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Räumung von Lützerath„Danke, dass du hier warst“

Die Räumung von Lützerath ging in den ersten Tagen mit hunderten von Polizisten schneller als erwartet. Trotzdem hat der Widerstand etwas bewegt.

Am Abgrund: Ein Polizist mit Hund steht an der Abraumkante bei Lützerath Foto: Roland Geisheimer/attenzione

Szenen der Solidarität erlebten JournalistInnen und FotografInnen im Inneren der Festung Lützerath in der vergangenen Woche: Wer von den AktivistInnen abgeführt oder hinausgetragen wurde, bekam von anderen, die noch auf Hausdächern und Holzgestängen ausharrten, oft Applaus und Zurufe. „Danke, dass du bei uns warst.“ Oder: „Es war schön mit dir.“ Wieder andere skandierten: „Du bist nicht allein.“

Seit Mittwoch wird Lützerath geräumt, mit der professionellen Effizienz vieler Hundertschaften Polizei. Und offenbar geht es schneller als gedacht – das ist die Meldung der Woche aus dem widerständischen Dorf am Rand der verschwindenden Landschaft Garzweiler im rheinischen Kohlerevier.

Viele von denen, die von der Polizei aus Lützerath entfernt wurden, treffen sich im Nachbarort Keyenberg wieder. Lange vorbereitet war dort ein Platz, der „Unser aller Camp“ genannt wird. Hier bespricht man die Planung der nächsten Tage, trifft sich aber auch zum gemeinsamen Ausheulen und für psychologische Betreuung.

Die große Demo ist für Samstag angekündigt – erwartet werden mindestens 10.000 Menschen, auch Greta Thunberg will kommen. Möglicherweise ist Lützerath selbst zum Zeitpunkt der Demo aber schon menschenleer. Man wollte „möglichst viele Körper einsetzen“, hatte eine Sprecherin von „Lützerath bleibt“ noch Anfang der Woche gesagt. Aber die geschätzt knapp tausend AktivistInnen, teilweise raffiniert angekettet und versteckt, waren nicht genug.

Tunnel als letzte Zuflucht

Am Donnerstag wurde das riesige Symboltransparent „1,5 C heißt: Lützerath bleibt!“ am zentralen Bauernhof abgerissen, das letzte Haus gestürmt. Nur das raffinierte Tunnelsystem, in dem sich letzte Widerständler schwer zugänglich versteckten, verhinderte das Anrollen der Abrissmaschinen.

In den Tagen vor der Räumung war viel über erwartete Gewalt debattiert worden. Steinkatapulte habe man entdeckt, verkündete die Polizei. Jeder herumliegende Stein schien plötzlich eine Waffe. Und ja, es gab auch Gewalt: Keine Frage, jeder vereinzelt geworfene Stein oder Farbbeutel, erst recht die Leucht­raketen schadeten dem Bild des ansonsten gewaltfreien Widerstands.

Brennende Strohballen am ersten Tag waren ein beliebtes Motiv der Pressefotografen: Hurra, Feuer, Gewalt, na siehste. Dass Polizeibeamte die Feuer noch anfachten, nahm kaum wer wahr.

Und das Verbrechen am Klima? Kein Thema. Der Rechtsstaat sei durch die Besetzung bedroht, warnte stattdessen der Heinsberger Landrat Stephan Pusch (CDU). Die Aachener Zeitung klärte auf, wer sich da eigentlich dem Energie­konzern RWE in den Weg stellte: „Linksradikale und Berufsdemonstranten“, ersatzweise „gewaltbereite Autonome“ oder „erlebnisorientierte Klimaaktivisten“. Der Autor kannte auch ihr fürchterliches Ziel: Sie wollten „einen deindustrialisierten sozialistischen Staat“ schaffen.

