Rassistischer Stadtfest-Name in Eisenberg: Nicht alle wollen mitfeiern
Im thüringischen Eisenberg trägt das Stadtfest seit vier Jahren einen rassistischen Namen. Zu Recht wird am Wochenende dagegen protestiert.
Es ist geradezu lachhaft, wie fest sich Menschen in Deutschland an Traditionen klammern, selbst wenn diese schon lange überholt sind.
Schlimmer wird es, wenn diese Traditionen menschenfeindlich und diskriminierend sind. Eisenberg, eine Kleinstadt zwischen Gera und Jena in Thüringen, setzt nochmal eins drauf: Die Gemeinde versucht seit vier Jahren ihre Identität zu betonen, indem sie auf eine rassistische, historisch nicht belegte Geschichte zurückgreift.
In dieser ‚Tradition‘ nannte die Stadt auf Initiative des Bürgermeisters Michael Kieslich 2019 ihr Stadtfest in „M***enfest“ um. Zum dritten Mal findet es dieses Wochenende vom 9. bis 11. Juni statt, am Samstag von Protest begleitet: Zu Recht mobilisiert die „Initiative gegen den rassistischen Zustand“ aus den größeren Städten der Region.
Denn mal wieder reißen Menschen, die nicht von der Diskriminierung betroffen sind, die Entscheidungshoheit an sich. Nach ihrem Belieben wollen sie festlegen, was denn nun rassistisch sein soll und was nicht.
Bürgermeister nimmt Kritik nicht ernst
Man könnte sagen, nicht rein zufällig reimt sich M* auf Tor. Denn in genau solchen Zusammenhängen wurde der historische Begriff Schwarzen Menschen immer wieder zugeschrieben. Es ist eine rassistisch geprägte Fremdbezeichung, die Schwarze Menschen herabsetzt und exotisiert.
Die Kritik, dass Schwarze Menschen den Begriff als verletzend empfinden, stößt beim Bürgermeister auf taube Ohren. In der Stadt gibt es neben dem Fest eine M*-apotheke, das Hotel am M*-brunnen und die M*-straße. In einem Interview mit der Zeit bittet Michael Kieslich darum, den Generalvorwurf des Rassismus fallen zu lassen und „sich mit der Geschichte des Eisenberger M* auseinanderzusetzen“.
Die Erkenntnis, dass nicht alle Menschen Rassist*innen, aber alle von rassistischen Gedanken und Strukturen geprägt sind, scheint in Eisenberg noch nicht angekommen zu sein. Abgesehen davon ist aber die Sage, auf der die Identität der Gemeinde fußt, für sich allein Grund genug, dass der neue Name des Stadtfestes untragbar ist.
Es ist eine Geschichte, in der ein Schwarzer Mensch aufgrund seiner Hautfarbe vorverurteilt wird; eine, in der eine weiße Aristokratin als Retterin auftritt; eine Geschichte von tief sitzendem Rassismus – und sie geht so: Während der Kreuzzüge wird ein Schwarzer Sklave nach Eisenberg gebracht. Als eine Halskette der Gräfin verschwindet, gerät er sofort in Verdacht und wird zum Tode verurteilt. Kurz vor der Hinrichtung taucht die Kette jedoch wieder auf, die Gräfin findet sie in ihrer Bibel. Sie lässt den zum Tode verurteilten Sklaven begnadigen und schenkt ihm die Freiheit.
Eine schöne Geschichte sei das, findet Bürgermeister Kieslich. Der Zeit erzählt er, dass die Sage für die Ehrlichkeit des Dieners stehe, er sei stolz auf die Geschichte der Stadt. Das Stadtfest soll ein buntes Fest für eine bunte Region sein, sagt der Bürgermeister.
Traditionen als Deckmantel für rassistische Praxen
Eine Region, in der die Bürger*innen bei der vergangenen Bundestagswahl sowohl mit ihren Erst-, als auch mit ihren Zweitstimmen zu rund 29 Prozent die AfD wählten, die damit stärkste Partei wurde. Und ein Fest, bei dem Kinder sich als Sklaven verkleiden und Bewohner*innen Blackfacing betreiben.
Da fühlen sich leider nicht alle willkommen. Sklavenhaltung und deutsche Kolonialgeschichte sind kein Kinderspiel, sondern eine Geschichte von Leid, von Krieg, von Völkermord. Ein Schmerz, der bis heute in so vielen Nachfahren tief sitzt.
Nicht-weiße Menschen in Zoos wie Tiere auszustellen – das war in Deutschland Tradition. Das N-Wort in der deutschen Sprache war Tradition. Die Herrschaft von Männern über Frauen war in Deutschland Tradition. Diskriminierung und Rassismus waren Tradition in Deutschland und sind es immer noch. Genau deshalb müssen sie aufgebrochen und das M*fest abgeschafft werden.
Legende wird von der Stadt kommerzialisiert
Denn letzten Endes ist es egal, ob der vermeintliche Sklave unschuldig war, ob er Menschenleben gerettet hat oder überhaupt existiert hat. Die Legende wird von der Stadt kommerzialisiert und instrumentalisiert, um sich ein Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen – und das auf Kosten von Schwarzen Menschen.
Traditionen, egal welcher Art, dürfen aber nicht länger als Deckmantel genutzt werden, um rassistische Praxen zu billigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner