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Präventivhaft für Letzte GenerationEindeutig unverhältnismäßig

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Bei der Präventivhaft für die Letzte Generation wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Durch die Klagen in Bayern wird damit wohl bald Schluss sein.

Eine Aktivistin der letzten Generation auf dem Berliner Flughafen BER Foto: Reuters

I n München wurden 13 Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation aus dem Präventivgewahrsam entlassen. Jedoch leider nicht, weil die bayerische Polizei die Rechtswidrigkeit der Verhaftungen eingesehen hat, sondern nur weil die Gruppe ihre Blockaden für eine Woche aussetzte. Das Problem ist also nicht gelöst, nur verschoben.

Auf den ersten Blick war zwar rechtlich alles in Ordnung. Die Inhaftierten hatten bisher angekündigt, sie würden sofort neue Straßenblockaden, also Straftaten, begehen. Und das bayerische Polizeirecht erlaubt, Personen zur Verhinderung angekündigter Straftaten bis zu 60 Tage in Gewahrsam zu nehmen. Allerdings ist die Präventivhaft im Fall der Klimakleber unverhältnismäßig. Hier wird Freiheitsentziehung angeordnet, um Straftaten zu verhindern, für die bisher ausschließlich Geldstrafen verhängt wurden. Hier wird also mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Die Justiz ist bisher aber nicht in der Lage, diese Fehleinschätzung der bayerischen Polizei zu korrigieren. Das Münchener Amtsgericht, das die Anordnungen laut Gesetz bestätigen muss, nickt sie bisher standardmäßig ab. Und die Ak­ti­vis­t:in­nen verzichten aus Prinzip auf Rechtsmittel zum Landgericht. Sie haben ihren Gefängnisaufenthalt längst zum „Mahnmal“ hochstilisiert.

Zum Glück ist es aber auch in diesem Konflikt möglich, die Verhältnismäßigkeit durchzusetzen. So sind am Bayerischen Verfassungsgerichtshof mehrere Klagen gegen die 2018 verschärfte Regelung im Polizeiaufgabengesetz anhängig. Hier könnte der Gerichtshof auch klarstellen, dass Präventivhaft nur zur Abwehr von Taten angeordnet werden darf, die im konkreten Fall wohl mit Freiheitsstrafe geahndet werden.

Das Gleiche könnte auch im nächsten Koalitionsvertrag nach den bayerischen Landtagswahlen im Oktober 2023 stehen. Schließlich wird die CSU auch in der kommenden Wahlperiode auf einen (mäßigenden) Koalitionspartner angewiesen sein. Die bayerische Überreaktion auf die Blockaden der Letzten Generation hat also auch ein Gutes: Sie erleichtert eine Entschärfung des maßlosen bayerischen Polizeirechts.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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16 Kommentare

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  • Klimaaktivisten sollen anscheinend mit Präventivhaft 'mundtot' gemacht werden, damit das klimaschädliche Monopolyspiel weitergehen kann. Warum redet man überhaupt noch über Klimaschutz, wenn diejenigen weggesperrt werden die Klimaschutz fordern und die Verursacher des Klimawandels weiterhin von der Politik "hofiert" werden?

    Der "Schornstein" des klimaschädlichen Wirtschaftswachstum soll weiter "rauchen", und dabei stören die jungen Klimaschutzaktivisten offenbar - also sperrt man sie einfach weg. Junge Menschen die mit Kartoffelbrei alte Bilder in Museen "verzieren, Straßen blockieren und Flughäfen kurz lahmlegen, sind anscheinend gefährlicher als skrupellose Geschäftemacher die weiterhin die CO2-Konzentration in der Atmosphäre aus reiner Geldgier erhöhen wollen. Vor einiger Zeit hat der 'Guardian' aufgedeckt, dass Energiekonzerne weltweit Milliarden US-Dollar in neue Projekte fließen lassen, mit denen sie die Erderwärmung weiter beschleunigen. Dass die jungen Klimaaktivisten langsam verzweifeln, das kann ich gut nachvollziehen, denn es geht ja um die Zukunft der jungen Menschen und nicht um die Aktiengewinne geldgieriger Aktionäre oder um dieses sinnlose und klimaschädliche Monopolyspiel von Managern, die anscheinend alle keine Kinder haben.

    • @Ricky-13:

      Die Frage haben wir uns auch schon oft gestellt, wie erklären die Verursacher und die Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft & Industrie, ihren Familien und gerade ihrem eigenem Nachwuchs ihr skrupelloses, menschenverachtendes agieren. Unglaublich ! Oder wurden die auch schon alle weggesperrt...

  • 6G
    650228 (Profil gelöscht)

    "Das Münchener Amtsgericht, das die Anordnungen laut Gesetz bestätigen muss, nickt sie bisher standardmäßig ab. Und die Ak­ti­vis­t:in­nen verzichten aus Prinzip auf Rechtsmittel zum Landgericht."

    Das ist erstens reinste Spekulation. Und wenn die Aktivistis damit zufrieden sind - wo ist das Problem?

    • @650228 (Profil gelöscht):

      ..."Amtsgericht" ... "nickt sie bisher standardmäßig ab."

