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Prozess nach großem TierschutzskandalViehhändler wegen Quälerei verurteilt

Ein Gericht verhängt eine Geldstrafe gegen einen Mann, der verletzte Rinder in einen Schlachthof gefahren haben soll. Tierrechtler hatten das gefilmt.

Tiere misshandeln, sie lange und andauernd leiden lassen – das kostet den Täter gerade mal 4.800 Euro Foto: Ulrich Perrey/dpa

Berlin taz | In einem der größten deutschen Tierschutzskandale ist der Geschäftsführer einer Viehhandels- und Transportfirma zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Amtsgericht im niedersächsischen Bad Iburg entschied am Freitag seiner Direktorin Susanne Kirchhoff zufolge, dass der Mann 4800 Euro zahlen müsse „wegen quälerischer Misshandlung von Tieren durch Zuführung lang andauernder Schmerzen oder Leiden“.

„Er hat nach Überzeugung des Gerichts zwei nicht transportfähige Rinder aufgeladen“, sagte Kirchhoff der taz. Da die Tiere bei der Ankunft im August 2018 in einem Schlachthof von Bad Iburg nahe Osnabrück nicht mehr aufstehen konnten, habe der Angeklagte eines der Rinder mit einer Seilwinde ohne Betäubung aus dem Transporter gezogen. Das zweite musste demnach auf den „Kniegelenken“ die Rampe herunterhumpeln. „Beides hat zu Schmerzen geführt, das hat die Sachverständige gesagt“, berichtete Kirchhoff.

Die Strafe liege über der Forderung der Staatsanwaltschaft, ergänzte die Juristin. Zulasten des Angeklagten habe das Gericht berücksichtigt, dass gleich zwei Rinder betroffen waren und dass er „keine Einsicht und keinerlei Mitgefühl mit den Tieren gezeigt hat“. Auch nach dem Urteil habe er gesagt, dass er die Strafe nicht akzeptieren wolle. Seiner Darstellung zufolge seien die Rinder beim Aufladen sehr wohl transportfähig gewesen. Er habe nun eine Woche Zeit, um Berufung einzulegen.

„Wir werten das Urteil angesichts der Schwere der Tat und des extremen Leidens dieser Tiere und seiner Verantwortung als viel zu niedrig“, schrieb Friedrich Mülln der taz. Er ist Vorsitzender der Organisation Soko Tierschutz, die den Vorfall heimlich auf Video aufgenommen hatte und damit ein wichtiges Beweisstück lieferte. Soko-Aktivisten demonstrierten am Freitag auch vor dem Gericht.

Mehr als 100 Beschuldigte

Die Organisation hatte 2018 aufgedeckt, dass bundesweit schwer kranke und verletzte Kühe über den Schlachthof in die Fleischproduktion eingeschleust wurden. „Der Schlachthof in Bad Iburg galt als Geheimtipp, um solche leidenden Tiere illegal loszuwerden. Bauern und Tiertransportfirmen aus ganz Deutschland machten damit Profit“, so die Soko.

„Der Fall Bad Iburg ist der größte Tierschutz- und Schlachtskandal der deutschen Geschichte. Es gab hunderte Täter, Bauern, Tiertransportfahrer, Viehhändler und Schlachter. Über 100 werden nun zur Rechenschaft gezogen.“ In mehreren Fällen sei es bisher „zu geringen Strafen zwischen 300 und wenigen Tausend Euro“ gekommen. „Solche Leute gehören ins Gefängnis und dürfen nie wieder an Tiere Hand an legen!“, forderte Mülln.

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5 Kommentare

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  • Von der Tierquälerei mal abgesehen, wie kann es eigentlich sein, dass "schwer kranke und verletzte Kühe über den Schlachthof in die Fleischproduktion eingeschleust wurden", ohne dass das in irgendeiner Lebensmittelkontrolle aufgefallen ist? Wieso braucht es eine Soko Tierschutz um aufzudecken, dass da die Kadaver von Tieren die nur noch in die Tierkörperbeseitigung gehen dürften systematisch auf dem Teller der Verbraucher entsorgt werden?



    Bei solchen Methoden braucht es keine wet markets am andern Ende der Welt um Zoonosen zu produzieren. Dass das auch mit heimischen Rindern bestens funktioniert konnte man in der Vergangenheit etwa schon bei Milzbrand oder BSE/nvCJD beobachten.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    „Der Fall Bad Iburg ist der größte Tierschutz- und Schlachtskandal der deutschen Geschichte. Es gab hunderte Täter, Bauern, Tiertransportfahrer, Viehhändler und Schlachter. Über 100 werden nun zur Rechenschaft gezogen.“

    Höchststrafe bitte und Entzug der Betriebserlaubnis auf Lebenszeit.

  • Angesichts der 763 Millionen Tötungen von Landtieren in Deutschland ist davon auszugehen, dass dieses "Ereignis" kein Einzelfall ist sondern regelmäßig "vorkommt". Es ist ein Ergebnis des Mensch-Tierverhältnisses, in dem das "Nutztier" nur mehr ein Ding ist, was Kapitalinteressen unterliegt. Die Individualität der Tiere, das Interesse nach Leben und die Fähigkeit des Schmerzempfindens können in diesem System nicht wahrgenommen werden, haben in diesem keinen Platz. Die Tierproduktion hat mit der Erzeugung von Fleisch den Tod der Tiere zum Ziel. Bedeutet das an sich nicht schon Leid, ist das Wohlergehen der Tiere vom ausbeuterischen Ermessensrahmen bestimmt. Das eigentliche Wesen, das Leben in der Herde, auf Wiesen usw. der Tiere kann so schwerlich berücksichtigt werden. Wer also obigen Zustand empörend findet, sollte grundlegend das System der Tierproduktion hinterfragen. Zumal doch die Ahnung da sein sollte, dass das Blut, das Aufbäumen, der Bolzenschuss in den Schädel des Rindes Leid bedeutet.

  • Was für Mini Strafen. Tiere sind Lebewesen.

  • Es scheint keinen politischen Willen zu geben, diese Zustände in unserem Land wirklich zu ändern, zumindest nicht, solange die "christliche" Partei regiert ...