Lützerath als Chiffre

Die FAZ hingegen machte die Anti-AKW-Bewegung der 70er Jahre in direkter Linie für die Eskalation im Braunkohlerevier verantwortlich. Hätten diese langhaarigen Weltverbesserer die vorbildlich sauberen Meiler nur fleißig weiter Atome spalten lassen, wären alle Energiefragen geklärt, jede Braunkohledebatte unnötig und die Luft in Deutschland viel sauberer.

Ungewollt grotesk geriet eine Live-Schalte des WDR-Fernsehens am Dienstag von der Informationsveranstaltung des Landrates Pusch in Erkelenz, zehn Kilometer neben Lützerath. Die Diskussion, so beklagte eine Anwohnerin aus dem Dorf Holzweiler, „artete aus, es ist nur über Klima diskutiert worden“. Sie wollte doch nur wissen, ob diese Aktivisten, wenn sie bald aus Lützerath verjagt wären, ihre heile Welt entern könnten. Ohnehin seien in der Debatte „mehr Aktivisten als Bürger“ zu Wort gekommen. Die Reporterin nickte und nickte. Und als Zuschauer fragte man sich: Inwieweit sind eigentlich Aktivisten keine BürgerInnen?

Betrachtet man die Klimadebatte, muss man sagen: Den aktiven BürgerInnen von Lützerath gebührt großer Dank. Ihr Mut hat die absurde deutsche Energiepolitik weltweit an den Pranger gestellt. Lützerath, das winzige Dorf im Irgendwo, ist zur Chiffre geworden. Das gelbe Kreuz als wirkmächtiges Symbol, das jetzt auch die Leute der Letzten Generation beim Festkleben bundesweit dabeihaben. Und Symbole, die eine solche Kraft entwickelt haben, kriegt keine Polizei aus den Köpfen geräumt.

Selfies vor dem Monsterbagger

Die Ausharrenden in Lützerath haben auch viel Solidarität erfahren, an großzügigen Geld- und Sachspenden und vor Ort. Bei der letzten Kundgebung in Lützerath allerdings, am Sonntag vor einer Woche, blieb ein zwiespältiges Gefühl: Gut 5.000 Menschen waren gekommen, unter anderem um dem beeindruckenden taz-Panterpreisträger Peter Donatus aus Nigeria zu lauschen, der darüber sprach, wie die Klimakatastrophe durch CO2-Emissionen schon heute unzählige Menschen in Afrika tötet.

Fast alle gingen auch mal direkt an den steilen Abgrund der Kohlegrube. Gruselig, da hinunterzugucken – und dabei zu vergessen, wie nah sich die Welt am Klimaabgrund bewegt. Reihenweise posierten die jungen BesucherInnen vor einem der Monsterbagger. Sie posteten ihre Bilder in die Welt: Guck mal, wie cool … ich in Lützerath … mega, oder …?

Dann spielte die Kultband AnnenMayKantereit aus Köln, auch ihr schönes Schmählied auf den grünen Bundeswirtschaftsminister: „Habeck, Habeck, du warst echt o. k., doch dann kam RWE …“ Wie viele wohl nur wegen dieses kostenlosen Gigs gekommen waren? Ein Ticket für AnnenMayKantereit kostet sonst 80 Euro. Die Demo in Lützerath war da ein Schnäppchen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Um die Kohlemengen unter dem Weiler und um Energiesicherheit wird weiterhin gestritten, mit widersprüchlichen Gutachten und Zukunftsspekulationen aller Art. Sicher ist: Von der Freigabe größerer als vorab geplanter Fördermargen bis 2030 profitiert der RWE-Konzern massiv, weil danach die CO2-Bepreisung jede Verstromung immer unwirtschaftlicher macht.

Da lohnt es sich doch, mal schnell noch einen Ort wie Lützerath wegzuhobeln.

