„Problembär“ in Norditalien: Sie sind wieder da
In Italien hat Braunbärin JJ4 einen Jogger getötet, jetzt herrscht Panik. Die Rückkehr der eigentlich friedlichen Tiere ist dennoch eine gute Nachricht.
Clankriminalität jetzt auch bei Bären! Die Aufregung ist groß, seit Braunbärin JJ4, auch Gaia genannt, Anfang April im norditalienischen Trentino einen Jogger angegriffen und getötet hat. Nun entpuppt sich die Täterin als Schwester eines alten Bekannten, nämlich von Bruno (nicht zu verwechseln mit Kurt Beck!). Bruno hatte 2006 gleich zwei Rekorde aufgestellt: Er war der erste freilebende Braunbär seit der Ausrottung der Art in Deutschland vor über 150 Jahren – und wenige Wochen später auch schon wieder der vorerst letzte freilebende Braunbär in Deutschland gewesen. Denn das zwischenzeitlich zum „Problembär“ erklärte Tier war umgehend zum Abschuss freigegeben worden.
Dass Gaia dafür nun Rache nehmen wollte, kann man ausschließen. Mit derartigen menschlichen Befindlichkeiten haben Bären nichts am Hut. Trotzdem ist die Verwandtschaft in der Kette tragischer Ereignisse wohl kein Zufall. Denn Bären sind lernfähig und können Wissen weitergeben, und sei es nur das Wissen, dass in der Nähe des Menschen Futter zu holen ist. Schon Brunos und Gaias Mutter wurde einst zur Touristenbelustigung angefüttert und so an Menschen gewöhnt – gut möglich, dass die Bärengeschwister so auf die schiefe Bahn gerieten.
Bären sind für den Menschen potenziell gefährliche Tiere, das steht außer Frage. Dabei haben sie normalerweise gar kein Interesse an ihm als Beute. Sie mögen es nur nicht, gestört zu werden. Ganz unleidlich reagieren Bärenmütter, wenn sich jemand ihrem Nachwuchs nähert. Tatsächlich war Gaia mit ihren drei Jungtieren unterwegs. Nach dem tödlichen Zwischenfall sollte sie zunächst abgeschossen werden, ein Gericht untersagte die Tötung aber, sodass sie in dieser Woche mit einer Lebendfalle aus dem Verkehr gezogen und in ein gesichertes Gehege überführt wurde.
Ihre bereits entwöhnten und selbstständig lebensfähigen Jungtiere ließ man laufen. Sie bleiben Teil der rund hundert Tiere zählenden Bärenpopulation im Trentino, die auf eine gezielte Wiederansiedlung im Jahr 1999 im Rahmen eines EU-Projekts zurückgeht. Denn auch in Norditalien stand der Braunbär kurz vor der Ausrottung. So gesehen ist es eine echte Erfolgsmeldung, dass in dieser Woche Bärenspuren in Tirol und von Bären getötete Schafe in Bayern bei Rosenheim gesichtet wurden.
Nicht jedes Tier abschießen, das gefährlich werden könnte
Der Bär ist also wieder da, und viele fragen sich, ob das wirklich eine gute Nachricht ist. Die Antwortet lautet: ja. Denn Braunbären übernehmen eine wichtige Rolle im Ökosystem, außerdem waren sie nun einmal zuerst da – sie gehören zu unserer Natur. Darüber, dass der Erhalt von Arten eine wichtige Menschheitsaufgabe ist, besteht glücklicherweise weitgehend Konsens. Von den Menschen in anderen Teilen der Welt erwarten wir ja auch, dass sie mit den dann doch wesentlich ungemütlicheren Tigern, Löwen oder Krokodilen klarkommen. Da können wir schlecht gleich jedes Tier bei uns abschießen, das theoretisch gefährlich werden könnte.
Zumal ein friedliches Zusammenleben durchaus möglich ist. Ein Blick in klassische Bärenländer zeigt, wie es geht. Nutztiere müssen, analog zum Vorgehen beim Wolf, geschützt werden. Eine der Hauptursachen für Unfälle aber bleibt das Anfüttern. Das gilt auch für indirekte Einladungen: Müll und Nahrung müssen bärensicher aufbewahrt werden. Jeder Wanderer in Nordamerika kennt die entsprechenden Container, in die man alle potenziellen Leckerbissen einschließen muss – und schon kann man unbesorgt sogar mitten im Bärengebiet zelten. Bären meiden Menschen normalerweise. Sollte es doch mal zu einem Zusammentreffen kommen, helfen Verhaltenstipps, eine Eskalation zu verhindern. Weglaufen ist zum Beispiel keine gute Idee, zumal der Bär ohnehin schneller ist. Besser ist es, stehenzubleiben, langsam zurückzuweichen oder sich im Extremfall auf den Bauch zu legen und zu hoffen, dass dem Bären die Sache zu dumm wird. Auch Pfefferspray kann helfen.
Das klingt vielleicht nicht unbedingt nach dem Naturerlebnis, das man sich wünscht, aber vor allem gilt: Es ist sehr unwahrscheinlich, auf einen Bären zu treffen, und noch unwahrscheinlicher, dass er angreift. Der gefährlichste Teil jeder Wanderung durch ein Bärengebiet ist die Anreise im Auto.
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