Protest in Griechenland: „Mazedonien ist griechisch!“
Tausende gehen gegen ein Abkommen mit Mazedonien auf die Straße, das den Namensstreit beilegen soll. Das Parlament stimmt ab.
Das Votum war verschoben worden und soll nun am Freitagmittag stattfinden. Parlamentspräsident Nikos Voutsis teilte im griechischen Staatsfernsehen mit, dass es noch zu viele Abgeordnete gäbe, die sich zur Namensfrage äußern wollen. Von den insgesamt 205 gemeldeten Parlamentarier hätten bis Donnerstagnachmittag nur etwa die Hälfte gesprochen, so Voutzis.
In einem anderen Teil Athens protestierten etwa 4.500 Anhänger der Kommunistischen Partei (KKE) friedlich gegen das Abkommen. Bereits in den frühen Morgenstunden hängten Mitglieder der KKE ein Banner am Fuße der Akropolis auf. „Nein zum Tsipras-Zaev-Abkommen, zu den Plänen der USA, der Nato und der EU, nein zu Faschismus“, war darauf zu lesen.
Den westlichen Ländern wird vorgeworfen, den Einfluss Russlands auf dem Balkan durch das Abkommen beschränken zu wollen. In Nordgriechenland blockierten hunderte Menschen über Stunden den Hauptgrenzübergang nach Mazedonien. Etwa 3.000 ProtestlerInnen demonstrierten in Thessaloniki, während weitere Versammlungen in anderen nördlichen Städten des Landes stattfanden. Links und rechts, radikal und gemäßigt – sie alle sind in ganz Griechenland im Namensstreit vereint.
„Das ist doch gelebte Demokratie“, sagt Kostis Dragopoulos mit einem bitteren Lachen. Auch er war zur Demonstration vor dem Parlament gekommen. „Ich bin kein Faschist, aber ich liebe das Land meiner Vorfahren. Unsere Geschichte soll uns erhalten bleiben“, sagt der Anhänger der konservativen Oppositionspartei Nea Demokratie (ND).
Furcht vor Ansprüchen
Der Namensstreit dauert schon über 25 Jahre und belastet die Beziehungen zwischen Griechenland und dem nördlichen Nachbarn. „Der Name Mazedonien ist Teil des griechischen Nationalerbes“, sagt Dragopoulos. „Ich habe große Sorge, dass unsere Nachbarn mit der neuen Landesbezeichnung Ansprüche auf die gleichnamige nordgriechische Provinz erheben könnten“, so der 35-Jährige. Er spricht aus, was viele GriechInnen befürchten.
Im Parlament forderte Premierminister Alexis Tsipras (Syriza) die Abgeordneten dazu auf, die Vereinbarung zu billigen, die Mazedonien bereits ratifiziert hat. „Der Nationalismus auf dem Balkan hat zu Katastrophen geführt“, sagte Tsipras. „Und ich glaube, die Zeit ist gekommen, den Nationalismus abzulegen.“ Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis lehnte das Abkommen hingegen als „nationale Niederlage“ ab.
Bisher blockierte Athen die Beitrittsgespräche Skopjes mit der EU und der Nato. Wegen des jahrelangen Konflikts zwischen beiden Ländern wird Mazedonien bei der UNO bisher unter dem Namen „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ (FYROM) geführt.
Die Namensfrage hat immer wieder zu heften Protesten geführt, die oft in Gewalt ausarteten. Zuletzt am vergangenem Sonntag. Mehrere PressevertreterInnen wurden von Faschisten angegriffen und teils schwer verletzt.
Auch bei den Demonstrationen am Donnerstag kam es zu kurzen Zusammenstößen von ProtestlerInnen und PolizistInnen – Molotowcocktails wurden geworfen, die Polizei setzte Tränengas ein. Doch der starke Regen sorgte für ein schnelles Ende der aufkeimenden Gewalt. Es wurden keine Verletzten gemeldet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity