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Rechtsanspruch auf PflegeDer Fehler liegt im System

Nicole Opitz
Kommentar von Nicole Opitz

Ein Anspruch auf Pflege, Fachkräfte aus dem Ausland? Solche Vorschläge bringen nichts, wenn sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht ändern.

Laut einer Umfrage denken 38,3 Prozent der Pflegenden häufiger daran, den Beruf zu verlassen Foto: Bernd Weißbrod/dpa

D ie Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen besser werden, anders ist es nicht zu machen. Das gilt für Pfleger_innen wie Kantinenmitarbeiter_innen und Reinigungskräfte in Pflegeeinrichtungen. Dabei mangelt es in der deutschen Politik nicht an Vorschlägen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte in der Neuen Osnabrücker Zeitung an, Arbeitskräfte aus Brasilien zu holen. Fragwürdig, wie sehr das helfen wird.

Man erinnere sich an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der im Februar in einem Hörsaal der ghanaischen Hauptstadt Accra danach fragte, wer in Deutschland arbeiten wolle. Er reagierte perplex, als nur wenige der IT-Studierenden die Hand hoben. Auswandern, um in Deutschland zu arbeiten, das ist eben nicht per se attraktiv. Dazu kommt, dass Mitarbeiter_innen in deutschen Pflegeeinrichtungen einen sehr schwierigen Job haben, sie werden nicht gut bezahlt und oft schlecht behandelt.

Nun ein neuer Vorschlag, diesmal von dem Präsidenten des Arbeitgeberverbands Pflege, der ein Recht auf einen Pflegeplatz fordert. Schöne Idee, nur: Wer pflegt diese Leute? Laut einer aktuellen Umfrage denken 38,3 Prozent der Pflegenden häufiger daran, den Beruf zu verlassen. Ein Teufelskreis. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergab, dass es zwischen 300.000 und 660.000 zusätzliche Pflegekräfte in Vollzeit gäbe, würden sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern.

Der Vorschlag eines Rechtsanspruchs auf Pflege bekämpft das Symptom, nicht die Krankheit. Das zeigt der Vergleich mit dem Recht auf einen Kitaplatz: Auch das hat nicht funktioniert. Ein Grundfehler ist, dass aus der Pflege Profit gemacht werden kann. Das Pflegeversicherungsgesetz von 1995 erlaubt es, dass private Betreiber_innen und Investor_innen mit Altenpflege- und anderen Einrichtungen Geld machen können. Das österreichische Burgenland macht vor, wie es besser geht: Dort werden ab 2024 alle Überschüsse in die Verbesserung der Pflege investiert.

Das Problem ist ernst: Nicht nur die Bevölkerung altert, sondern auch die wenigen Pflegekräfte werden älter. Dementsprechend schnell und gründlich sollte die Politik das Problem nun angehen.

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Nicole Opitz
Redakteurin
Seit 2019 bei der taz. Interessiert sich vor allem für Feminismus, Gesundheit & soziale Ungleichheit. BVHK-Journalismuspreis 2023. Derzeit in Schreibpause.
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10 Kommentare

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  • Rechtlicher Anspruch mutiert zur hohlen Farce.



    Genau das erlebt man auch gerade bei haufenweise fehlenden KITA-Plätzen.

    Die Regierung vermag sich mit derart im Ergebnis “paradoxen Beschlüssen” selbst Genüge zu tun, mehr nicht.



    Die Hütte brennt bereits an vielen Ecken und Enden:



    Milliarden fließen schon z.B. in die Rüstung, Steuerschlupflöcher werden nicht gestopft, Reiche werden noch reicher, während Bildungs- und so manche soziale Miseren bereits lauthals vor dem Tor rufen.

    Da muss Politik eben noch kurz und vermeintlich eindrucksvoll ein “Wörtchen” über Pflege erfinden: “rechtlicher Anspruch”.



    Dass letzterer längst von der Realität überholt wurde, fiel dabei ganz einfach unter den Tisch.

    Glückwunsch.



    Geht doch ;-)

  • In den Zeitungen liest man immer nur die Oberfläche:



    Wie hoch ist tatsächlich die Rendite für die Immobilie, auch im Vergleich zu den Mieten für normale Wohnungen. Wie viel kann als Gewinn übrig bleiben nach Abzug der Löhne, der Pflegemittel, der Nahrungsmittel...



    Wie bemisst sich das unternehmerische Risiko. Ob und welche Pönalen drohen bei Schlechtleistung. Wie ermittelt man Schlechtleistung.

  • "Auswandern, um in Deutschland zu arbeiten, das ist eben nicht per se attraktiv."

    Stimmt. Und es wird noch schlimmer, wenn diejenigen das tatsächliche Deutschland kennenlernen, nicht das aus den Mythen im Ausland. Hohe Preise, kein bezahlbarer Wohnraum und Rassismus sind nicht sehr verlockend.

  • Dass die Regierung die Arbeitsbedingungen nicht verbessern WILL sieht man daran, dass seit Jahren ausser Gelaber nichts in diese Richtung passiert - gleichzeitig versucht man im Ausland Pflegekräfte zu rekrutieren die dann hier ein paar Jahre unter den schlechten Arbeitsbedingungen schuften sollen. Die machen das dann halt ein paar Jährchen und wenn der Rücken kaputt ist geht es ab in die Heimat, nicht wahr ?

    Und dass man hier die Gewinne aus dem Pflegegeschäft gutheisst ist völlig unbestreitbar.



    Ebenso wie bei den Gewinnen aus die Kilowattstundenabzocke an denen Städte und Gemeinden ja exorbitant gut verdienen.

    • @Bolzkopf:

      Ein Problem ist leider zusätzlich der Teufelskreis, dass mit "schlechte Arbeitsbedingungen" oft nicht die Bezahlung gemeint ist, sondern dass es zu wenig Pflegekräfte sind. Das verstärkt sich selbst: nicht attraktiv => noch weniger PflegerInnen.

  • Gerade in der Pflege ist es dringend notwendig das Personal besser zu bezahlen und den Beruf attraktiver zu gestalten. Einem anderen Land, das selbst Personal braucht, Arbeitskräfte zu stehlen löst das Problem nicht.



    Das geht allerdings nur wenn die Krankenkassen bereit sind Pflegearbeiten besser zu bezahlen. Und das geht nur wenn man das vollkommen ausser Kontrolle geratene Gesundheitssystem wieder auf ein Normalmaß eindampft.

    • @SeppW:

      Es gibt Dinge, die lassen sich selbst durch ein exorbitantes Schmerzensgeldsaläre nicht kompensieren.

      Denn ab einem gewissen Punkt macht mehr Geld nicht mehr glücklich - aber halt auch nicht mehr gesund !

  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    schon verwunderlich. Vor mehr als 10 Jahren hieß es oft wer Fehler im System anspricht oder gar bemängelt der verstehe den Sektor nicht und wäre gegen den staatlich gesetzten Rahmen. Inzwischen liest man für mehrere Arbeitsbereiche (nicht nur den der Pflege) das System wäre falsch.



    Das Grundprinzip von der Arbeit leben können sollte eingehalten werden. Leider sind viele Arbeitgeber nicht bzw. kaum daran interessiert dies ihren Mitarbeitern zu gewähren.

    • @663803 (Profil gelöscht):

      Die Lösung sind nicht höhere Löhne, sondern weniger Steuer- und Sozialabgaben Richtung Staat.

      • @SeppW:

        Ach was. Wie verbessert das die Pflege und die Arbeitsbedingungen?



        Manche können nur bis zur Stirn und dem Brett davor denken.