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Pilotprojekt in der SchweizSolarmodule im Gleisbett

In der Schweiz versucht eine Firma, Solarmodule zwischen Bahnschienen zu montieren. Die Probleme will das Unternehmen gelöst haben.

Sollen erstaunlich widerstandskräftig sein: Solarmodule im Gleisbett Foto: sunways

Freiburg taz | Das Schweizer Start-up Sun-Ways hat im Kanton Neuenburg eine Photovoltaikanlage in Betrieb genommen, deren Module sich zwischen Bahnschienen befinden. 48 Module je 380 Watt hat das Unternehmen verbaut und will nun beweisen, dass sich auch die Flächen im Gleisbett zur Stromernte nutzen lassen.

Die 100 Meter lange Solarstrecke kommt auf eine installierte Leistung von 18 Kilowatt und soll jährlich 16.000 Kilowattstunden erzeugen; sie befindet sich auf der Linie 221 der Neuenburger Verkehrsbetriebe TransN in der Nähe des Bahnhofs in Buttes.

Um die Module schnell ausbringen und bei Gleisarbeiten auch wieder unkompliziert einsammeln zu können, hat das Unternehmen zusammen mit der Hochschule École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) ein besonderes Befestigungssystem entwickelt.

Es ermöglicht einem Spezialzug, die Platten zügig auf dem Gleisbett zu platzieren. Bis zu 150 Solarmodule, also etwa 300 Meter, ließen sich in einer Stunde verlegen, heißt es bei Sun-Ways.

Verschmutzung soll kein großes Problem sein

Der Spezialzug wurde von der schweizerischen Scheuchzer AG konstruiert, einem Unternehmen, das Maschinen für die Instandhaltung von Gleistrassen entwickelt und herstellt. Die Standardfrage, mit der sich Sun-Ways-Gründer Joseph Scuderi immer wieder konfrontiert sieht, betrifft die Verschmutzung der Photovoltaikmodule durch den Bahnbetrieb.

Natürlich müssten die horizontalen Solarplatten häufiger gereinigt werden, räumt der Unternehmer ein. Aber das sei kein Problem, schließlich könne man die Module durch Züge während der Fahrt mit zylindrischen Bürsten reinigen.

Dass die Lebensdauer der Module durch die ständigen Vibrationen aufgrund des Zugverkehrs leiden könnte, hält Scuderi für eher unwahrscheinlich: „Anders als man vielleicht denken könnte, ist ein hochwertiges Solarmodul relativ widerstandsfähig.“

Sun-Ways habe trotzdem vor der Installation jedes Modul einem Elektrolumineszenztest unterzogen, der auch kleinste Fehler, wie Mikrorisse oder schlechte Lötstellen sichtbar macht. So könne man später die Auswirkungen der Zugvibrationen auf die Paneele exakt beurteilen.

Erster Anlauf war gescheitert

Die Kosten des Pilotprojekts beziffert das Start-up auf 585.000 Schweizer Franken, was aktuell gut 620.000 Euro sind, also fast 35.000 Euro pro installiertem Kilowatt. Eine konventionelle Anlage ist mit Kosten zwischen 1000 und 1800 Euro pro Kilowatt natürlich erheblich billiger, doch die Firma verweist auf die Anlaufkosten durch technische Gutachten und Sicherheitsexpertisen.

Der Start war herausfordernd. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hatte die Pläne im ersten Anlauf im Jahr 2023 noch abgelehnt; erst eine Überarbeitung des Sicherheitskonzepts brachte nach insgesamt zwei Jahren Vorarbeit im vergangenen Herbst die Zulassung.

Das BAV wollte natürlich sichergestellt sehen, dass sich keine Platten lösen und dass die Schienen nicht durch die Module verformt werden können. Auch gab es Befürchtungen, die Lokführer könnten durch Reflexionen geblendet werden.

Sollte sich das System etablieren, strebe man „mittelfristig“ Stromgestehungskosten von acht Cent pro Kilowattstunde an, erklärt Unternehmer Scuderi.

Das theoretische Potenzial sei groß: Auf 5000 Kilometern Bahngleisen in der Schweiz könnten rund eine Milliarde Kilowattstunden jährlich erzeugt werden. Wie realistisch diese Vision ist, wird man in drei Jahren besser beurteilen können – so lange soll die Technik nun unter realen Bedingungen getestet werden.

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17 Kommentare

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  • Das sieht mutmaßlich sehr nach einem Flop aus. Und gerade in Deutschland haben wir gigantische (!) Flächen, an denen in den 70ern und 80ern noch Industrie stand. Platz genug für viel effizientere Solarfelder. Weizen und Spargel baut man ja auch nicht bei der DB an.

  • Erst mal ein wieder überhaupt funktionierendes Schienennetz.



