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Rassistische Proteste sind verklungenDie Ruhe nach dem Sturm

In Dresden-Sporbitz haben monatelang Rechtsextreme gegen eine Asylunterkunft demonstriert. Wie geht es den kürzlich eingezogenen Geflüchteten?

Vor der Geflüchtetenunterkunft in Dresden-Sporbitz Foto: Sylvio Dittrich/imago

Dresden taz | Viereinhalb Monate. So lange gingen im Dresdner Stadtteil Sporbitz jeden Mittwoch Menschen auf die Straße, um gegen eine geplante Unterkunft für 52 Geflüchtete zu demonstrieren. Mal waren es 90 Teilnehmer:innen, mal 300, im Median 160. Sie trommelten und spielten rechtsextreme Musik, warnten vor „kriminellen Asylanten“, trugen Fahnen der rechtsextremen „Freien Sachsen“ mit sich und hielten Banner mit den Aufschriften „Abschiebung schafft Wohnraum“ oder „Nein zum Heim“.

Erfolg hatten die Demonstrierenden mit ihrem rassistischen Protest nicht. Die Stadt Dresden hat die Unterkunft, bestehend aus 13 schneeweißen Wohncontainern, trotzdem errichtet. Vor einem Monat sind die ersten Geflüchteten eingezogen, heute leben 52 Männer dort. Sie sind in Vierbett-Zimmern untergebracht und teilen sich Küche, Bad und WC.

Der Großteil der Be­woh­ne­r:in­nen ist aus Syrien geflohen, zwei kommen aus Afghanistan, einer aus Marokko. Sie alle haben sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland durchgeschlagen. Wie geht es ihnen in dem kleinen Stadtteil, in dem monatelang rechtsextreme Demos stattfanden?

Sporbitz liegt ganz im Südosten am Stadtrand von Dresden, knapp 10 Kilometer von der Altstadt entfernt. Von der S-Bahn Haltestelle Dresden-Zschachwitz bis zur Unterkunft läuft man zehn Minuten – erst durch ein Industriegebiet, dann durch eine Wohnsiedlung. Die Container stehen auf dem Gelände einer ehemaligen Schule und sind mit Bauzäunen abgesichert. Wenn die Geflüchteten aus dem Fenster schauen, blicken sie entweder auf das leerstehende Schulgebäude aus dem Jahr 1900 oder auf Einfamilienhäuser mit gepflegten Vorgärten.

Keine rechten Proteste seit Bezug der Unterkunft

Die Unterkunft dürfen Jour­na­lis­t:in­nen nicht betreten. Ein 26 Jahre alter Bewohner, der aus Syrien nach Deutschland geflohen ist und an einem Nachmittag Ende April durch das Stadtteil spaziert, erzählt, wie wohl er sich wohl in Sporbitz fühle. „Der Ort und die Gegend sind sehr ruhig und die Leute ausgezeichnet.“ Unfreundlichen Menschen, sagt der junge Mann, sei er in Sporbitz noch nie begegnet.

„Würde man die Geflüchteten fragen, wie es ihnen angesichts der Demos geht, die wochenlang in Sporbitz stattfanden, wüssten sie nicht, wovon man spricht“, sagt Denis Papperitz von den Johannitern Dresden, die die Unterkunft betreiben. „Es ist alles ruhig.“ Seit dem Einzug der Schutzsuchenden habe es keine Vorkommnisse gegeben – keine Proteste, keine Angriffe, keine Beleidigungen, keine Drohungen, nichts.

Die drei Sicherheitsbediensteten, die die Unterkunft 24 Stunden am Tag bewachen, hätten bisher kein Mal einschreiten müssen. „Wir sprechen regelmäßig mit den Be­woh­ne­r:in­nen der angrenzenden Einfamilienhäuser, alle sind zufrieden“, sagt Papperitz. „Ein Nachbar hat uns sogar gefragt, ob er mit den Geflüchteten Tomaten auf dem Gelände anpflanzen dürfe. Wir errichten nun Hochbeete dafür.“

Zwei Tage bevor die ersten Schutzsuchenden eingezogen sind, am Tag der offenen Tür in der Container-Unterkunft, war die Stimmung noch eine andere. Neben Besucher:innen, die ihre Hilfe anboten oder „einfach nur mal wissen wollten, wie so eine Unterkunft von innen aussieht“, kamen auch Personen, die gegen Geflüchtete hetzten.

Nur wenige An­woh­ne­r:in­nen nahmen an den Demos teil

Einer von ihnen war der Rechtsextreme Max Schreiber, Organisator der rassistischen Proteste in Sporbitz und Chef der „Freien Sachsen“ in der Sächsischen Schweiz. Schreiber fragte bei der Veranstaltung unter anderem, wie die Stadt den An­woh­ne­r:in­nen garantieren wolle, dass „ihr Kind nicht abgestochen“ werde. Später veranstaltete der ehemaliger NPD-Funktionär, gegen den die Dresdner Staatsanwaltschaft im März Anklage wegen Nötigung erhoben hat, eine Spontan-Demo vor der Unterkunft.

