Rassismusvorwürfe in Hamburger Kirche: Sinti-Gemeinde vor die Tür gesetzt
Eine Kirche in Hamburg kündigt der Sinti-Gemeinde die Raumnutzung. Dem evangelischen Pastor wird schon länger Rassismus vorgeworfen.

Die Maria-Magdalena-Kirche in Osdorf erlaubt ihr nicht mehr, ihre Gemeinderäume für Gottesdienste zu nutzen. Das hatte die Sinti-Gemeinde seit 2018 fast jeden Sonntag getan, auf Basis einer mündlichen Absprache.
Das Ende kam schriftlich. So steht in einem Brief an die Sinti-Gemeinde, der auf den 8. April datiert ist und der taz vorliegt: „Der Kirchengemeinderat hat beschlossen, unser Nutzungsangebot für die Kirche auszusetzen.“ Die Entscheidung sei einstimmig gefallen, der Grund sei ein fehlendes Vertrauensverhältnis.
Dabei gehe es um „einen jahrelangen Konflikt bei der Einhaltung von Absprachen“. Zudem sei der Rat, ein gewähltes Gremium, das die Gemeinde verwaltet, nicht über eine Demonstration der Sinti-Gemeinde vor der Kirchentür im Februar informiert worden.
Pastor soll sich rassistisch geäußert haben
Diese Demo richtete sich gegen die Wiedereinsetzung des zuvor suspendierten Pastors der Maria-Magdalena-Gemeinde, dem vorgeworfen worden war, sich mehrfach rassistisch gegenüber Rom*nja und Sinti*zze e geäußert zu haben.
Der Pastor soll das diskriminierende Z-Wort verwendet und die Kultur der Sinti*zze und Rom*nja als rückständig bezeichnet haben. Der Pastor bestreitet die Vorwürfe. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann hat die Staatsanwaltschaft Hamburg mittlerweile eingestellt, teils wegen Verjährung, teils aus Mangel an Beweisen. Seit Februar arbeitet er wieder als Pastor in der Maria-Magdalena-Kirche und ist Mitglied im Kirchenrat.
Für Christian Rosenberg, den Pastor der Sinti-Gemeinde „Licht und Leben“, ist das der Grund für den Rausschmiss seiner Gemeinde. „Der Pastor ist wieder da und jetzt fallen die Masken“, sagt Rosenberg der taz.
Das Schlimmste an der Nachricht ist für Rosenberg aber das Datum auf dem Schreiben. „Geschmackloser geht es gar nicht.“ Der 8. April ist der internationale Tag der Roma und auch für viele Sinti*zze von großer symbolischer Bedeutung.
Gemeinsam mit Gemeindemitgliedern hatte Rosenberg den Tag bei einer Gedenkveranstaltung für im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma verbracht, organisiert vom Sinti-Verein Hamburg, dessen Vorsitzender Rosenberg ebenfalls ist. Am nächsten Tag hätten sie das Schreiben im Briefkasten gefunden.
Der achte April ist internationaler Tag der Roma. Es ist ein besonderer Tag für viele Rom*nja und Sinti*zze. Das Datum steht symbolisch für den Beginn der Bürgerrechtsbewegung. Es erinnert an den ersten Welt-Roma-Kongress 1971 in London, bei dem Vertreter*innen aus neun Ländern Hymne und Flagge bestimmten. Beides wird bis heute in der Community ebenso diskutiert wie Selbst- und Fremdbezeichnungen. Der achte April als Tag der Roma aber ist international von vielen Organisationen anerkannt.
„Um dieses Datum herum beschäftigt uns alles Mögliche, aber nicht so etwas“, sagt Rosenberg. An ein Versehen des Kirchengemeinderats glaubt er nicht. So habe dieser von der Bedeutung des Tages wissen müssen, denn der Sinti-Verein habe für die Gedenkveranstaltung auch auf dem Kirchengelände plakatiert. Auch kritisiert Rosenberg, dass es vor dem Brief keine Gespräche mit der Sinti-Gemeinde über das Ende der Raumnutzung gegeben habe.
Der derzeitige Kirchenrats-Vorsitzende Dietrich Kreller bestätigt auf taz-Anfrage, dass der Brief nicht nur auf den 8. April, den Gedenktag für Rom*nja und Sinti*zze, datiert ist, sondern auch am Tag überstellt wurde. Das Datum sei aber keinesfalls bewusst gewählt worden. „Ich bedauere dies sehr“, schreibt Kreller. Der Rat wolle bald nochmal das Gespräch mit der Sinti-Gemeinde suchen. Kreller hatte sich auf der Demo im Januar noch öffentlich mit der Sinti-Gemeinde solidarisiert und sich gegen Rassismus positioniert.
Uwe Heinrich, der ehemalige Pastor der Maria-Magdalena-Kirche, kritisiert die Entscheidung, die Sinti-Gemeinde die Räume nicht mehr nutzen zu lassen. „Ich finde das vollkommen daneben“, sagt er der taz. Der Pastor im Ruhestand sagt, er halte es für wichtig, sich dazu öffentlich zu äußern. Der Umgang mit der Sinti-Gemeinde sei für ihn ein Fall, in dem die Kirche „eine Minderheit beschissen behandelt“.
Die Sinti-Gemeinde hat die Schlüssel zur Kirche bereits abgegeben. Momentan hält sie ihren Gottesdienst im Seminarraum des Sinti-Vereins ab. Aus Platzmangel könnten nicht alle Gemeindemitglieder teilnehmen und es fehle der Raum für Rituale, sagt Rosenberg. „Ein richtiger Gottesdienst ist unmöglich.“ Man schaue sich nach neuen Räumen um.
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