Putin, Trump, Hamas, AfD : Ankündigung des Untergangs
Angesichts des Literaturnobelpreises für den melancholischen Apokalyptiker László Krasnahorkai fühlt auch unser Autor das Ende der liberalen Demokratien kommen.

taz FUTURZWEI | László Krasnahorkai ist ein melancholischer Apokalyptiker und wirklich schwer zu lesen. Für den ungarischen Literatur-Nobelpreisträger entwickelt sich „die Welt in einer Richtung weiter, die nicht mit menschlichen Maßstäben vereinbar ist, wodurch die Unmöglichkeit ausgedrückt wird, noch Einheit mit der Welt aufrechtzuerhalten“ wie Marcel Inhoff in der taz schreibt.
Krasnahorkai sieht eine auf ewig geeinte Welt als Zielorientierung in einer offenen Zukunft längst verloren. Es ist erstaunlich, wie präzise das Nobelpreis-Komitee mit seiner Entscheidung die politische Wirklichkeit in den liberalen Demokratien getroffen hat.
Der Verlust des Faktors Zukunft entzieht den politischen Eliten die Legitimationsbasis für ihr Handeln. Sie haben kein Zukunftsversprechen, kein Ziel, das Zustimmung und Gefolgschaft generieren könnte, für das sich individueller und gesellschaftlicher Einsatz oder gar freiwilliger Verzicht für projizierte Wunscherfüllungen lohnen würde.
■ Udo Knapp ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.
Stimmungsabhängiges Handwerkeln und auf kurzfristige Wirkungen ausgelegtes Handeln bestimmen ihren politischen Alltag. Inhaltlich unbestimmte, aber autoritäre und totalitäre Versuchungen, die Wiederkehr längst überwunden geglaubter, ideologischer Versatzstücke, gespeist von Fake News, fluten stattdessen den öffentlichen Raum und produzieren Wut und Hass.
Fossilität und Rückbau in der Bundesrepublik
In der Bundesrepublik wird die Transformation in nachfossile Strukturen ausgebremst, die Planungssicherheit für zukunftsfähige Investitionen beschädigt, das Entstehen neuer Arbeitsplätze behindert. Bundeskanzler Merz will das Verbot aller Verbrenner kippen, das in ganz Europa für 2035 vorgesehen ist.
Der Sozialstaat wird als überdimensionierte Hängematte für Sozialschmarotzer denunziert und mit Placebo-Aktionen zurückgebaut, die nur der Profilierung der Regierungspolitiker als harte Kerle dienen.
Der Umbau des Bürgergeldes in eine sogenannte Grundsicherung schafft keine relevante Entlastung für die öffentlichen Haushalte, erschwert den Alltag vieler Leute, vertieft die gesellschaftliche Spaltung und es ist zu bezweifeln, dass dieser Umbau mehr Leute in Arbeit bringen wird. Die Migrationspolitik ist weiter auf Abschottung statt auf Einwanderung und Integration ausgerichtet.
Wie die Facharbeiterlücke geschlossen werden soll, ist offen. Sie wird wegen der demographischen Tatsachen – viele Alte, wenig Junge – unabwendbar größer und für die Wirtschaft standortgefährdend.
taz FUTURZWEI, das Magazin für Zukunft – Ausgabe N°34: Zahlen des Grauens
Die weltweiten Ausgaben für Rüstung betragen 2700 Milliarden Dollar im Jahr, ein 270stel davon wird weltweit gegen Hunger investiert. Wir präsentieren Zahlen des Grauens und plädieren gerade deshalb für Orientierung an Fakten statt an Talkshow-Aufregern.
Mit: Matthias Brandt, Dana Giesecke, Maja Göpel, Wolf Lotter, Armin Nassehi, Sönke Neitzel, Katja Salamo und Harald Welzer.
Konzepte für eine evidenzbasierte Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau gibt es nicht, für eine Pflegereform, die jedem Alten, das was er braucht, auch zur Verfügung stellt, wenn auch mit steigenden individuellen Beiträgen und öffentlichen Zuschüssen. Stattdessen werden Leistungskürzungen geplant.