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13 Kommentare

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  • und immer wieder reden fdp cdu afd von atomstrom und putin freut sich kann er doch mit seinen atombombenbestückten überschalldrohnen die atomkraftwerke in die luft sprengen.also weg von kohle gas atom und sofortiger ausbau von wind und solar und wasserstoffernergie und wenns zu langsam geht auch mit polizeiknüppel durchsetzen

  • Der gewaltfreie Widerstand war richtig, die Demo war richtig, die Besetzung war richtig.



    Wie immer aber meint ein kleiner Teil aus einer Demo eine Gewaltshow machen zu können und greift die Polizei direkt an. Für diesen Teil gibt es hoffentlich bald einen Platz auf der Anklagebank.

  • Es gibt noch mehr Mittäter. Klar, die Hauptverantwortung liegt in der Politik. Die Polizei ist direkter Vollstrecker der Staatsmacht.

    Aber es gibt dann noch die anderen: die Holzfäller, Baggerfahrer, Bauarbeiter, die L. da gerade "rückbauen". Diese Leute sollten sich mal fragen: "Stehe ich finanziell wirklich derart schlecht da, dass ich mich hier zwingend zum Erfüllungsgehilfen machen muss?"

    • @Bunte Kuh:

      Die Hauptverantwortung liegt bei den Menschen, die unentwegt mehr Wohlstand fordern, bei den Vielfliegern, Weltreisenden, Autoprotzern, Vielfleischessern, Luxusgenießenden, TikTokkern und Instagrammern etc.

      Die Kohle in Lützerath, die jetzt gehoben werden soll, ist ein Symbol für den Energiehunger unserer Wohlstandsgesellschaft, die alles immer und überall sofort verfügbar haben möchte.

      Solange diese Ansprüche nicht deutlich abgesenkt sind, ist Lützerath egal. Denn die Alternative zu dem Verzicht auf die Kohle von Lützerath ist weiterer Raubbau an den Ressourcen (Energie, Fläche, Rohstoffe, Biodiversität, globale soziale Gerechtigkeit etc.)

  • Danke. Danke für den Bericht. Warmen Dank den Aktivist*innen.

    Wer's noch nicht erlebt hat weiss nicht, wie es sich anfühlt, gewaltfrei sich von durchaus gewaltbereiten Menschen "abräumen" zu lassen.

    • @tomás zerolo:

      So lange sie sich Gewaltfrei verhalten, ziehe ich vor jedem den Hut und sage DANKE.

  • Auch Reul bedankt sich jetzt bei den Grünen, dass sie so aktiv zur Befriedung in Lützerath beigetragen haben. Möglicherweise tritt er bald bei den Grünen ein. Ein gewisses Band, ihr wißt was ich meine, hat die gemeinsame Arbeit wohl geschaffen. Danke Neubaur, danke Habeck - es sind so viele, die ein Danke wert sind

  • Sorry, ich war bei dem Dorfspaziergang dabei.. und nicht um ein cooles selfie zu machen oder ein kostenloses Konzert zu hören. Und ich habe auch die Stimmung ganz anders erlebt: ernsthaft, klug, differenziert argumentierend, breit aufgestellt und bunt.



    Klimabewegung im besten Sinne

  • "Habeck, Habeck, du warst echt o. k., doch dann kam RWE …"

    In der Opposition lässt sich gut ok sein.. Schön, dass Herr Habeck seine Maske abgesetzt hat.

    Atomstrom? ja



    Kohle? ja



    waffen in Kriegsgebiete? ja



    Julian Assange? Ich bitte Sie...

    usw.

    Danke. Fürs Absetzen der Maske. War nötig.

    • @Zweitkorrektur:

      Ihr Blickwinkel ist mir zu eindimensional.



      Ich stimme überein, dass der Deal mit der RWE widerlich ist. Aber was war denn die Alternative, als der Winter vor der Tür stand und ein Energieengpass in der Wohlfühloase Deutschland drohte? Atomstrom aus woher? Mehr LNG-Gas aus dem Fracking-Betrieb? Mehr Deals mit Katar?



