Prozess gegen Klimaaktivisten: Mit Stahlrohr gegen den Klimawandel
Elmar Keul ist Lehrer – und bei Extinction Rebellion. Aktuell steht er wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft erfüllt das Festmachen den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. „Das sehen wir nicht so, weil das Rohr leicht zu lösen war. Die Polizei brauchte dafür vielleicht fünf Minuten“, sagt Keul zur taz.
Der Protest vor bald fast drei Jahren hatte samt Blockade der Straße auch deshalb für einiges Aufsehen gesorgt, weil einzelne Aktivist*innen auf das Brandenburger Tor geklettert waren, um ein Transparent herunterhängen zu lassen. Die heute mit Straßenblockaden und Wahrzeichenprotesten verbundene Letzte Generation war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal gegründet.
Kein Problem mit dem Neutralitätsgebot
Der XR-Aktivist Keul ist Lehrer für Geschichte und Philosophie an einem Abendgymnasium für Erwachsenenbildung im nordrhein-westfälischen Siegburg. Gerade in dieser Rolle sehe er sich dazu verpflichtet, auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen, sagt er. Schließlich habe er einen Eid auf die Verfassung geschworen. „Dieser Diensteid verpflichtet mich dazu, für den Schutz der Gesellschaft einzutreten. Und die Klimakatastrophe, die auf uns zurollt, stellt ja genau das auch in Frage.“
Mit Blick auf das für Beamte geltende Neutralitätsgebot hat Keul keine Bedenken. „Wir haben die Verpflichtung, dass wir uns in politischen Fragen neutral verhalten, damit ist aber die Parteipolitik gemeint“, sagt er. Sein außerschulisches Engagement für XR sei folglich davon nicht betroffen. „Das Mäßigungsgebot gilt ebenso, also wir dürfen keine extremen Aussagen tätigen. Aber für den Klimaschutz und den Schutz der Demokratie einzutreten, ist ja nichts Extremes.“
Dementsprechend stehe auch die Schulleitung inhaltlich hinter ihm. In der Schule bekomme er vor allem drei Kategorien von Personen mit, wenn es um das Thema Klimawandel gehe. Keul sagt: „Manchen ist es egal, sie denken nur an ihr kurzfristiges Vergnügen; andere sehen das Problem durchaus und würden sich auch gerne mehr engagieren; die dritte Gruppe denkt, dass es eh zu spät ist.“ Zur letzten Gruppe gehöre „leider auch“ sein Sohn.
Den Zukunftspessimismus könne er schon nachvollziehen. „Aber ich finde das echt schlimm. Gerade diesen Personen würde ich gerne Hoffnung geben“, sagt der Klimaaktivist. Das sei dann auch der Grund, warum er auf die Straße gehe.
Verfahren wird möglicherweise ausgesetzt
Im Prozess vor dem Amtsgericht wurde am Freitag vor allem darüber diskutiert, das Verfahren auszusetzen. Hintergrund sind zwei weitere, noch ausstehende Verfahren gegen Elmar Keul, die so nun gebündelt werden sollen. Keul wurde die Einstellung der Verfahren in Aussicht gestellt, wenn er dafür den Strafbefehl im aktuell verhandelten Verfahren akzeptiert.
Vermutlich wird am Ende eine Gesamtstrafe verhängt, so Keuls Anwältin. Wann genau über die Zusammenlegung der Verfahren entschieden wird, ist noch nicht entschieden.
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