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„Querdenken“-Protest in Halberstadt„Eine Grenze überschritten“

Quer­den­ke­r*in­nen waren mit Fackeln bei Halberstadts Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU) aufgetaucht. Jetzt äußert sich der Politiker erstmals.

Polizisten stehen bei einer Demo gegen Corona-Maßnahmen in Halberstadt, Anfang Dezember 2021 Foto: Matthias Bein/dpa

Leipzig taz | Ein Versuch der Einschüchterung und Verängstigung – so bezeichnet Halberstadts Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU) den Aufzug von „Querdenker:innen“ vor seinem Wohnhaus am Montagabend. Bis zu 700 Geg­ne­r*in­nen der Corona-Politik waren von der Innenstadt bis zu seinem Grundstück gezogen und protestierten dort lautstark mit Trommeln, Trillerpfeifen, Fackeln und Bengalos.

Szarata sei mit seiner Familie zu diesem Zeitpunkt im Haus gewesen, wie er der dpa mitteilte. Die Szenerie habe er als bedrohlich empfunden. „In dem Moment, wo Menschen vor meiner Haustür stehen, meine Familie versuchen zu verängstigen und in meine Privatsphäre eindringen, ist ganz klar eine Grenze überschritten“, teilte der 39 Jahre alte Oberbürgermeister am Montagabend in einer Pressemitteilung mit. „Sicher kann jeder nachvollziehen, dass ich das nicht tolerieren kann.“ Gegen eine Person, die versucht habe, auf sein Grundstück zu gelangen, wolle er Strafanzeige erstatten.

Angeführt wurde die unangemeldete Demo von der neonazistischen Gruppe „Harzrevolte“, die am Montagabend auch ein Video des Protests in ihrem Telegram-Kanal veröffentlicht hat. Die Gruppe beteilige sich seit Ende November an den Corona-Protesten im Harz und gehöre zu den aktivsten Neonazi-Gruppen in Sachsen-Anhalt, sagte David Begrich, Rechtsextremismusexperte beim Magdeburger Verein Miteinander, der taz.

Für den in Halberstadt geborenen Oberbürgermeister Szarata steht fest: Der Demozug wurde nicht von Hal­ber­städ­te­r*in­nen zu seinem Haus gelenkt, sondern von Rechtsextremen von außerhalb. „Ich weiß, dass die große Mehrheit der Halberstädter den gestrigen Einschüchterungsversuch verurteilt. Das zeigen die zahlreichen Solidaritätsbekundungen, die mich in den letzten Stunden erreicht haben“, erklärte Szarata.

Oberbürgermeister lobt Polizeieinsatz

Die Demonstration wurde von zahlreichen Po­li­zis­t*in­nen begleitet. Wieviele Be­am­t*in­nen im Einsatz waren, wollte die Polizeiinspektion Magdeburg der taz „aus einsatztaktischen Gründen“ nicht sagen. Auch die Fragen, wie es überhaupt zu dem Protest vor Szaratas Wohnhaus kommen konnte und wieso die Polizei den Demozug nicht rechtzeitig in eine andere Richtung gelenkt hat, beantwortete die Polizei nicht. Die Auswertung des Abends dauere noch an, teilte die Magdeburger Polizeiinspektion mit.

Oberbürgermeister Daniel Szarata ist der Meinung, dass die Polizei die Lage am Montag gut im Griff gehabt habe. Die Be­am­t*in­nen hätten „auch diese Demonstration wieder umsichtig begleitet“, heißt es in der Mitteilung. Seit Monaten gehen in Halberstadt jede Woche hunderte Geg­ne­r*in­nen der Corona-Politik auf die Straße.

Szarata, der zusammen mit Me­di­zi­ne­r*in­nen und anderen Po­li­ti­ke­r*in­nen regelmäßig Impf­geg­ne­r*in­nen z­um Gespräch auf dem Domplatz in Halberstadt einlädt, möchte trotz des Aufzuges vor seinem Wohnhaus weiter auf Dialog setzen. „Kontroverse Diskussionen sind Bestandteil meiner Arbeit und unserer Demokratie. Ich bin gern bereit, mich diesen zu stellen“, sagte Szarata. Dabei müsse aber klar zwischen dem Oberbürgermeister und dem Familienvater und Ehemann Daniel Szarata unterschieden werden.

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2 Kommentare

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  • Silvesterböller

  • Offenbar ist die immer wieder behauptete Unterstellung einer geistigen Nähe zwischen der CDU und den Extremisten vom rechten Rand eine ideologisch gefärbte Behauptung, die aber den Tatsachen nicht standhält.



    Die CDU ist diesen Extremisten genauso verhasst wie die anderen demokratischen Parteien. Immerhin hatte der OB Szarata mehr Glück als seinerzeit Walter Lübcke, der bekanntlich mit dem Leben bezahlte!