Prozess wegen Kraftwerksblockade: Notwehr oder Straftat?

Darf man wegen des Klimawandels ein Braunkohlekraftwerk lahmlegen? Fünf Aktivist*innen müssen sich vor Gericht verantworten.

Die fünf Angeklagten stehen vor Beginn ihres Prozesses wegen der Blockade des Braunkohlekraftwerks Weisweiler im November 2017 vor dem Gericht auf der Straße

Die fünf Angeklagten stehen vor Beginn ihres Prozesses vor dem Gericht in Eschweiler Foto: dpa

ESCHWEILER taz | „Wir haben veröffentlicht, dass wir verklagt werden, und viel Zuspruch bekommen für die Aktion“, sagt ein Angeklagter. „Solidarität ist unsere stärkste Waffe.“ Mit öffentlichem Interesse scheint das Gericht auch gerechnet zu haben: Die Verhandlung findet im größten Saal des Gebäudes statt. Aber der größte Saal des Amtsgerichts Eschweiler hat eben nur 20 Plätze.

Hier startete am Mittwoch der Strafprozess gegen fünf Klimaaktivist*innen. Es ist der erste von drei Verhandlungstagen: Ein Schöff*innengericht soll entscheiden, ob sich die Angeklagten vor zwei Jahren des Hausfriedensbruchs und der Störung öffentlicher Betriebe strafbar gemacht haben, als sie das RWE-Braunkohlekraftwerk Weisweiler ganz in der Nähe von Eschweiler über Stunden blockierten und dadurch die Stromproduktion störten.

Die sogenannte „WeShutDown“-Aktion fand parallel zur Weltklimakonferenz in Bonn statt. Am Morgen des 15. November 2017 sollen die 22 bis 37 Jahre alten Aktivist*innen unerlaubterweise über einen Zaun auf das Kraftwerksgelände geklettert sein.

Dort sollen sie die Förderbänder blockiert haben, mit denen Braunkohle aus dem angrenzenden Tagebau Inden zum Kraftwerk transportiert wird. Zeitweise schaltete RWE aus Sicherheitsgründen Teile der Förderstruktur ab, sowie Kraftwerksblöcke.

„Die Aktion hat also den Schaden begrenzt“

„Durch die Blockade wurden tausende Tonnen CO2 eingespart, die sonst den Klimawandel weiter angeheizt hätten“, sagt eine Angeklagte. „Die Aktion hat also den Schaden begrenzt, den die Kohleindustrie jeden Tag anrichtet. Damit war sie nicht nur legitim, sondern auch juristisch nicht rechtswidrig.“ Von ursprünglich 14 Aktivist*innen, die sich an der Blockade beteiligt haben sollen, sind 5 angeklagt, deren Identität festgestellt werden konnte.

Der Strafprozess vor dem Amtsgericht könnte auch Einfluss haben auf die zivilrechtliche Entscheidung zu einer Schadensersatzklage von RWE vor dem Aachener Landgericht: Wegen der Blockade fordert das Unternehmen von vier der fünf Aktivist*innen Schadensersatz in Höhe von zwei Millionen Euro.

Den fehlenden Strom aus eigener Produktion hat RWE nach eigenen Angaben nämlich auf dem Strommarkt zukaufen müssen. Die zivilrechtliche Verhandlung ist mit Blick auf den Prozess in Eschweiler zunächst ausgesetzt.

Die Kraftswerksblockade sieht Rechtsanwalt Christian Mertens, der eine der Angeklagten vertritt, rechtlich als Notwehr. „Es gab schon die Entscheidung, dass das Eindringen und Filmen in Massentierhaltung nicht strafbar ist, wenn man damit Missstände aufdeckt“, sagt er.

„Dass man das Recht in die eigene Hand nimmt, ist naturgemäß bei der Notwehr so.“ Der Klimawandel betreffe „nicht einen Einzelfall, sondern siebeneinhalb Milliarden Einzelfälle. Das Ding bringt uns um.“ Am 4 Dezember wird das Gericht wahrscheinlich ein Urteil fällen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.