Der Ausbau der Bundeswehr zu Kriegstüchtigkeit im europäischen Verbund kommt genauso wenig voran, wie die Wiedereinführung der Wehrpflicht. An den Vernichtungskrieg Putins in der Ukraine hat sich die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik gewöhnt. Mit markigen Worten, aber nicht ausreichenden Waffenlieferungen ist der Zusammenbruch der Ukraine schon eingepreist.
Auch wenn die Geiseln der Hamas freikommen, geht sie aus dem Krieg als Sieger hervor. Sie wird mit der Freilassung von hunderten palästinensischen Mördern belohnt, deren Zukunft nicht in einer demokratischen Kommunalpolitik in Gaza erwartet werden kann.
Der alte und neue Judenhass in allen westlichen Demokratien, insbesondere unter den Jungen, an den Universitäten, sowie in den gewaltbereiten muslimischen Milieus ist zur einer grundsätzlichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung herangewachsen. Judenhass ist Alltag geworden - mit systematischer Diskriminierung und der Androhung von physischer Gewalt.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es mit der AfD eine Partei, die offen die Demokratie bekämpft, die Herrschaft der Gesetze in Frage stellt, die Unterstützung der Ukraine beenden will, eine Kooperation mit Putin und russisches Gas verlangt, die sich an Trumps totalitärer Innenpolitik orientiert und die für diese Politik im Osten schon über 30 Prozent an Zustimmung im Elektorat gewonnen hat.
Weil ein Verbot der AfD noch nicht mal erwogen wird, obwohl die Verfassungsschützer in Bund und Ländern die Verfassungsfeindlichkeit der Partei immer wieder bekräftigen, ist davon auszugehen, dass die AfD im nächsten Jahr in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zur stärksten Partei aufsteigen und mithilfe der CDU auch in Regierungsverantwortung kommen wird.
Die aktualistische Politik aller Parteien in der richtungslos vor sich hin taumelnden Bundesrepublik erscheint wie eine Bekräftigung von Nobelpreisträger Kransnakosrkais universeller Angst vor dem unmittelbar bevorstehenden Scheitern der liberalen Demokratien.
Die Erschütterung von Vernunft und Aufklärung
Auch ich bin erschüttert in meinem Vertrauen in die Vernunft als Leitplanke für eine freiheitliche Zukunft.
Ich spüre, wie mein Vertrauen in einen emanzipatorischen, sich selbst aufklärenden Lernprozess aller Leute schwindet. Ich verstehe nicht, warum die Leute in Russland trotz der hunderttausend gestorbenen jungen Männer Putins Machtkrieg unterstützen. Ich verstehe nicht, warum die Amerikaner Trump wählen, obwohl er ihre freiheitlichen Rechte einschränkt und sie der Willkür einer protokapitalistischen Technoelite ausliefert.
Ich verstehe nicht, warum die Palästinenser sich seit Jahrzehnten von muslimischen Fanatikern missbrauchen lassen und am Ende des aktuellen Krieges immer noch auf Seiten der Hamas stehen. Ich verstehe nicht, warum so viele Leute die AfD wählen, obwohl sie wissen, dass die Partei für keines ihrer wirklichen Probleme Lösungen anzubieten hat.
Ich fürchte nur, dass auch bei uns die politischen Eliten keine Barrikaden auftürmen werden, um eine AfD an der Macht zu verhindern. Wie schon die Generationen ihrer Vorfahren die Nazis und die SED bis zu deren bitteren Ende an der Macht gehalten haben, werden auch sie die nächste autoritäre Volte stützen, bis sie zusammenbricht.
Das wird sie, aber ein Trost ist das jetzt gerade nicht.
Redaktioneller Hinweis: Dieser Text ist ein Meinungsbeitrag unseres Autors. In unseren Kommentaren können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils verschiedene Positionen – allesamt Teil des sehr breiten Meinungsspektrums. Getätigte Aussagen und Meinungen entsprechen nicht zwangsläufig den Positionen der Redaktion.
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