Raubkunst im Berliner Humboldt Forum: Klingelnde Ohren
Prominente Gäste fanden bei der feierlichen Eröffnung der Ethnologischen Ausstellung im Humboldt Forum deutliche Worte der Kritik.
S o hatten sich die Macher des Humboldt Forums ihre feierliche Eröffnung der Ethnologischen Ausstellung gewiss nicht vorgestellt. Zwar hatten sie mit der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie eine prominente „afrikanische Stimme“ eingeladen, von der kritische Töne zu erwarten waren.
Und es überraschte wohl niemanden, dass Adichie am Mittwoch erfrischend offene Worte fand zur zögerlichen Haltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) bei der Frage der Rückgabe von Raubkunst. Wenn Europa seine propagierten Werte von Freiheit, Toleranz und der Herrschaft des Rechts ernst nehme, mahnte sie, könne „eine Nation, die dies hochhält, nicht diskutieren, ob sie gestohlene Güter zurückgibt“. Und es sei auch nichts anderes als „Paternalismus und Arroganz“, wenn man Rückgaben mit dem Argument verweigere, Afrikaner könnten nicht richtig auf ihre Kunstwerke aufpassen.
Aber auch ihr Vorredner Frank-Walter Steinmeier übte in seiner diplomatischen Art unüberhörbare Kritik an diesem „Ort von nationaler Bedeutung“, der bisher mehr Fragen aufwerfe als Antworten gebe. Wie Adichie verwies der Bundespräsident auf die Werte der Aufklärung, die erforderten, dass man auch „die politische Geschichte der westlichen Moderne“ kritisch hinterfrage. Sprich: Auf wessen Schultern sie gebaut wurde, auf wessen Kosten und mit welchen Folgen?
Diese Fragen würden heute mit „großer Wucht und Dringlichkeit“ gestellt, vor allem von jenen, so Steinmeier, die „in westlichen Diskursen lange keine Stimme hatten“. Und es war nicht nur ein Hieb gegen die Museumsmacher, sondern überhaupt gegen konservative Weltbildbewahrer, die das rekonstruierte Schloss nur zu gerne zur nationalen Neubestimmung nutzen würden, als er fortfuhr: „Black Lives Matter, Rassismus, Diskriminierung, globale Gerechtigkeit, koloniale Raubkunst“ seien notwendige globale Debatten – es sei „politisch gefährlich“, sie als „identity politics“ abzutun.
Eindringlich war auch, wie Steinmeier über die Verdrängung der Kolonialvergangenheit im Kollektivgedächtnis der Deutschen und deren Folgen sprach. Das damals begangene Unrecht „geht uns als Gesellschaft als Ganze an“. Denn die Wurzeln von Diskriminierung und Alltagsrassismus heute „werden wir nur überwinden können, wenn wir die blinden Flecken unserer Erinnerung ausleuchten“.
Aufgabe des Humboldt Forums sei nun, all diese verdrängten Geschichten zu erzählen – und zwar auch aus der Perspektive der „Anderen“, etwa der afrikanischen Staaten, „die einen immensen Teil ihrer Kunst verloren haben durch die Raubzüge der Europäer“. Denn hinter „nicht wenigen“ Objekten unserer Museen, so Steinmeier, stehe „eine Geschichte von Unterwerfung, Plünderung, Raub und Mord“.
Das Humboldt Forum, darin waren sich beide RednerInnen einig, muss also in einen echten Dialog mit den Nachfahren ehemals kolonisierter Länder kommen, wenn es seine „Sinnhaftigkeit“ (Steinmeier) beweisen will. Wobei das Zuhören alleine nicht genüge, so Adichie, es müssten „Taten“, sprich: die Rückgabe aller gestohlenen, mit Gewalt genommenen und „heiligen“ Dinge folgen.
Den Machern eines Museums, das bislang trotz ihres ständigen Blablas von „Dialog auf Augenhöhe“ höchst traditionell daherkommt, müssen die Ohren geklingelt haben.
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