Rechte Symbolik bei Bauernprotesten: Eiserne Kreuze und Grüne am Galgen
Reichsadler bei den Bauernprotesten – das auf die Unterwanderung durch Rechtsextreme zu schieben, wäre zu einfach. Rechte Bauern gab es schon immer.
D ie Symbolik der Bauernproteste ist alles andere als zurückhaltend: Ein Galgen auf der Bühne. Eine rote Strohpuppe ist neben einer gelben und einer grünen vorne an einem Traktor aufgehängt. Motive und Codes sagen manchmal mehr als Worte: In diesem Protest herrschen radikale Ressentiments gegen die Bundesregierung, Tötungs- und Umsturzfantasien inklusive.
Der Hass der Landwirt:innen richtet sich aber vor allem gegen den grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine Partei. Ganz so, als ob die Grünen über Jahrzehnte das Hofsterben durch Bundesregierungsbeteiligung gezielt angestrebt und nun alleine die Subventionskürzungen durchgesetzt hätten. Alle jene politischen Kräfte, die die Grünen stetig als „Verbotspartei“, „ideologisch getrieben“ oder „moralisch gängelnd“ markierten, forcieren dieses Feindbild.
Ein Plakat der sächsischen CDU-Landtagsfraktion, auf dem ein Bauer mit einer Mistgabel in der Hand vor einem Traktor steht, ergänzt durch die Worte „Finger weg vom Agrardiesel“, befeuert diese Entgrenzung. Auch wenn das Plakat, das sich gegen die Ampelregierung richtet, von der CDU stammt: In der Diskussion über die Proteste wird schnell von einer Unterwanderung von rechts gesprochen. Doch die aktuellen Proteste zeigen ja gerade, dass sich nicht erst Rechte verschiedenster Couleur einreihen müssen, um Verachtung von Parlament und Politik anzutreiben.
Keine klare Grenze
Es soll zwar eine Grenze zwischen Landwirten und Rechtsextremen gezogen werden. Doch die traditionelle Landwirtschaft war nie frei von rechten Einstellungen. Und auch die ökologische Landwirtschaft ist nicht losgelöst von solchen Vorstellungen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied, wurde trotzdem nicht müde zu wiederholen, dass die Teilnahme rechter Gruppierungen an den Bauernprotesten unerwünscht sei. Dem Diskurs über Rechte in den eigenen Reihen nimmt er damit den Wind aus den Segeln. „Rechte und andere radikale Gruppierungen mit Umsturzgelüsten wollen wir auf unseren Demos nicht haben“, sagte Rukwied.
Das sind klare Worte, aber Taten folgten darauf nicht. Rechtsextreme waren bei den Demonstrationen dabei, zeigten rechtsextreme Symbole und skandierten rechtsextreme Parolen. Die Organisator:innen schritten auch dann nicht ein, wenn ein Plakat mit der Botschaft „Klag nicht, kämpf“ ergänzt durch ein Eisernes Kreuz und zwei Schwerter an einem Traktor hing. Oder: „Die Wahrheit siegt“ zusammen mit einem Reichsadler, der in einem Ährenkranz ein Eisernes Kreuz hält.
Nur in Niedersachsen schienen sich die Verantwortlichen etwas mehr zu bemühen. Aus Erfahrung. Schon bei Bauernprotesten 2020 wurde ein historisch belastetes Symbol verwendet: Eine schwarze Fahne mit einem Pflug und einem Schwert. Das erste Motiv steht für die Landwirtschaft, das zweite für den Kampf. Bereits Ende der 1920er-Jahre nutzte in Schleswig-Holstein die Landvolkbewegung diese Fahne mit einem silbernen Pflug und einem roten Schwert. Sie organisierte damals einen Steuerboykott und verübte Sprengstoffanschläge auf Landrats- und Finanzämter sowie auf Privathäuser von Regierungsbeamten. Mit der NSDAP hatten sie nicht nur den Hass auf die Weimarer Republik gemein.
In den Motiven und Parolen der gegenwärtigen Proteste wird nun – bewusst oder unbewusst – ein romantisches Landwirtschaftsbild gezeichnet. Und klar, viele Landwirt:innen stehen früh im Stall oder auf dem Feld. Ausgeblendet wird dabei aber, dass auch Erntehelfer:innen und Arbeiter:innen aus der Europäischen Union die Lebensmittelproduktion stemmen. Schlecht bezahlt und unter miesen Arbeits- und Lebensbedingungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht