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Plakate der Nazi-Partei III. WegMordaufruf nur mit Abstand

Laut Gericht darf die Nazipartei „III. Weg“ in Zwickau weiter dazu aufrufen, Grüne zu hängen. Einzige Auflage: 100 Meter Abstand zu Grünen-Plakaten.

Demonstranten des Dritten Wegs in Neuruppin Foto: Markus Heine/imago

„Hängt die Grünen!“ darf wieder hängen. Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat einem Eilantrag der Partei „III. Weg“ gegen die Anordnung der Stadt Zwickau zur Beseitigung der Plakate stattgegeben. Damit kann die rechtsextreme Kleinstpartei weiterhin mit einem bewusst assoziierten ­Mordaufruf Wahlkampf in Sachsen machen. Einzige Auflage: Die Plakate dürfen nur mit Abstand von mindestens 100 Metern zu einem Wahlplakat von Bündnis90/Die Grünen angebracht werden. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

Der Zwickauer Kreisverband der Grünen hatte gegen die Plakate Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Zwickau hatte jedoch zunächst entschieden, dass die Plakate hängen bleiben dürfen. In München, wo der „III. Weg“ ebenfalls Plakate aufgehängt hatte, entschied die Staats­anwaltschaft anders: „Nach den vorliegenden Erkenntnissen liegt ein Anfangsverdacht einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten vor“, sagte Anne Leiding, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft, am 8. September der taz.

Auf die drastische Entscheidung der Zwickauer Staatsanwaltschaft hin, hatte die Stadt Zwickau in der vergangenen Woche per Anordnung verfügt, dass die Rechtsextremen die Plakate abhängen müssen. Die hatten gegen die Anordnung geklagt. Erfolgreich: Das Gericht konnte nun keine strafrechtliche Relevanz des Slogans feststellen. Es sei unklar, „wer konkret angesprochen wird“. Es könnten entweder Po­li­ti­ke­r:in­nen oder Wäh­le­r:in­nen der Grünen gemeint sein.

Das Verwaltungsgericht begründete, dass es nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen für Wahlwerbung derzeit offen sei, ob die strengen Voraussetzungen für einen solchen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit vorlägen. Nach Abwägung der Interessen hielt es die Kammer für angemessen, mit dem räumlichen Abstand eine von der Wahlwerbung der Grünen losgelöste Wahrnehmung der Plakate anzuordnen.

Nazis feiern die Aktion

Christin Furtenbacher, sächsische Landesvorstandssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, sagt: „Die Chemnitzer Gerichtsentscheidung irritiert und überrascht uns sehr.“ Sowohl die Staatsanwaltschaft München als auch die sächsische Generalstaatsanwaltschaft hätten Ermittlungen wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten sowie weiteren Straftatbeständen aufgrund der Plakate eingeleitet. „Ein Mordaufruf gegenüber 3.300 sächsischen Mitgliedern einer demokratischen Partei, ihren Sympathisierenden und Unterstützenden hat nichts im öffentlichen Raum zu suchen.“ Man hoffe sehr, dass die Stadt Zwickau unverzüglich Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlege.

Für Dienstagabend rufen die Grünen zu einer Solidaritätsaktion in Zwickau unter dem Motto „Demokrat*innen nicht hängen lassen“ auf.

Der „III. Weg“ feiert die gelungene Kampagne derweil auf seiner Webseite. Die kalkulierte Provokation sorgte seit der vergangenen Woche für große Aufmerksamkeit. „Klar ist, dass die plakative Forderung auf nicht einmal 500 Plakaten mehr Personen erreicht hat, als wenn unsere Partei 500.000 grüne Plakate aufgehängt hätte“, schreibt der „III. Weg“.

Es ist nicht das erste Mal, dass die „volkstreue und heimatverbundene Partei“, wie sich der „III. Weg“ selbst bezeichnet, die Grünen zur Zielscheibe macht. Die 600 Mitglieder starke Partei greift selbst Natur- und Tierschutz­themen auf und erklärt denn auch: „Eine Grüne Partei muss nicht volksfeindlich sein!“ Als Volk versteht die Partei die „naturgesetzliche Gemeinschaft“, deren „biologische Substanz“ erhalten werden müsste.

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16 Kommentare

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  • War es bei der Partei DIE PARTEI doppeldeutige Satire ("Hier könnte ein Nazi hängen"), sind es nun Nazis, die Plakate mit Mordaufrufen aufgehangen haben. Angesichts dessen, dass aus deren Reihen ja öfters deren sogenannte Todeslisten durchsickern, dürfte der Satireanteil gering ausfallen, gelinde gesagt. "Interessant", was bürgerliche Gerichte so als Meinungsfreiheit durchgehen lassen. In anderen Fällen sollen politische Proteste dann Extremismus sein, wobei es natürlich reiner Zufall ist, dass jene als "Linksextrem" gelabelt werden, wie zuletzt Klimaproteste.

    • @Uranus:

      ja :-(

      • @Arne Babenhauserheide:

        Ergänzung: Konkret hat es bereits Listen gegeben, auf denen von Grünen Politiker*innen bspw. Cem Özdemir und Claudia Roth geführt wurden. "Meinungsfreiheit" oder "Phantastereien" sind solche Plakate offenbar ganz und gar nicht. Wenn mensch nun noch die deutsche Geschichte einbezieht, sollten auch bei Bürgis/Konservativen die Alarmglocken klingeln und jene aus Eigeninteresse und Selbstschutz aktiv werden. Der Mord an CDU Politiker Walter Lübcke sollte zusätzlich Sorgen bereiten und Motivation schaffen, tätig zu werden.



        Andererseits ist zu bedenken, dass es auch von CDU-Seite Sympathisant*innen für Kooperationen mit Rechten gibt - wie u.a. das Beispiel Maaßen zeigt. Auch wenn jene wohl weniger eine solche Politik der massiven Drohungen gutheißen bzw. nach Außen tragen würden. Sich allerdings eine Rechte Option samt Handlanger für "Drecksarbeit" offen zu halten, dürfte der Logik von Teilen der Kapitalseite entsprechen. Selbst "normale" CDU-ler*innen malen ja offiziell und im Diskurs deutlich das Schreckgespenst "Linksruck" an die Wand. In diesem politischen Spektrum dürften einige Anknüpfungen nach Rechts hin gegeben sein.

        • @Uranus:

          Ja :-( (tut mir Leid für die Einsilbigkeit — es stimmt und ist erschreckend)

          • @Arne Babenhauserheide:

            Ergänzung 2:



            Zitat aus dem TAZ-Artikel "Neue Regierung in Sachsen-Anhalt: Haseloff stolpert ins Amt" vom 16.9. zu möglichen Gründen, warum Haselhoff nicht im ersten Wahlgang zum Ministerpräsident gewählt wurde und Hinweise auf rechte Tendenzen der CDU, offenbar die Hälfte (!) der CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt:



            "Beobachter vermuteten vielmehr CDU-Abgeordnete unter den Abweichlern. In der vorausgegangenen Kenia-Koalition galt etwa die Hälfte der Fraktion als Grünen-Hasser, AfD-nah und unzuverlässig und war dem Ministerpräsidenten schon mehrfach in den Rücken gefallen."



            taz.de/Neue-Regier...n-Anhalt/!5797517/

  • 6G
    6120 (Profil gelöscht)

    Roland Freisler lässt gerade im Grab die Sektkorken knallen und die Rechtsbeugung des Verwaltungsgerichts Zwickau hochleben.

    Ein offensichtlicher Mordaufruf wird von einem Deutschen Verwaltungsgericht im Jahre 2021 unter dem Vorwand "Meinungsfreiheit" rechtlich gutgeheissen.



    Für mich ist das ein Fall von Rechtsbeugung.

  • Hat sich hier jemand mal die Mühe gemacht, die Gerichtsentscheidung zu lesen? Vermutlich nicht. Das Gericht hat sich auf die Grundsätze des BVerfG zur Wahlwerbung gestützt. Diese gelten eben für alle gleich. Darum kann man entweder dem Gericht vorwerfen, das BVerfG nicht verstanden zu haben oder man muss das BVerfG (das nicht in Sachsen sitzt) kritisieren.



    Davon mal abgesehen, ist es einfach bitter, dass die Grünen und die Linke hier aktiv Wahlwerbung für den III Weg machen - und das noch nichtmal merken.



    Der Plan dieser bis dahin für die meisten Leute völlig unbekannten Kleinpartei war simpel: Such dir jemand, der leicht zu provozieren ist und genügend Reichweite hat und schon bald kennt dich jeder. und was sagt man - mission completed!! Einfach nur schade und bitter, dass die Grünen darauf reingefallen sind.

    • @Lesen hilft:

      Finde ich einen guten Einwand: Haben wir das gelesen? Hier ist der Volltext: openjur.de/u/2351944.html

      Dort heißt es, dass solange 100m Abstand eingehalten werden, erst im Hauptsacheverfahren geklärt werden kann, ob „Hängt die Grünen“ als Aufforderung verstanden wird.

      Umgekehrt heißt das auch, dass das Gericht es als eindeutig ansieht, dass die direkt über Grünen-Plakaten angebrachten Plakate ein Aufruf zum Mord waren.

      Was ich daran allerdings krass finde ist der Teil danach: „Jedoch ist bei der Anwendung der strafrechtlichen Norm des § 111 StGB zu berücksichtigen, dass das Tatbestandsmerkmal der der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten eine bestimmte Erklärung an die Motivation anderer voraussetzt, bestimmte Straftaten zu begehen.“

      Seit dem Mord an Lübcke sollte eindeutig klar sein, dass es unter der Rechtsextremen Zielgruppe des III. Weges Leute mit der entsprechenden Motivation gibt.

    • @Lesen hilft:

      Wo ist denn die Grenze des Hinnehmbaren für Sie? Abwarten bis das Kind im Brunnen liegt, um anschliessend einen Deckel drauf zu legen?

  • Also... wenn's so wäre, dass die Rechten nicht hin und wieder auch zur Tat schritten, dann könnte mensch sich so weit vielleicht verbiegen.

    Angesichts bitterer Realitäten ist die Gerichtsentscheidung nicht nachvollziehbar. Hoffentlich wird sie noch kassiert.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Vielleicht sollte man jetzt ein paar Plakate von ´Die Partei´dazu aufstellen.



    Der "Hier könnte ein Nazi hängen" Slogan sollte ja jetzt keine Probleme machen

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)
    • @95820 (Profil gelöscht):

      Justiz und Polizei waren 1933/34 treue Helfer der Nazis bei der Verfolgung der Linken -- und sicherten ihnen damit die Macht. Offenbar hat sich da in manchen Ecken der Republik wenig geändert.

  • Sachsen: Failed State!

  • Die sächsische Justiz sollte dringend mal vom Verfassungsschutz überprüft werden. Natürlich nicht vom Sächsischen.

    Wer mit einem eindeutigen Mordaufruf keine Probleme hat, hat offensichtlich ein Problem mit dem GG.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Vorsicht: Das Gericht hat indirekt gesagt, dass die Plakate, die über denen der Grünen hingen, sehr wohl Mordaufrufe waren. Nur halt nicht die, die weiter weg hingen. Quelle: openjur.de/u/2351944.html