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#PimmelgateLass' es, Andy!

Alexander Diehl
Kommentar von Alexander Diehl

Andy Grotes Problem ist, dass es wirkt, als gälten für ihn andere Regeln – als Polizeisenator und als Mann.

Nich lang schnacken: Andy Grote (SPD) krempelt die Hemdsärmel hoch Foto: Marcus Brandt/dpa

V iel hat Andy Grote einstecken müssen in dieser Woche, wobei: Darf man das in seiner Hörweite noch sagen respektive schreiben: „einstecken“, zumal es ja um Hohn geht und um Spott? Lassen wir es mal drauf ankommen – denn eine Lektion dürfte auch Hamburgs SPD-Innensenator mitnehmen aus den vergangenen Tagen: Manchmal ist es klüger, nicht über jedes, Pardon, Stöckchen zu springen.

Denn sie hat ihm zwar maximale Aufmerksamkeit beschert, die Sache mit dem Pimmel-Tweet. Die Polizei war ausgerückt, hatte im Stadtteil St. Pauli eine Wohnung durchsucht in aller Frühe, und das wegen, eben, eines Tweets, in dem der Senator als männliches Geschlechtsteil bezeichnet worden war – wenn auch weiß Gott nicht in der drastischsten vorstellbaren Weise. Oder war das Grotes Problem? Dass ein erwachsener Mann – und dann auch noch mit dem Nachnamen! – sich nicht mit so einem geradezu niedlichen Sandkastenwort bezeichnet sehen muss?

Nachdem die taz darüber berichtet hatte, zog die lokale, die nationale und – mit der Washington Post – sogar die internationale Presse nach: Unseren Andy kennt nun die Welt – allerdings lacht sie halt auch über ihn. Dass ihm der polizeilich verfolgte Pimmel, nein, Tweet nun anhängt, das wird er so bald nicht los, bis zu 20.000 Tweets widmeten sich am Donnerstag Grotes #Pimmelgate. Wenn er – oder sein Social-Media-Team – sich mal langweilen, können sie ja den Streisand-Effekt nachschlagen: Der bezeichnet, wie das versuchte Deckeln unliebsamer Informationen sein genaues Gegenteil bewirkt.

Frauen haben es schwerer

Er könnte sich stattdessen aber auch mit der Grünen-Politikerin Renate Künast unterhalten, die eine juristische Achterbahnfahrt erlebte, als sie gegen sehr viel drastischere Vokabeln vorging. Oder mit einer der vielen deutlich weniger prominenten Frauen, in deren Namen er den ganzen Verfolgungszirkus ja auch angestrengt haben will.

Denn Online-Hassrede oder auch Beleidigung per Geschlechtsteilbezeichnung sind reale Probleme, das stellt niemand in Abrede. Grotes Problem ist der partout nicht einfach wieder verschwindende Eindruck, für ihn gälten eben doch andere Regeln: weil er Polizeisenator ist und weil er kein Pimmel sein mag, aber nun mal einen hat.

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Alexander Diehl
Redakteur taz nord
Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.
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5 Kommentare

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  • Dass SPD-Politiker, von denen ganz viele nichts anderes können als SPD, in diesen Zeiten besonders sensibel reagieren, ist ja verständlich und wenn es dann noch um das heiligste Geschlechtsteil geht, bleibt ja so gar nichts mehr übrig bei diesem Zwerg. Nur was fängt diese Gesellschaft mit diesen verlierenden Typen noch an ?

  • taz: "Andy Grotes Problem ist, dass es wirkt, als gälten für ihn andere Regeln – als Polizeisenator und als Mann."

    Ein weiteres Problem ist auch, dass viele "Berufspolitiker" anscheinend schon den Bezug zur Realität verloren haben. Vielleicht sollte man für "abgehobene Politiker" das Scherbengericht der griechischen Antike wieder einführen, damit sie danach wieder "geerdet" sind. Wenn jemand wegen einem "Pimmel"-Wort sofort den Staatsanwalt einschaltet und Polizisten losschickt um eine Wohnung zu durchsuchen, dann wird es langsam wirklich kritisch - denn so ein Polizeieinsatz, wegen dem Kinderwort "Pimmel", ist und war nicht verhältnismäßig. Ob solche Politiker im 21. Jahrhundert (besonders in einer Demokratie) noch zeitgemäß sind oder eher eine Gefahr für die Demokratie darstellen, mag ich nicht zu sagen. Ich denke aber, dass derartige "Volksvertreter" eher nicht mehr ins 21. Jahrhundert gehören. Nun ja, wenigstens hat Andy Grote (SPD) es geschafft in der Washington Post erwähnt zu werden, denn jetzt wissen auch die US-Amerikaner, dass ein Hamburger Senator mit Namen 'Andy Grote' ziemlich humorlos ist. Tja, dumm gelaufen, kann man da nur noch sagen. Aber Politiker müssen ja auch nicht intelligent sein. Es reicht vollkommen aus, dass sie vom Bürger gewählt werden, Bei Andy Grote sollte der Hamburger Bürger bei der nächsten Wahl allerdings überlegen, ob man sich solche Politiker in einer Demokratie (Art. 20 GG) wirklich noch "leisten" kann.

    • @Ricky-13:

      Als Wählerin kann ich mir leider die Pimmel auf der zweiten Bank nicht aussuchen bzw. wählen! 😂

      • @Rossignol:

        Bis jetzt "glänzte" Andy Grote (SPD) in Hamburg nur durch eine Corona-Party-Affäre und eine umstrittene Hausdurchsuchung wegen Beleidigung. Obwohl man von 'Beleidigung' hier nicht einmal ausgehen kann, denn das Wort "Pimmel" ist in Hamburg eher ein harmloses 'Sandkistenwort' von kleinen Kindern. Mal sehen, wie lange der Erste Bürgermeister von Hamburg - Peter Tschentscher - sich die Eskapaden von Andy Grote noch anschauen wird.

  • Namen für Songs oder Filme: Andy, The Pimmel. Andy Pimpernell (hahaha). Pimmel Number 1.



    Tja, wird Zeit, daß ich mal wieder Brooklyn Nine Nine gucke.