Leben in Zeiten von Corona: Zivildienst war 'ne geile Sache

Der Spargel ist systemrelevant, Bankräuber werden plötzlich höflich und selbst für die Bundesliga gibt's Ersatz. Manches aber bleibt unverändert.

Porträt Julia Klöckner

Die Bauern suchen Vollprofis und Julia Klöckner so: Hold my Spargel! Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Ausflugsziele und Radwanderwege proppenvoll.

Und was wird besser in dieser?

Corona im Winter wär schlimmer.

Am vergangenen Dienstag wurde der 15-jährige Arkan Hussein Kh. im niedersächsischen Celle von einem 29-jährigen Deutschen erstochen. Die Ermittlungen hätten „in keiner Hinsicht Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat“ geliefert, teilte die Polizei mit. An dieser Bewertung gibt es Kritik. Wie ist Ihre Einschätzung?

Zeit Online berichtet, drei Social-Media-Konten seien nach Angaben der Polizei dem Tatverdächtigen Daniel S. zuzuordnen. Dort sei er mit Neonazis, Rechtsradikalen, doch auch Kurden und Türken „befreundet“. Er folge Seiten zu Verschwörungstheorien, Reichsbürgertum und Antisemitismus. Im günstigsten Fall hat die Zeit besser recherchiert, als die Polizei ermittelt; im ungünstigsten auch. So schroff Polizei und Staatsanwaltschaft politische Motive abweisen, so großzügig löffeln sie schon mal Beruhigungsmittel aus: „verwirrt“ sei der Täter und „möglicherweise psychisch erkrankt“. Hüben überkorrekt, drüben vorzeitiger Dramenerguss: Das klappt nur, solange man nicht ins Auge fasst, dass man zugleich rechtsextrem und verrückt sein kann. Sollte aber möglich sein.

Fachleute zweifeln an der Aussagekraft der sogenannten Heinsberg-Studie zur Ausbreitung des Coronavirus. Zudem gibt es Verbindungen zwischen dem Studienleiter und einem PR-Unternehmen. Kann denn nicht mal irgendwas einfach richtig und sauber sein?

Wer vermisst Dortmund – Schalke, wenn’s täglich Drosen – Streeck gibt? Der Showdown der Virengurus beginnt zwischen „Lockdown muss und ’ne App wäre auch gut“–Drosten und „Türklinke kann uns nix und bald sind wir alle immun“–Streeck. Letzterer bekam unverhofft ein PR-Angebot von seinem alten Kumpel Michael Mronz. Der Witwer von Guido Westerwelle gründete mit dem Bild-Überlebenden Diekmann und Philipp Jessen eine Agentur, die grundsätzlich nicht über Kunden redet. Außer Streeck. Jessen outete inzwischen auch die Sponsoren des Deals: Deutsche Glasfaser und Gries Deco Company. Wer also ganz sichergehen möchte, dass eine wissenschaftliche Studie in der Luft zerrissen, dafür aber wirklich alle Namen genannt werden, sollte sich „Storymachine“ merken.

Am Donnerstag landeten die ersten Saisonarbeitskräfte aus Rumänien für die Spargelernte im Badischen. 40.000 von ihnen dürfen trotz Pandemie einreisen. „Sehr zeitnah“ werden auch bis zu 50 Minderjährige von den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln erwartet. Ist das eine unerlaubte Parallelisierung? Und haben Sie noch Appetit auf Spargel?

Der Mindestlohn in Rumänien liegt bei 2,81 € – wer also vom deutschen Mindestlohn 9,35 € noch Reise, Unterkunft, Verpflegung und Rassismus abzieht, dürfte noch genug arme Stecher finden. Zwar erhob sich ein schriller Chor von Volksertüchtigern: Götz Frömming von der AfD fände es für Schüler und Studenten „pädagogisch wertvoll“, durch die Furchen zu lurchen, was Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange auf gut Sozialdemokratisch übersetzt: „Frische Luft wird Schülern und Studenten gut tun.“ Gaulandwirt Alexander legt noch ein paar „Sozialhilfeempfänger“ drauf, die er gebückt arbeiten sehen möchte. So weit die Fraktion „nur Gemüse im Kopf“, während der gemeine Spargelbauer billige Vollprofis will. Das ignoriert auch Landwirtschaftsministerin Klöckner sauber durch und will Asylbewerbern kurzfristig Arbeitserlaubnisse erteilen. Kurz: Spargel ist irgendwie unheimlich wichtig und leider habe ich jetzt keine Zeile mehr Platz für irgendwelche Flüchtlingskinder.

Die Euro-Finanzminister haben sich auf Corona-Hilfen verständigt. Die Debatte über Bonds ist aber damit nicht beendet – leider oder zum Glück?

Versuch war’s wert.

Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen hat die syrische Regierung für Chemiewaffenangriffe im März 2017 verantwortlich gemacht. Assad hat den Krieg trotzdem gewonnen. Brauchen wir eine Art „Nürnberg“, um die Verbrechen in Syrien aufzuarbeiten?

Wie wäre es mit einer Art Vier-Mächte-Status, um das Land zu befrieden? Wenn schon Nazivergleich, dann solide.

Die Bundesregierung will bei Studierenden und Menschen in schulischer Ausbildung den Hinzuverdienst aus „systemrelevanten“ Jobs nicht auf die Ausbildungsförderung anrechnen – sie behalten die volle BAföG-Unterstützung. Klingt das nicht sehr nach den 1950er Jahren? Und würden richtig bezahlte und gut ausgebildete Vollzeitkräfte nicht sehr viel mehr leisten können?

Glückwunsch. Das ist die bisher absurdeste Konstruktion, um zu vermeiden, dass man zugibt: Zivildienst war eine geile Sache.

Und was machen die Borussen?

Der Bezahlsender Sky schweigt beharrlich auf Kunden­fragen, ob Abogebühren zurückerstattet werden, wenn Spiele ausfallen. Man will dann „die Situation neu bewerten und die Kunden informieren“. Würde mich freuen, Bankräuber sagten das, wenn die Bank höflich nach der Beute fragt.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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