Proteste in Georgien: „Russisches Kriegsschiff, f… dich!“

Russland habe die Region Abchasien nicht besetzt, sondern von Georgien befreit, behaupten russische Touristen. Das führt in Batumi und Tbilissi zu Protesten.

Luftbild des Hafens von Batumi

Batumi in Georgien: Hier lag das russische Kreuzfahrtschiff, als es zum Skandal kam Foto: imago

BERLIN taz | Für die russischen Tou­ris­t*in­nen an Bord des Kreuzfahrtschiffes „Astoria Grande“ sollte der Stopp in Georgien am Donnerstagmorgen ein entspannter Landgang werden – nebst Besichtigung der Hafenstadt Batumi sowie der Verkostung landestypischer Köstlichkeiten. Doch das Vorhaben endete mit einem Skandal.

Grund dafür war die Auskunftsfreude einiger Reisender gegenüber Jour­na­lis­t*in­nen georgischer Medien. Das Webportal JaMnews zitiert eine Russin, die von der Besatzung Abchasiens – eine autonome Region, die völkerrechtlich zu Georgien gehört – durch russische Truppen nichts weiß. Russland sei keine Besatzungsmacht, sondern habe Abchasien von Georgien befreit. Die Menschen dort hätten um Hilfe gebeten, da Georgien Panzer geschickt habe. Sie habe das alles selbst in Abchasien gesehen.

Eine andere russische Touristin berichtet, das letzte Mal 1978 in Batumi gewesen zu sein. Jetzt wolle sie die historischen Stätten wiedersehen. Russland sei kein Besatzer. Und: „Wir sind alle die Sowjetunion, ein großes und schönes Land.“

Die Region Abchasien hatte sich 1993 nach einem Krieg gegen Georgien für unabhängig erklärt. Nach bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Russland und Georgien um die zweite abtrünnige Region Südossetien im August 2008 erkannte Moskau beide Gebiete als unabhängig an. Heute sind 20 Prozent des georgischen Territoriums von russischen Truppen besetzt.

Fahne verbrannt

Die Kommentare der russischen Tou­ris­t*in­nen verfehlten ihre Wirkung nicht. In der Hauptstadt Tbilissi versammelten sich wütende Ak­ti­vis­t*in­nen vor dem Parlamentsgebäude, eine russische Fahne wurde verbrannt. In Batumi hielten Protestierende Plakate in die Höhe. Dort waren Parolen zu lesen wie: „Russland hat uns unsere Heimat, unsere Leben und unsere Zukunft weggenommen“ und „Die georgische Regierung kann aus dem georgischen Volk keine Rus­s*in­nen machen!“

Berichten der georgischen Webseite Batumelebi zufolge hätten De­mons­tran­t*in­nen in Batumi „Abchasien ist Georgien“ skandiert und dabei Bilder aus den Kriegen in den Händen gehalten. Auch Rufe wie „Russisches Kriegsschiff, f… dich!“ waren zu hören.

Besagten Satz, den in der Ukraine mittlerweile jedes Kind kennt, hatte ein ukrainischer Soldat auf der Schlangeninsel am 24. Februar 2022, dem ersten Tag von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, als Funkspruch abgesetzt. Er war eine Antwort an die Forderung der russischen Besatzung eines Kriegsschiffes, das kleine Eiland im Schwarzen Meer zu räumen. Die Schlangeninsel ist, nach mehrmonatiger russischer Besatzung, seit Ende Juni 2022 wieder unter ukrainischer Kontrolle.

Im Zuge der Protestaktionen meldete sich auch der georgische Verband junger Ju­ris­t*in­nen zu Wort. An das Innenministerium erging die Aufforderung, gegenüber Personen, die in Abchasien gewesen seien, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Denn das stelle „einen Verstoß gegen die Gesetze über besetzte Gebiete dar“.

Die „Astoria Grande“ hatte am 22. Juli im russischen Sotschi abgelegt. Laut der georgischen Schifffahrtsagentur, die die oppositionelle russischsprachige Novaya Gazeta Europe zitiert, fahre das Kreuzfahrtschiff unter der Flagge von Palau, einem Inselstaat im Pazifik, und gehöre zur türkischen Kreuzfahrtgesellschaft Miray Cruises International. Es sei auf den Seychellen registriert und unterliege keinen internationalen Sanktionen.

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