      Alter Rechtsgrundsatz:



      Natürlich ist der Angeklagte schuldig, sonst wäre er ja nicht angeklagt.

      Lt.BR24: ..."über die Beförderung von Richtern und Staatsanwälten entscheidet - anders als in vielen anderen Bundesländern - allein die Staatsregierung"...

      Gewaltenteilung geht auch anders.

    • @650228 (Profil gelöscht):

      Null Problemo, das Mondschaf weiter unten erklärts.

      • 6G
        650228 (Profil gelöscht)
        @0 Substanz:

        Wie meinen?

        • @650228 (Profil gelöscht):

          Wenn Sie weiter nach unten gescrollt hätten, wie in meinem Kommentar vielleicht etwas flapsig formuliert, wären Sie auf folgenden Kommentar von MONDSCHAF gestoßen:

          "Wenn sich LG einsperren lässt,

          Liegt sie als Kuckucksei im Nest.

          Welch ein gelungener Protest.

          Das gibt der CSU den Rest."

          • 6G
            650228 (Profil gelöscht)
            @0 Substanz:

            Das habe ich schon gelesen, verstehe aber den Zusammenhang nicht.

  • 1G
    14397 (Profil gelöscht)

    "sondern nur weil die Gruppe ihre Blockaden für eine Woche aussetzte"

    Gestern hat Joel (Nachname kenne ich leider nicht), einer der in München inhaftierten online etwas anderes berichtet:



    Auch nach der Verlautbarung des Strategieteams der "Letzten Generation", die Aktionen auszusetzen, hatten die in München inhaftierten erklärt, trotzdem weiter Aktionen machen zu wollen.



    Innenminister Herrmann habe dann aber angeordnet sie unverzüglich freizulassen. Also keine sachliche oder rechtliche, sondern rein politische Entscheidung.



    In der Hauptstadt der Bewegung wird also wieder vom Innenminister über Haft und Freilassung entschieden.

  • Ich muss den Autor korrigieren. Straßenblockade sind keine Straftaten, sie sind erstmal eine Versammlung, die durch Artikel 8 des Grundgesetzes geschützt sind. Auch wenn der Verdacht einer Nötigung bestünde ist das nicht automatisch eine Straftat, denn das müssen in diesen Fällen die Gerichte entscheiden. Es ist halt nicht so leicht und eindeutig wie bei der Ankündigung, seinen Nachbarn zu töten. Das ist die Ankündigung einer Straftat.



    Das ankündigen weiterer Straßenblockade, ist erstmal nicht das Ankündigen einer Straftat, sondern das Ankündigen von Protest. Und Protest, so nervig er auch sein mag, ist Demokratie. Wer Menschen wegsperrt, weil sie ankündigen zu demonstrieren, befindet sich nicht mehr auf dem Boden der Demokratie.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Wenn sich LG einsperren lässt,



    Liegt sie als Kuckucksei im Nest.



    Welch ein gelungener Protest.



    Das gibt der CSU den Rest.

  • Nicht ohne Grund werden die meisten Aktionen in Berlin/Brandenburg verübt. Und selbst wenn in München nicht gegen geltende Gesetze verstoßen wurde, so war der Einbruch auf das Flughafengelände des BER ein klarer Verstoß gegen StGB §315. Da braucht man auch nichts relativieren.

    • @Mopsfidel:

      Manchmal stehe ich ja mit den Paras auf dem Kriegsfuß oder wie das heißt.



      StGB 315, (2) Hindernisse bereitet () und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.



      Also, wenn sich ein oder mehrere klimaaktive Personen auf die Startbahn kleben dann ist das ein Hindernis.Wenn das Hindernis aber der Flugsicherung bekannt (gegeben) wurde ist die gefährdung, soweit ich das verstehe, fragwürdig.



      Ist es also nach P315 Strafbar?



      Lieber Mopsfidel, dürfen Sie nach RVG abrechnen oder sind Sie, wie ich, eher Laie? Ein guter Freund sagte mir mal er dürfe mich keine Rechsauskünfte geben da er nicht nach RVG abrechnen könne. Das geht wohl irgendwie nicht.

    • @Mopsfidel:

      Legaler Ziviler Ungehorsam geht halt nicht. Und ein beschädigter Maschendrahtzaun ist ja immer wieder ein beliebter Anlass um die Volksseele zum Überkochen zu bringen. Genügt also Lebenslänglich für das zerschnittene Drahtgeflecht oder braucht es eine Strafmaßverschärfung auf Hängen, Ausweiden und Vierteilen?

  • Aber, aber... Strassen blockieren. Da sträuben sich dem deutschen Dackel die Nackenhaare unterm Lodenmantel! Wo kämen wir denn da hin! Ist doch Autobahn ein Kernstück nationaler Identität! Ist doch "Auto" das erste Wort, dass ein deutsches Baby lallt -- noch vor "Mama" und "Papa"!

    Nein wirklich.

    • @tomás zerolo:

      Babys im Mutterleib hören doch alles mit und wenn bei den Eltern dauernd vom Auto gesprochen wird, liegt das erste Lallen " Auto " doch auf der Hand. Zudem wieviele Stunden ist das Ungeborene schon mit seiner Mutter im Auto unterwegs gewesen, bevor es geboren wurde. Also nicht wundern...