Wie kommt es, dass es in dem Stadtteil, in dem monatelang laut gegen die Unterkunft protestiert wurde, nun so ruhig ist? „Das Ziel der Neonazis war, die Unterkunft zu verhindern. Damit sind sie gescheitert und die Luft ist erst einmal raus“, sagt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen, das sich gegen Rechtsextremismus und für eine demokratische Zivilgesellschaft einsetzt. Nattke hat die Proteste in Sporbitz über mehrere Monate beobachtet. An­woh­ne­r:in­nen hätten nur einen sehr geringen Teil ausgemacht, sagt er.

„Die Teil­neh­me­r:in­nen kamen aus dem gesamten Dresdner Stadtgebiet und angrenzenden Ortschaften. Organisierte Neonazis haben den Ton angegeben.“ Regelmäßig mitgelaufen seien etwa René Despang, ehemaliger NPD-Landtagsabgeordneter und Mitbegründer der rechtsextremen „Freien Kameradschaft Dresden“, Pegida-Mitorganisator Siegfried Däbritz oder Marcus Fuchs, Chef der Dresdner Querdenker. „Da die Mehrheit der Demonstrierenden nicht aus der Nachbarschaft der Unterkunft war, ist jetzt niemand mehr da, der oder die die Demonstrationen wirklich trägt“, sagt Nattke.

Hört man sich in unter den An­woh­ne­r:in­nen um, bestätigt sich Nattkes Einschätzung. Die allermeisten haben kein Problem mit der Unterkunft oder den Geflüchteten – sondern mit den rassistischen Protesten. Ein 42 Jahre alter Mann mit Halbglatze, der wenige Meter von der Unterkunft entfernt Altglas in einen Container wirft, spricht von „nervigen Rechten“, die nur „Hass und Ängste“ schürten. „Woche für Woche sind sie laut trommelnd durch unsere Straßen gezogen, die Kinder im Ort hatten Angst vor ihnen“, sagt der Dresdner – und betont, wie wichtig er es finde, dass die Stadt Geflüchtete aufnehme.

Keine Wohnungen für Geflüchtete in Dresden

Die Gespräche mit den anderen Spor­bit­ze­r:in­nen verlaufen ähnlich. „Hier haben jede Woche Leute gegen die Unterkunft demonstriert“, sagt ein 16 Jahre alter Junge auf dem Weg von der S-Bahn nach Hause. „Ich habe da nicht mitgemacht, weil ich nichts dagegen habe, dass Geflüchtete zu uns kommen.“ Ein 58-Jähriger sagt, „mich stört die Asylunterkunft nicht“, ein 21-Jähriger mit Doc-Martens, dass er froh sei, dass die „Freien Sachsen“ jetzt nicht mehr vor seiner Haustür entlang marschierten.

Nur eine zierliche kleine Frau – 69 Jahre alt, kurzes rot gefärbtes Haar, blaue Glitzerohringe – gibt zu, anfangs ein Problem mit der Unterkunft gehabt zu haben. Sie wohnt wenige Meter davon entfernt. „Letztes Jahr habe ich an einer Demo gegen die Unterkunft teilgenommen, weil es hieß, dass dort nur Männer einziehen sollen“, sagt die Rentnerin. „Nun muss ich gestehen, dass sich meine Vorurteile nicht bestätigt haben. Es ist alles ruhig, ich kann mich nicht beklagen.“

Die Geflüchteten bleiben nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend in der Unterkunft in Sporbitz – so lange, bis sie eine Wohnung gefunden haben. Sie alle haben eine Aufenthaltserlaubnis, das heißt, sie dürfen arbeiten und Wohnungen anmieten. Das Problem: günstige Wohnungen sind in der Landeshauptstadt extrem knapp. Deshalb wohnen Hunderte anerkannte Geflüchtete in Dresden notgedrungen in städtischen Unterkünften.

„Die Nachfrage nach günstigen Wohnraum ist weit größer ist als das Angebot“, sagt Dresdens Sozialbürgermeisterin Kristin Klaudia Kaufmann (Linke). Daran werde sich so lange nichts ändern, bis die Bundes- und Landesregierung „wirksame Lösungsansätze für die Unterbringung der Geflüchteten und den Wohnungsmarkt gemeinsam mit den Kommunen entwickeln“.