    Wir könnten doch bis dahin - ohnehin aus Klimagründen bald obsolete - Autobahnspuren umwidmen.

  • Extra stabile und damit extra teure Module notwendig, extra Reinigungen notwendig, extra Streckensperrungen bei Reparaturen und sonstigen Servicearbeiten notwendig. Im Bereich der vielen Balisen für das ETCS keine Module möglich, auch nicht im Bereich von Weichen und Brücken. Aufwendiges Verlegen und Ausleiten der Stromkabel notwendig.

    In der Schweiz schielt man offensichtlich nach einer optisch schönen Lösung. Die Kosten.Nutzen-Rechnung dürfte in diesem Fall aber reichlich schlecht ausfallen. Im Unterschied hat die Schweiz derzeit nur 47 Windkraftanlagen, obwohl oben auf den Bergen der Wind immer weht. Die wären zwar äußerst effektiv aber leider auch gut sichtbar.

    • @Mopsfidel:

      Wer Solar hasst, wird immer eine Möglichkeit finden, zu kritisieren.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Wer Symbolpolitik für wichtiger hält als eine funktionierende Bahn, wird immer eine Möglichkeit finden, das auszuleben...

  • Viel Glück. Wenn das klappt, würde sich der Schienennetzausbau hierzulande noch ein kleines bisschen mehr lohnen!

  • Es gibt mehr als genug leere Dachflächen und große unüberdachte Parkplätze auf denen man mit bewährter Technik Solarmodule installieren kann. Beides sind Orte die im Vergleich zum Gleisbett weit weniger Probleme mit sich bringen und weit weniger Wartung benötigen; für Jahre, Jahrzehnte wenn nicht gar bis zum Ende der Lebensdauer der Module. Es ist schade dass die taz hier eigentlich nur aus dem Pressematerial von Sun-Ways zitiert.

    EEVBlog hat Videos mit dieser und mehr Kritik nicht nur zu Solarmodulen zwischen Eisenbahngleisen sondern auch als Belag für Gehwege, Radwege oder sogar Straßen www.youtube.com/pl...PUSOPgsujUdq1c5Mr9

    • @Thomas Koll:

      Parkplätze sind sowieso meist ökologisch und ökonomisch ein massives Minus für die Gesellschaft - dann wenigstens Solar drüber, wenn es Sonnenflächen sind.

  • Wäre der Bahndamm nicht wesentlich günstiger und effektiver?

    • @Hans Dampf:

      Schotter? Schräge? Ohne es wirklich zu wissen.

      Ich würde ansonsten mit Parkplätzen, Dächern, obsoleten Autobahnspuren beginnen

  • Wir sollten das in Deutschland auch testen. Schließlich haben wir ca. 40000km Bahngleise.

    • @Aurego:

      Warum testen? Einbauen und nutzen. Wenn die extremen Sicherheitsauflagen der Schweizer erfüllt werden und die Module dort in einem Reallabor gestestet werden, ist das bei uns allemal sofort nutzbar. Schließlich schweben die Züge in der Schweiz - wogegen sie bei uns noch die alten bekannten Fahrgeräusche fabrizieren und zudem immer zu spät sind. Das könnte dann zu mehr effektiven Sonnenstunden führen, oder?

    • @Aurego:

      40tsd Kilometer Bahngleise, dem gegenüber stehen verschwenderische 160 Millionen PKW Stellplätze mit einer Länge von ~6 Metern und einer doppelten Breite. Es gibtin etwas 50 Mal soviel Parkplatzfläche im Verleich zu Bahngleisen, Flächen von denen machen schon jahrelang mit Solarmodulen überbaut sind, man also vorhandene Technik und Erfahrungen einfach im größeren Maßstab ausrollen kann.

      • @Thomas Koll:

        Alle Parkplätze mit Solardächern ausstatten? Das wäre was. Unten ist es schattig und trocken und oben wird Strom produziert. Eine Win-Win-Situation!

  • Interessante Idee, funktioniert aber nur bei komplett geschlossenen Toilettensystemen!-)

    • @vieldenker:

      Im Gegenteil, soll doch jeder Zug mit einer rollenden Bürste ausgestattet sein, um die Module zu fegen.



      Oder eben nass wischen.



      Was ich aber nicht verstehe, dass hier sofort die Stimmen laut werden, die schreien, es wäre unmöglich.



      Das ist ein Test, Leute.



      Ein Test ist dafür da, herauszufinden, was wirklich unmöglich ist. Würden wir immer nur auf die Unken hören, würde sich gar nichts zum besseren entwickeln.



      Und Solarmodule zwischen den Gleisen würden es nicht schwieriger machen, an anderen Stellen Solarparks aufzubauen.

  • Ein spannendes Projekt!