RKI zum Verlauf von Omikron: Die gigantische Welle
Das RKI hat berechnet, wie die Pandemie in den nächsten Wochen verlaufen könnte. Kontaktreduktionen könnten eine Überlastung der Kliniken verhindern.
B
All diese Zahlen gehen aus einer Studie zur Abschätzung der Omikron-Infektionswelle hervor, die das Robert-Koch-Institut am Donnerstag veröffentlicht hat. Bei den Ergebnissen handelt es sich ausdrücklich nicht um Prognosen, betonen die Wissenschaftler des RKI. Die tatsächlichen Zahlen können je nach Verlauf auch deutlich niedriger oder noch viel höher ausfallen.
Die vor sechs Wochen begonnene Studie diene vor allem dazu, anhand eines vereinfachten Modells durchrechnen zu können, wie sich der Verlauf der Pandemie durch die Omikron-Variante verändert hat. Sie liegt dem Bundesgesundheitsministerium vor und ist Grundlage für politische Entscheidungen.
Anhand des RKI-Modells lässt sich zeigen, welche Faktoren ausschlaggebend sein können. Insgesamt wurden 180 Szenarien durchgerechnet. Je nach Annahme führen die Ergebnisse zu einer „breiten Streuung“, heißt es in der Studie. So könnte der Spitzenwert der täglichen Neuinfektion auch bei 450.000 liegen.
Faktor Impfung
Als ein wichtiger Faktor hat sich die Wirksamkeit der Impfungen gegen Omikron herausgestellt. Ist diese niedrig, steigt die Zahl der Fälle doppelt so hoch wie bei einem hohen Wirkungsgrad. Wie effizient die Impfungen sind, kann aber noch nicht gesagt werden. Und es ist auch politisch nicht steuerbar.
Ein anderer wichtiger Faktor sind die Kontaktreduzierungen. Hier hat die Politik Handlungsspielräume. Ein kurzer, harter Lockdown schon im Januar, so zeigt das RKI-Modell, hätte nach hinten losgehen können. „Eine frühe, starke Kontaktreduktion kann zu einem starken Rebound-Effekt führen“, heißt es in der Studie. Die Omikronwelle wäre zwar später, dafür umso gravierender gekommen.
Als sehr effektiv erweist sich im RKI-Modell eine sechswöchige Reduzierung der Kontakte um 20 Prozent von Ende Januar bis Mitte März. Der Vorteil: dafür bräuchte es nicht einmal große politische Vorgaben. Denn ein Fünftel weniger Kontakte als in der Zeit vor der Pandemie wurde bisher in der Regel allein durch freiwillige Zurückhaltung und Vorsicht der Bevölkerung erreicht.
Wenn durch die Diskussion um die Aufhebung aller Coronamaßnahmen in den skandinavischen Ländern und Forderungen nach einer Exitstrategie hierzulande der Eindruck entstünde, das Schlimmste sei vorbei, wäre das fatal. Denn wenn die Menschen auf jegliche Kontaktreduzierung verzichten, schnellen die Kurven im RKI-Modell nach oben. Möglich wären dann nicht nur bis zu 600.000 Infektionen pro Tag. Es müssten am Ende auch wieder mehr als 4.000 Corona-Patient:innen auf den Intensivstationen behandelt werden – und die Kliniken wären überlastet.
Und noch einen Unsicherheitsfaktor gibt es. Das RKI-Modell beruht auf der Annahme, dass durch Omikron nur 15 Prozent so viele Menschen schwerst erkranken wie unter den zuvor dominierenden Corona-Varianten. Sollte der Wert am Ende höher liegen, gäbe es ein Problem auf den Intensivstationen.
Aktuell sind wir davon noch weit entfernt. Am Donnerstag wurden 2.262 Corona-Patient:innen intensiv behandelt. Die Zahl der Neuaufnahmen steigt bereits seit zwei Wochen langsam, aber kontinuierlich an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers