Rechter Verlag bedroht taz-Journalist: Alles nur ein Spaß
Der Jungeuropa Verlag schwelgt in Gewaltfantasien, wenn er an einen taz-Journalisten denkt. Vermeintliche Ironie gehört zur Strategie dieses Milieus.
Glatze scheren, Gesichtstattoo stechen: Keine übliche Offerte auf der Frankfurter Buchmesse. Die Verlage bemühen sich sehr bei der Präsentation ihres Programms. An den Verlagsständen liegen auch mal kleine Präsente oder nette Gimmicks aus. Der Jungeuropa Verlag bietet diese Vor-Ort-Behandlung allerdings an. Nicht für alle, die an ihren Stand kommen, nur für mich. Das offene Angebot des rechtsextremen Verlags ist nichts anders als eine eindeutige Gewaltandrohung.
Seit Tagen läuft eine Debatte um den Verlag. Einzelne Autor:innen haben wegen einer möglichen Bedrohung ihr Kommen abgesagt. In dem Podcast „von rechts lesen – Sendung 27“ sprechen der Verleger Philip Stein und der Autor des Verlages Volker Zierke über die Buchmesse, was so geplant sei, was vorstellbar wäre. Recht launisch, recht langweilig geplaudert. Ein Kollege von der rechte rand – das antifaschistische Magazin hielt das Gerede von Biertrinken und stabilen Kerlen durch – und wies auf die Minute 45 plus hin.
Mein Name fällt und kurz der von Andrea Röpke, wir beide haben mehre Bücher über dieses weite Milieu in der Mitte der Gesellschaft verfasst und herausgeben. Aus diesem Zirkel der vermeintlich neu-rechten Publizierenden werden vor allem Frauen mit journalistischem Engagement oder publizistischer Resonanz verbal-radikal, sexistisch-körperlich aufgeladen angegangen. Die feinen Herren – vom Selbstverständnis her – sind dann nicht mehr so fein.
In der Sendung lassen Stein und Zierke aber nun gegen mich ihre Gewalt- und Erniedrigungsfantasien schweifen. Die Zöglinge Götz Kubitscheks aus dem Institut für Staatspolitik (IfS), das der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt jüngst als gesichert rechtsextrem einstufte, erwarten mein Erscheinen an ihrem Stand. Zierke wirft ein, dass ich einen Friseur bräuchte. „Friseur“, sagt Stein und sagt weiter, dass sie das „auch am Stand“ gleich mit „so einer Schermaschine“ machen könnten, so im Look der 80er-Jahre-Oldschool-Skinheads.
Gewalthoffnungen und Vernichtungsvorstellungen
Zierke meint, am Stand könnten sie mich auch sofort gesichtstätowieren, und Stein schlägt vor, „dann könnten wir dem Andreas Speit theoretisch so ein richtig cooles Fraktur-Tattoo machen – Deutschland ganz groß“. Ganz bei sich kichern, grienen und lachen sie bei ihren Worten – ihren Bildern im Kopf.
Ist ja doch auch alles nicht ernst gemeint, alles nur Scherz und Spaß. Schenkelklopfer und Lacher. Und wer nicht mitlacht, ist halt selber schuld. Schon länger versucht dieses Milieu mit vermeintlichem Witz und Ironie seine Gewalthoffnungen und Vernichtungsvorstellungen zu relativieren. Die Idee der Zwangsscherung und -tätowierung ist Teil des Erniedrigungsprozesses der markierten Feinde mit historischer Tradition, das Lachen Teil des Selbsterhöhungsprozess.
„The Killer smiles“, hebt Klaus Theweleit in das „Das Lachen der Täter: Breivik u. a.“ hervor. Die Tötungslust führt zum Lachen wegen der Allmacht über seine Opfer. In dem spaßigen Kubitschek-Jünger lauert der grinsende Killer. Zierke, aus der rechtsextremen Identitären Bewegung kommend, war – welch Zufall – bei einer Gewalttat involviert. Stein, auch Vereinsvorsitzender von „Ein Prozent“, wird vorgeworfen, an einem Angriff beteiligt gewesen sein. In beiden Fällen: gegen Andersdenkende.
So what, hier bleiben Worte doch selbstredend bloß Worte. Im vorpolitischen Raum möchte der Jungeuropa Verlag ja nur eine weitere Meinung in die laufenden Debatten einbringen. Könnte der Verlag jedoch mit der Gewaltandrohung auf der Buchmesse die Grenzen des meinungspolitischen Diskurses überschritten haben?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga