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(Ex-)Nazi arbeitet als HeilpädagogeVorstand in Zugzwang

Eine heilpädagogische Einrichtung beschäftigt einen Mann, der zumindest früher zur rechtsextremen Szene Bremens gehörte. Heute distanziert er sich.

Kein naheliegender Arbeitsort für Rechtsextreme: heilpädagogische Kita Foto: Thomas Frey/dpa

D ie Fakten sind eindeutig. A. war nicht nur lange Zeit in der rechtsextremen Szene aktiv. Er kannte auch den harten Kern der Bremer Szene zwischen Kameradschaft und Rechtsrock. Diverse Aufnahmen von verschiedenen Aktionen belegen diese Aktivitäten. Seit gut einem Jahr arbeitet er in einer heilpädagogischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in Niedersachsen.

„Wir haben diesen politischen Hintergrund nicht gekannt“, sagt Markus Schmidt vom Vorstand des Trägervereins der Einrichtung. „Wir haben gerade ein Transparent – ‚Kein Platz für Rechtsextremismus‘ – in unserem Gebäude aufgehängt“, ergänzt Klaus Hartwig, ebenfalls vom Vorstand, und betont: „In Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe darf eine solche Weltanschauung erst recht keinen Platz haben.“

Nur ein Bekenntnis ohne Konsequenzen? Denn A.s rechtsextreme Vergangenheit ist dem Vorstand seit rund acht Wochen bekannt. Dennoch ist er nach wie vor als Heilpädagoge in der Einrichtung beschäftigt. „Nach dem internen Hinweis haben wir die Vorhaltungen überprüft“, sagt Hartwig.

In den sozialen Medien habe man Bilder gefunden. Die Polizei sei eingeschaltet worden. Die Bilder seien acht Jahre alt, sagt Hartwig. Jüngere Hinweise hätten sie nicht gefunden. Auch die Polizei habe keine aktuellen Aktivitäten festgestellt. „Sie haben die Vorhaltungen mehrere Tage lang überprüft“, sagt Schmidt.

Kinder als Zielgruppe

In den vergangenen Jahrzehnten drängten Rechtsextreme immer wieder in pädagogische Berufsfelder. Sie wollen Kinder und Jugendliche erziehen, anleiten und führen. Meist sind sie als Leh­re­r*in­nen oder Er­zie­he­r*in­nen in den Regeleinrichtungen tätig.

Im heilpädagogischen Bereich sind Rechtsextreme bisher wenig aufgefallen. In einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, ebenfalls in Niedersachsen, outete sich eine Rechts­extreme unfreiwillig. Ihre Tätowierungen verrieten ihre Gesinnung. Das Arbeitsverhältnis wurde ­beendet.

Die Vorstandsmitglieder haben auch das Gespräch mit A. gesucht. Der habe die Aktivitäten zugegeben, habe aber versichert, dass er aus der Szene raus sei. Das habe dem Vorstand nicht gereicht. „Hätten wir von den Aktivitäten gewusst, hätten wir ihn nicht eingestellt“, betont Schmidt. Doch jeder mache mal Fehler und auch A. habe eine zweite Chance verdient, erklärt Hartwig.

Der Vorstand habe ihn aufgefordert, sich schriftlich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, sagt er. „Wir wollten wissen, ob er heute nicht nur nicht mehr mitmacht, sondern auch anders denkt“, sagt Schmidt. Die erste schriftliche Darstellung habe ihnen nicht gereicht. „Die war uns zu oberflächlich.“

Im heilpädagogischen Bereich sind Rechtsextreme bisher wenig aufgefallen

Bei einem zweiten Anlauf sei den Vorstandsmitgliedern die veränderte Weltsicht deutlicher geworden. In der Zwischenzeit hatten sie sich bereits über Kündigungsmöglichkeiten informiert. Der Betriebsrat war eingeschaltet. Nun sei A. bewusst versetzt worden. Er kümmere sich nicht mehr allein um die Bedürftigen, sagt Schmidt.

Dass bisher nicht viele Rechtsextreme im heilpädagogischen Bereich aufgefallen sind, liegt auch daran, dass Menschen mit Behinderungen für sie nicht zur „Volksgemeinschaft“ gehören. Die Unterscheidung zwischen „lebenswertem“ und „lebensunwertem“ Leben war dabei schon in den 1920er-Jahren nicht auf die rechtsextreme Bewegung beschränkt.

Im Nationalsozialismus dann mündeten diese eugenischen Vorstellungen in „Euthanasie“- und Zwangssterilisationsmaßnahmen. Ärzte und Pfle­ge­r*in­nen töteten schätzungsweise 300.000 Menschen. Etwa 400.000 Menschen wurden zwangssterilisiert.

* alle Namen im Text wurden geändert

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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1 Kommentar

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  • Vielleicht ist das hier sogar glaubwürdig, aber es ist extrem heikel, weil diese Szene einen Hass auf schwache und Menschen mit Behinderung vertritt, dass es schwer fällt, zu glauben, dass solche Ideen bei ihm nicht mehr dar sind. Die Position des Trägers in der Öffentlichkeit müsste evtl. ja auch in einem Arbeitsgericht standhalten und da könnte ich mir vorstellen, dass sie sich deswegen zurückhalten. Ich würde mir aber mehr Sorgfalt wünschen, wer in diese Einrichtungen geht, der sollte da passen und nicht Alarmglocken auslösen. Außerdem sind nicht immer mehrere Menschen dort, es könnte schon sein, dass so eine Einstellung doch in die Arbeit einfließt und Menschen Opfer dieser Ideen werden, obwohl sie dort gefördert und wertgeschätzt werden sollen. Aber es muss ihn ja auch mal jemand ausgebildet haben. Schon das war eigentlich ein Fehler, bzw. da hätte es auch ein transparentes Vorgehen geben müssen.