Übers Schenken im kolonialen Kontext: Ein wunder Punkt

Barazani.Box 5 ist ein Projekt des Bündnisses Decolonize Berlin. Es befasst sich mit den Kämpfen um Rückgaben von Kunst aus deutscher Kolonialzeit.

Bei einem Rundgang zum Zwischenstand der Arbeiten der Museen im Humboldt Forum sind in einem Ausstellungsraum Figuren in Vitrinen

Kunst im Humboldt Forum vor der Eröffnung, ab 23. September dürfen alle rein Foto: dpa/Christophe Gateau

BERLIN taz | Wer kennt ihn nicht, den Kinderspruch: „Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen!“ Aber was, wenn das Schenken nicht freiwillig geschah?

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die Abertausende Objekte aus Ländern besitzt, die einst als Kolonien unter europäischer Kontrolle standen, hat die Frage lange nicht hören wollen. Aus ihrer Sicht verständlich, müsste sie ja sonst zugeben, dass nicht nur offenkundig geraubte Objekte wie die Benin-Bronzen illegitimer Besitz sind und zurückgegeben gehören. Sondern womöglich sehr viel mehr – zumindest, wenn man den Gedanken ernst nimmt, dass Geschenke ebenso wie Kauf- und Tauschbeziehungen auf Freiwilligkeit und Gleichberechtigung beruhen müssen.

Auf diesem wunden Punkt reitet die virtuelle Ausstellung „Barazani.Box 5“ anlässlich der Eröffnung der Ethnologischen Sammlungen erneut herum. Im allerneusten Kapitel von Barazani.Berlin, dem künstlerischen Onlineprojekt des Bündnisses Decolonize Berlin, befassen sich die Humboldt-KritikerInnen anhand von vier Beispielen mit teils jahrzehntelangen Kämpfen um Rückgaben – und mit den Argumenten der SPK, die ihren „Kulturbesitz“ verteidigen will.

Etwa den Thron Mandu Yenu aus Kamerun, der schon im alten Ethnologischen Museum in Dahlem ein „Prunkstück“ der Ausstellung war (hier ein Bild des Throns in einem taz-Online-Beitrag). Offiziell hieß es immer, er sei ein „Geschenk von König Njoya von Bamum an den deutschen Kaiser Wilhelm II“. Doch was heißt Schenken im kolonialen Kontext?

Der Thron in Kopie

Die Antwort der Ausstellungsmacher ist klar: Von einem „Geschenk“ im freien Sinne kann keine Rede sein. Als Beleg dient unter anderem ein Foto von 1912, das Njoya auf seinem Thron zeigt, beziehungsweise einer Kopie davon – das Original war ja seit 1908 in Berlin. Rechts von ihm, einen Fuß lässig-frech auf den Thron gestellt, sitzt Kolonialkaufmann Rudolf Oldenburg, der mit dieser Haltung zeige, wie es um die wahren „Machtverhältnisse im kolonisierten Kamerun wirklich stand“, so der Ausstellungstext.

Die thematisiert auch „Le throne“, ein 45-minütiger Film von 2019, in dem zahlreiche Stimmen aus dem heutigen Kamerun zu Wort kommen. Tenor: Selbst wenn der Thron formal ein „Geschenk“ gewesen sein mag, gehört er zurückgebracht.

Dass es mit dem Schenken nicht so leicht ist, hat die SPK inzwischen auch erkannt. Im neuen Begleitheft zur Provinienzforschung heißt es über Njoya: „Wurde er unter Druck gesetzt? Wollte er vermeiden, Gesicht und Respekt zu verlieren? Die Gabe des Königs wirft Fragen auf, mit denen wir uns heute noch beschäftigen.“

Den KritikerInnen ist das nicht genug. Es reiche nicht, „ein paar Rahmenprogramme zum Thema Dekolonisierung anzubieten und endlose Provinienzforschung zu betreiben“, so die Ku­ra­to­r*in­nen von Barazani.Box 5 zur taz. „An vielen Objekten klebt das Blut kolonialer Gewalt, viele Objekte haben eine einzigartige spirituelle Bedeutung für die Gesellschaften, denen sie gehören, und ihre Abwesenheit hinterlässt Schmerz und Traumata.“ Folgerichtig werden sie am Mittwoch vor dem Schloss für ihre Rückgabe demonstrieren.

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