Künast-Urteil teilweise revidiert: Na bitte, geht doch
Die Beleidigungen Renate Künasts werden endlich als solche anerkannt. Trotzdem fällt es schwer, sich über diesen Teilerfolg aufrichtig zu freuen.
S ieh mal einer an: Das Berliner Landgericht hat das Offensichtliche bestätigt. Wenigstens teilweise. Obszöne Beleidigungen, die die Politikerin Renate Künast im vergangenen Jahr zur Anzeige gebracht hatte, sind – nach Künasts Widerspruch – jetzt doch genau dies: Beleidigungen.
Das Gericht hat nun mitgeteilt, dass die erniedrigenden Kommentare zu einem Facebook-Post der Grünen-Frau im Lichte höchstrichterlicher und verfassungsrechtlicher Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit nochmals geprüft worden seien. Und siehe da: In 6 von 22 Fällen werden – anders als in einem Beschluss vom September 2019 – tatsächlich Beleidigungen erkannt. Na bitte, geht doch.
Gleichwohl fällt es schwer, sich über diesen Teilerfolg aufrichtig zu freuen. Dass Renate Künast überhaupt gegen den zuvor ergangenen Beschluss vorgehen musste, hätte man kaum für möglich gehalten. Das war aber leider nötig. Die RichterInnen konnten seinerzeit einfach nichts wirklich Schlimmes daran finden, dass eine Person des öffentlichen Lebens von Unbekannten sexistisch und in menschenverachtender Weise herabgewürdigt und eingeschüchtert wird.
In dem Beschluss vom September 2019 war zu lesen gewesen, es handele sich um zulässige Meinungsäußerungen. „Von einer Schmähung kann nicht ausgegangen werden, wenn die Äußerungen im Kontext einer Sachauseinandersetzung stehen.“
Die Begründung ließ sich ohne weiteres als Freibrief für gewaltverherrlichende Frauenverachtung lesen. Dass Renate Künast sich weder vom anonymen Hass der anderen noch von dessen Bagatellisierung durch ein Gericht hat einschüchtern lassen – das ist eigentlich die gute Neuigkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Habeck fordert Milliardärssteuer
Wer glaubt noch an Robert Hood?
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
Vorteile von physischen Spielen
Für mehr Plastik unterm Weihnachtsbaum
Gründe für das Aus der SPD-Kanzler
Warum Scholz scheiterte