Plastikmüll im Meer: Die Weltmeere als Müllkippe
Die Ozeane ersticken im Plastikmüll, die Biodiversität ist in Gefahr. WWF und Alfred-Wegener-Institut fordern ein Abkommen.
Demnach verzeichnet die wissenschaftliche Literatur bei 90 Prozent der untersuchten Arten negative Auswirkungen der marinen Plastikverschmutzung, von Bakterien über Krebstiere bis hin zu Fischen, Schildkröten, Walen und Robben. Besonders verschmutzt sind „die fünf großen Ozeanwirbel, in denen der Plastikmüll kreist, die Küstengebiete, Mangrovenwälder und die Tiefsee“, sagt Heike Vesper, die beim WWF den Fachbereich Meeresschutz leitet.
Jährlich gelangen geschätzte 19 bis 23 Millionen Tonnen Plastikmüll in Seen und Flüsse und schließlich auch ins Meer. „Pro Minute kippen wir zwei Lkw-Ladungen Müll in unsere Gewässer“, sagt Vesper, „die planetaren Grenzen sind in einigen Gebieten erreicht oder überschritten“.
Plastik gefährdet Lebewesen im Meer auf vielfache Weise: Tiere verstricken sich darin, ziehen sich Wunden zu, erwürgen sich oder ertrinken, berichtet Melanie Bergmann, eine der Studienautor:innen des AWI. Vögel nutzen Plastikmüll zum Nestbau, ihre Küken erhängen sich darin. Plastiktüten oder -planen legen sich über die Korallen und nehmen ihnen Licht und Luft. Eine Studie aus Asien von 2010 zählt laut Bergmann 11,1 Milliarden Plastikteile in den untersuchten Korallenriffs.
Am Müll haftende Schadstoffe oder Krankheitserreger übertragen sich auf Tiere und Pflanzen und schädigen sie. Hormonell wirksame Stoffe beeinträchtigen die Fortpflanzungsfähigkeit und führen zu Verhaltensstörungen. Nicht zuletzt fressen Meerestiere den Müll, weil ihn nach einiger Zeit im Wasser Biofilme überziehen und ihm den Geruch von Nahrung verleihen. „90 Prozent aller Seevögel haben Plastikteile im Verdauungstrakt, 52 Prozent aller Meeresschildkröten“, sagt Bergmann. Vielen abgemagerten Walen und Delfinen habe der Müll volle Mägen vorgegaukelt, sie verhungern mit gefülltem Bauch.
Der Plastikmüll ist nicht rückholbar
„Der Müll trifft auf Ökosysteme, die sowieso schon stark belastet sind“, sagt Vesper. Der Klimawandel, Überdüngung und Überfischung mache den Ozeanen zu schaffen. Vielen Arten gebe der Plastikmüll nun den Rest. Bislang seien alle Versuche, Plastikmüll wieder aus dem Meer zu entfernen, gescheitert. Ein Grund dafür ist, dass die Tüten, Seile und Co sich zu Mikroplastik zersetzen oder der Stoff als Reifenabrieb schon gleich in Form kleinster Partikel dort landet. Das Problem sei so umfassend, dass nur ein starkes, globales Plastikabkommen Abhilfe schaffen könne, sagt Vesper.
Schon auf der UN-Umweltversammlung vor drei Jahren sollte ein solches Abkommen auf den Weg gebracht werden. Es scheiterte an der Uneinigkeit der Mitgliedsländer, unter anderem die USA hatten sich gesperrt. Nun haben Ruanda und Peru einen gemeinsamen Vorschlag für ein neues Abkommen eingebracht, das inzwischen von 51 UN-Mitgliedsländern unterstützt wird, darunter auch Deutschland. Beobachter loben die Vorlage unter anderem, weil sie rechtsverbindliche, globale Ziele für weniger Müll vorsieht. Eine konkurrierende, deutlich schwächere Vorlage Japans findet bislang zwar weniger Unterstützung. In der Verhandlungslogik der UN-Umweltversammlung, die häufig auf Konsens setzt, könnte es am Ende trotzdem zu einem Kompromiss aus beiden Vorschlägen kommen – und damit zu einem weniger schlagkräftigen Abkommen.
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