      Letzlich ist es der gigantische Energie- und Rohstoffhunger unserer Gesellschaft, der es erforderlich machte, Energie für den Notfall verfügbar zu machen.

      Wir werden es noch erleben, wenn wir inmitten einer Industrielandschaft von Windrädern und Fotovoltaik-Anlagen leben und festellen, dass die Energie nicht reicht und dass die Rohstoffversorgung durch Engpässe geprägt ist.

      Aber das ist eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem, was bevorsteht, wenn die Kipppunkte von Klima und Ökosystemen überschritten sind.

      • @Manzdi:

        " Ihr Blickwinkel ist mir zu eindimensional."



        Es gibt nach heutigen Stand der Technik keine Möglichkeit 2030 ohne fossile Treibstoffe auszukommen. Das finde ich traurig, aber realistisch gesehen ist es so.

        Der bisherige Blickwinkel der Grünen ab 2030 CO2 frei sein zu können ist genau so eindimensional. Es geht schlichtweg nicht.

        • @Rudi Hamm:

          Die Grünen waren leider schon immer dogmatisch und hatten die notwendige Transformation nie zu Ende gedacht. Das Wunschdenken vieler Anhänger der Grünen, sich den Pelz waschen zu können, ohne ihn nass zu machen, ist sehr verbreitet.

          Das Traurige ist, dass SPD, CDU und schon gar nicht FDP eine bessere Alternative darstellen. Im Gegenteil.

          Und was die regenerativen Energien anbelangt: Selbst wenn wir gigantische Energiespeicher hätten, würden wir die Energie nicht auf Deutschlands Flächen einsammeln können, ohne große Folgeschäden zu erzeugen. Der Energiehunger wächst weiter und niemanden interessiert es.

          Der Mensch wird erst dann anpassungsfähig, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht. Es ist aber zu befürchten, dass die in Gang gebrachten Veränderungen in der Biosphäre derart in Rollen kommen, dass die Anpassung nur noch noch wenigen nützen wird.

  • Mein Ex-bekannter/-freund Olaf Scholz um



    "18.08 Uhr:



    Bundeskanzler Olaf Scholz hat Teile der Proteste gegen die Räumung des Braunkohledorfes Lützerath kritisiert.



    "Auch ich habe früher häufiger demonstriert. Allerdings gibt es für mich eine Grenze, die genau da verläuft, wo Protest gewalttätig wird", sagte der SPD-Politiker der "wochentaz", der Wochenzeitung der "taz".

    Ja ja , ist lange her, das mit den demos von olaf. Heute ist er ganz auf der Linie von RWE,Medien undseiner ampelregierung, die eine konzertierte aktion gestartet haben, deren ständiges mantra darin besteht, "gewalt" zu beschwören.

    Soll/en er/sie doch. Schließlich haben alle, wie im o.a. artikel geschildet, mitbekommen, daß beschworene "gewalt" in der realität nicht stattgefunden hat - so ein scheiß aber auch - und olaf entblödet sich nicht, das mantra besinnungslos zu wiederholen.

    in the long run wird olaf mit seinem dummheiten auf die nase fallen, obwohl er als sehr intelligent gilt und sich überaus schlau vorkommt (habe ich ihm vor ca. 30 jahren gesagt: so ein verhalten wird ihm mal der hals brechen. (sorry f.kl.schreibung - ist wg. gichtanfall)



    und siehe: die wette gewinne ich demnächst .... die grünen bekommen von ihrer basis z.t. die Hölle heißgemat - hoffentlich zerreißt es sie, solche grüne mit dieser spitze an der regierung ist kontraindiziert fürs klima ...



    die fdp verschwindet aus Bundestag - +tschüss.



    die union wird wie die italienischen cdu-ler zu quantité négligable.



    leider schafft es die LINKE nicht, die entstehende Lücke (grüne politik) auszufülllen - auf dem gebiet schwächeln sie chronisch.



    es bleibt und wird spannen.