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Pflegeroboter in SeniorenheimenGesteigertes Wohlbefinden

Ein Kieler Projekt zeigt, dass Pflegeroboter in Seniorenheimen die Laune der Be­woh­ne­r:in­nen verbessern. Aber Menschen ersetzen können sie nicht.

Hilft auch beim Nachmittagskaffee: der Kieler Pflege­roboter Charlie Foto: FH Kiel

Sein Name ist Charlie, und er will nur helfen: Der humanoide Roboter mit den großen Augen und dem kindlichen Mündchen war für eine Studie in Pflegeheimen in Schleswig-Holstein im Einsatz. In einer dreijährigen Pilotphase konnten Forschende nachweisen, dass solche mechanischen Helfer die mentale und physische Gesundheit von Heim­be­woh­ne­r:in­nen fördern können. Charlie ist nicht der einzige seiner Art: Immer mehr Roboter werden im Pflegebereich eingesetzt. Aber ihre Möglichkeiten sind – zumindest bisher noch – begrenzt.

Charlie tanzt auf der Stelle, hebt und senkt die Arme. Neben ihm machen zwei ältere Frauen die Übungen nach, so zu sehen auf der Homepage des Robust-Projekts. „Robust“ steht für „Robotik-basierte Unterstützung von Prävention und Gesundheitsförderung in stationären Pflegeeinrichtungen“. An der Studie beteiligt sind die Fachhochschule Kiel, die Gesellschaft für digitalisierte und nachhaltige Zusammenarbeit Siegen (DNZ), die Diakonie Schleswig-Holstein, in deren Pflegeheimen Charlie und seine Kollegen mitarbeiten konnten. Hinzu kommen die Ersatzkassenverbände in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, die das Projekt maßgeblich finanziert haben.

Die App mit den Bewegungsübungen war das am häufigsten genutzte Programm des Roboters, gefolgt von einer „Jukebox“ mit Schlagern, klassischer Musik und einem Quiz. Anfangs seien einige Pflegekräfte skeptisch gewesen, hätten nicht gewusst, wie der Roboter des Modells „Pepper“, das auf Rollen läuft und die Größe eines Kindes hat, bei den Be­woh­ne­r:in­nen ankommen würde.

Doch nach kurzer Zeit zeigte sich, dass die Pflegebedürftigen die Zeit mit Charlie durchaus genossen und sogar messbar profitierten: „Charlie und die anderen Roboter konnten die Se­nio­r:in­nen sowohl körperlich als auch kognitiv aktivieren. Der Einsatz steigerte nachweislich das Wohlbefinden“, sagt Gaby Lenz, Professorin für Soziale Arbeit an der FH Kiel. Der Roboter sorgte für Spaß, mehr Bewegung und weniger Einsamkeit. Die beteiligte Diakonie Nord-Nord-Ost hat Spendengelder gesammelt, um nach der Pilotphase einen eigenen „Charlie“ zu kaufen. Ein 300 Seiten starker Abschlussbericht ist als Handreichung für andere Pflegeheime im Netz abrufbar.

Bislang sind Roboter keine Lösung für den Pflegenotstand, aber wertvolles Hilfsmittel

Roboter sind schon länger in Pflegezimmern und Krankenhausfluren angekommen – allerdings sehen die meisten nicht so menschenähnlich aus wie das Pepper-Modell „Charlie“. Kastenförmige „Scheuersauger“ oder rollende Tablettständer, wie sie auch in Restaurants eingesetzt werden, können als Putz- oder Servierhilfen den menschlichen Pflegekräften Arbeit abnehmen.

Auch direkt am Pflegebett sind die Maschinen einsetzbar: Der japanische „Robear“ mit einem aufgemalten Bärengesicht bringt 140 Kilo auf die Waage und kann einen Menschen heben und tragen. Greifhände besitzt er nicht, dafür sind seine Arme weich gepolstert.

Ein deutsches Projekt wiederum, das zeitweise von der Bundesregierung gefördert wurde, ist ein Roboter-Bett, das sich aufrichten und so einen Pflegebedürftigen mobilisieren kann. Auch als Gesellschafter kommen Roboter zum Einsatz. In Japan ist bereits seit den 1990er-Jahren die mechanische Plüschrobbe „Paro“ im Einsatz, mit der Demenzkranke kuscheln können. Inzwischen ist „Paro“ mit KI ausgestattet, kann Reaktionen speichern und individuell reagieren.

Dennoch seien die Fähigkeiten der mechanischen Helfer bisher noch zu eingeschränkt, um menschliche Pflegekräfte zu ersetzen, sagt Oliver Bendel, Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik der Fachhochschule Nordwestschweiz und Autor des Buches „Pflegeroboter“, in einem Interview mit dem Fachblatt „Demenz-Zeitung.de“. Zudem seien meist nur Prototypen und Kleinserien im Einsatz, mit entsprechend hohen Preisen.

Diese Diskrepanz brachte auch das französische Unternehmen Aldebaran Robotics in Schwierigkeiten, das „Pepper“ und den zweibeinigen humanoiden Roboter „Nao“ entwickelt hat. Bereits 2022 wurde Aldebaran an die deutsche United Robotics Group verkauft. Im Februar 2025 meldete das Unternehmen Insolvenz an. Mehrere Medien berichten über die Folgen für die „Pepper“- oder „Nao“-Roboter, die bereits irgendwo im Einsatz sind: Wenn Aldebaran die Software nicht mehr erneuert, könnte es zu Problemen im Einsatz kommen. Im Juli stieg der chinesische Konzern Maxvision bei Aldebaran ein.

Eine Lösung für den Pflegenotstand seien die technischen Kollegen bisher also nicht, sagte Bendel. Dennoch sieht er auf mittlere Sicht die Roboter als „wertvolles Werkzeug, von dem Pflegekräfte wie Pflegebedürftige profitieren“. Angst brauche niemand vor ihnen zu haben: „Im Moment ist unser Bild von Robotern stark von Science-Fiction-Büchern und -Filmen geprägt, und wir nehmen sie in Europa eher als Bedrohung wahr. Das ist sehr schade“, so der Fachmann.

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2 Kommentare

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  • Solange Charlie mir nicht meinen Anteil an Gebäck klaut, kann er am Tisch bleiben.

  • "Angst brauche niemand vor ihnen zu haben: „Im Moment ist unser Bild von Robotern stark von Science-Fiction-Büchern und -Filmen geprägt (...)."

    I don't know, man. Figures Helix und Boston Dynamics Atlas, die Fortschritte die Nvidia und Google bei Weltsimulationen machen und auch der allgemeine Trend der letzten Jahre im Bereich AI (Stichwort: AI2027) lassen einen daran Zweifel, ob wir nicht schon im SciFi leben.

    Eine Idee für einen Artikel den man vom Sofa schreiben kann: KI-Profs. in Deutschland anfragen, wie sie das Alarmschlagen von Hinton und Bengio sehen. ;)