konsequenzen im Arbeitsalltag habe der Fall Stefanie R. auf der Dienststelle nicht gehabt. Alle Reviere würden aber regelmäßig zum Thema unzulässige Datenabfragen und politische Treuepflicht sensibilisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundeshaushalt
Aberwitzige Anbiederung an Trump
Söder bei Reichelt-Portal „Nius“
Keine Plattform für Söder
Rutte dankt Trump
Die Nato ist im A… von …
Soziale Kürzungen
Druck auf Arme steigt
„Compact“-Urteil
Die Unberechenbarkeit von Verboten
Iran-Briefing verschoben
Zweifel an Ausschaltung des iranischen Atomprogramms