Politik und Geschäft in Corona-Zeiten: Burkahass und Maskenpflicht

Fußballer sollen spielen, Rezo wird zum Populisten und die Kanzlerin entscheidet die K-Frage für sich. Maas und Merz sind vergessen.

Eine Frau mit einer Maske, auf die eine Katzenschnauze mit ausgestreckte Zunge aufgedruckt ist

Solidarität sucht sich einen neuen Namen – und ein neues Gesicht Foto: Natacha Pisarenko/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Trumps Idee, sich Desinfektions­mittel zu spritzen, wurde zu schnell wegdiskutiert.

Und was wird besser in dieser?

Bild setzt Merkels fünfte Amtszeit durch.

Norbert Blüm ist tot. Was rufen Sie ihm nach?

Blüm erzählte, wie Linke 68er bei Opel in Rüsselsheim auf den Werkbänken revolutionäre parolae latrinae verteilten. Da sei er mit seinen christlichen Gewerkschaftskumpels noch früher aufgestanden und habe die Flugblätter vor der Schicht schnell wieder eingesammelt. Er war ein Entertainer, sein Sohn trommelt bei einer Kölsch-Rock-Band, und der Senior schwappte auch gern mal über vor folkloristischem Pathos. Permanenzkarnevalist, Hitsingle „Die Rente ist sischa“. Blüm hatte einen massiven Anker in der christlichen Soziallehre, konnte das populär übersetzen und war für den Chef Kohl so der Unabsetzbarste. Paranoid genug, schickte ihn Kohl trotzdem nach Politisch-Sibirien, um in Düsseldorf ein paar Wahlen an der Sprachbarriere zu verlieren. Die Pflegeversicherung und ihre absurde Finanzierung spielte Blüm allen Gegnern spitzbübisch durch die Hosenträger, mit der vierten Säule der Sozialversicherung steht er im Geschichtsbuch. Ironie, dass Merkel ihn und alle „Herz-Jesu-Marxisten“ anfangs abräumte, um am Ende selbst blümerant zu regieren. Wer sich mit Kondolenz schwertut: Norbert Blüm zu respektieren, heißt Friedrich Merz ärgern.

Tragen Sie eine Maske? Oder sind solche Fragen schon eine biopolitische Zumutung?

Bin gespannt, wie Sachsen Vermummungsverbot, Burkahass und Maskenpflicht langfristig vereinbart. Ich hab ein Halstuch, das ziehe ich bei Bedarf bis zur Nase hoch und lerne, die Augen der Mitbürger zu lesen. Mimik war ’ne schöne Sache.

Rezo beschäftigt sich in einem Video mit Schulöffnungen und Abitur während der Coronakrise. Ist das das Ende der deutschen Bildungspolitik?

Na so richtig zerstört sieht die CDU inzwischen auch nicht mehr aus. Rezo lehnt Schulbesuch und Abschlussprüfung unter Corona ab. Sein Fazit: Er habe keine Lösung, man solle aber die Parteien der sämtlich eingeblendeten Kultusminister nicht mehr wählen. Keine Lösung haben und alles doof finden ist – da haben Rezos Kritiker diesmal einen Punkt – von Populismus schwer zu unterscheiden. „Lehrerzimmer demoliert – Wiederwahl des Schülersprechers gilt als gesichert“.

Am vergangenen Wochenende hätte der CDU-Parteitag stattfinden sollen. Wer von den Kandidaten hat sich in der Coronakrise am meisten empfohlen?

Das Unvorstellbare ist passiert: Helmut Schmidt im Trachtenjanker. Stand heute würde Markus Söder Kanzlerkandidat, der lasche Laschet CDU-Chef und Merz und Röttgen raus.

Geschafft, die letzten deutschen Touristen sind zu Hause. Was lernen wir aus der Aktion Luftbrücke?

Dass ein Außenminister bei innerer Krise trotz 240.000 Heimholungen nicht profitiert. Auf der Spiegel-Umfragetreppe rangieren Steinmeier und Scholz vor Maas.

Woran müssen Sie als Erstes denken, wenn jemand von „europäischer Solidarität“ spricht?

Franz Müntefering erzählte mal von sprachkundlichen Umfragen des Brandt-Hauses: „Solidarität“ habe einen solchen Bedeutungswandel erlitten, dass die SPD den Begriff habe ausrangieren müssen. Von „Die da oben müssen auch mal was abgeben“ hin zu „Die wollen mir ans Geld“. Daran dürfte die Benamung „Solidaritätsbeitrag“ schuld sein. Bei „euro­päi­scher Solidarität“ denkt man an Schurkenstaaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen, und natürlich an Geld. Man sollte also ein anderes Wording finden für Regeln und Lösungen unter Corona, erst recht für finanzielle Hilfen. Irgendwas mit „Heimat“ und auf keinen Fall „Eurobonds“.

Verdienen Fußballprofis genug, dass über sie und ihre Gesundheit verfügt werden darf, als wären sie Roboter?

Fragen Sie mal den BVB, der die Jungs 24 Stunden nach einem Bombenattentat auf den Bandbus wieder auflaufen hieß. Die Vereine bekommen derzeit keine Fernsehgelder, und viele Spielerverträge enden im Juni; da implodiert ein Geschäftsmodell. Sorgen, die der Breitensport gern hätte – die kleinen Vereine gehen einfach so kaputt. Wenn man ganz sicher gehen will, dass Corona viele Fußballfans erwischt, muss man Geisterspiele exklusiv von Sky übertragen lassen, dann sind die Wohnzimmer proppevoll.

Und was machen die Borussen?

Klubchef Watzke trommelt für Spiele ohne Fans. Manche sagen: Schon immer.

Fragen: Ambros Waibel

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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