Neun weitere Container-Unterkünfte geplant

Die Stadt Dresden rechnet in diesem Jahr mit 2.200 weiteren Geflüchteten – Schutzsuchende aus der Ukraine sind da nicht eingerechnet. Bis zum Herbst will die Stadtspitze daher neun Container-Unterkünfte errichten, in denen gut 800 der asylsuchenden Menschen in diesem Jahr untergebracht werden sollen. Eine der Unterkünfte soll in Dresden-Leuben entstehen. Seit die Rechtsextremen nicht mehr in Sporbitz demonstrieren, ziehen sie in Leuben durch die Straßen und machen dort Stimmung gegen geflüchtete Menschen.

„Diese Verrohung eines wenn auch nur sehr kleinen, so aber doch sehr lautstarken Teils der Bevölkerung können wir nicht akzeptieren“, sagt Sozialbürgermeisterin Kaufmann zu den rassistischen Demos. „Mir geht es extrem nahe, wenn ich höre, wie abfällig Menschen über andere Menschen urteilen, die vor allem noch gar nicht da sind, und wie das Schutzrecht mit Füßen getreten wird.“

Doch nicht nur die Rechtsextremen sind gegen die neun geplanten Container-Unterkünfte. Auch Dresdens CDU-Fraktion lehnt sie ab – und fordert die Bundesregierung dazu auf, ihre Asylpolitik „sofort“ zu beenden. „Nein, wir haben keinen Platz mehr“, heißt es in einem Positionspapier.

Menschen leben in Turnhallen und im Messegelände

Ob die Unterkünfte errichtet werden, entscheidet der Stadtrat am 11. Mai. Zusammen mit der AfD und den Freien Wählern, die die geplanten Unterkünfte ebenfalls ablehnen, stellt die CDU 29 von 70 Abgeordneten. Lehnt der Stadtrat die Container-Unterkünfte ab, müssten die geflüchteten Menschen laut Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) in Turnhallen und der Dresdner Messe untergebracht werden.

Das wäre nicht nur noch menschenunwürdiger als die Unterbringung in Wohncontainern, sondern auch eine Steilvorlage für die Rechtsextremen. Schon Ende März haben die „Freien Sachsen“ auf Telegram angekündigt, sich den Schul- und Vereinssport nicht nehmen lassen zu wollen.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Schön zu hören, dass die Anwohner vom rechten Protest genervt sind und nicht von den Asylbewerbern.

  • Diese Lager sind menschenfeindlich und aus meiner Sicht nicht mit der deutschen Verfassung vereinbar. Eine echte Integration funktioniert nur, wenn man Flüchtlinge dezentral in eigenen Wohnungen unterbringt. Ausserdem benötigen diese Menschen eine Infrastruktur, die es auf dem Land einfach nicht gibt, sondern nur in grossen Städten wie Berlin.

    Die Politik sollte endlich ihre moralische Verantwortung erst nehmen.

    • @V M:

      Also nur Berlin bzw. Großstädte? Was Sie fordern, ist einfach unfair und unsolidarisch. Ich nehme an, dass Sie selbst gemütlich auf dem Land leben und einfach ihre Ruhe brauchen?

    • @V M:

      Wieso ist Integration auf dem Land Ihrer Ansicht nach nicht möglich?



      Integration beginnt genau so, wie es im Artikel beschrieben ist. Berührungsängste abbauen, mit den geflüchteten Menschen etwas zusammen machen. Und es funktioniert dort ja sogar obwohl vorher von den Faschos ein Riesenberg an Ängsten und Vorurteilen geschürt wurde.



      Auch Wohnraum gibt es deutlich mehr auf dem Land als in den Städten. Wo Wohnraum knapp ist, haben selbst Deutsche mit Migrationshintergrund und einem guten Einkommen Probleme eine Wohnung zu bekommen. Die Vermietenden nehmen lieber die Biodeutschen, wenn sie es sich aussuchen können. Auch das im Übrigen dank der geschürten Ängste und Vorurteile.



      Nicht nur die Politik einiger alteingesessener Parteien, sondern alle Menschen müssen sich endlich mal von diesen faschistischen Vorstellungen davon, wer hier her gehöre und wer nicht, lösen!



      Menschen sind Menschen sind Menschen.

    • 6G
      652797 (Profil gelöscht)
      @V M:

      Wo soll man die Menschen den sonst unterbringen? Es gibt eben keinen Wohnraum in den Städten.



      Sollen wir wie Polen an der Grenze zu Belarus handeln?

  • Danke!



    Gute Nachrichten.



    So ist eine starke Gesellschaft, die Zusammenhält auch in der Lage, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus durch solidarisches, gastfreundliches Handeln im Alltag zurückzudrängen.

  • Sorry ,aber das nicht nur Rechtsextreme!

    • @Nachtsonne:

      Sorry, wen meinen Sie mit "das", die angeblich keine Rechtsextremen sind?



      Menschen, die anderen Menschen aufgrund ihrer Herkunft das Recht auf Schutz und menschenwürdige Unterkunft absprechen?



      Was für Menschen sind denn das in Ihren Augen?