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Petersburger Dialog im GeheimenStegner verteidigt Gesprächskontakte nach Russland

Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner traf mit ehemaligen SPD- und CDU-Politikern in Baku russische Vertreter. Dafür erntet er nun scharfe Kritik.

Steht wegen Gesprächen mit russischen Vertretern in Baku in der Kritik: der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner Foto: imago

Berlin dpa | Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner wehrt sich gegen Vorwürfe im Zusammenhang mit einer Reise nach Baku in Aserbaidschan zu Gesprächen mit russischen Vertretern. „Zu den Grundsätzen guter Außenpolitik gehört es, dass auch und gerade in schwierigen Zeiten von zunehmenden Spannungen, Konflikten und Kriegen, Gesprächskontakte in alle

Teile der Welt und auch nach Russland aufrechterhalten werden sollten“, schrieben Stegner, der frühere SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck sowie die früheren CDU-Politiker Ronald Pofalla und Stefan Holthoff-Pförtner in einer gemeinsamen Erklärung. Zuvor hatte das ARD-Magazin „Kontraste“ in einer gemeinsamen Recherche mit der „Zeit“ über das Treffen am 14. April berichtet.

Stegner sagte der dpa, er sei erstaunt, dass die Kritik so polemisch und unsachlich sei. „Und dass einem Dinge unterstellt werden, für die man eigentlich keinen Anlass bietet.“ Dass man gerade als Mitglied des parlamentarischen Kontrollgremiums vorsichtig sei, sei doch selbstverständlich. Es sei nicht um Geheimverhandlungen gegangen. „Es ist doch wichtig, dass man überhaupt noch Gesprächskontakte hat.“ Gar keine Kontakte zu haben, heiße auch, gar keinen Einfluss zu haben.

Stegner: Keine materiellen oder wirtschaftlichen Interessen

Er sei kein Regierungsvertreter, sondern frei gewählter Abgeordneter, betonte Stegner. „Kontakte zu haben, ist etwas Gutes und das muss nicht diskreditiert und diffamiert werden.“

Es habe keine materiellen oder wirtschaftlichen Interessen gegeben, hieß es in der Erklärung. „Begegnungen wie die vom 14.4.2025 beruhen auf privater Initiative und werden informell organisiert und finanziert.“ Sicherheitsrelevante oder gar geheime Informationen wurden weder ausgetauscht noch hätten sie auf andere Weise abgeschöpft werden können.

Kritik von CDU, Grüne und FDP

Das Geheimdienstkontrollgremium warne intensiv vor der hybriden Einflussnahme Russlands gegen Deutschland und insbesondere auch relevante Multiplikatoren und Entscheidungsträger, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Roderich Kiesewetter (CDU), dem „Tagesspiegel“. „Deshalb wird sich Herr Stegner hier einige Fragen gefallen lassen müssen.“

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, kritisierte, Stegner handele „mindestens grob fahrlässig“. Der SPD-Politiker sitze seit vier Jahren im Parlamentarischen Kontrollgremium und werde regelmäßig von den deutschen Nachrichtendiensten über ihre Arbeit informiert. „Durch seine Zugänge zu höchst sensiblen Informationen ist er offensichtlich für den Kreml von größtem Interesse“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Jemand, der durch sein Verhalten dazu beiträgt, darf diesem Gremium nicht weiter angehören.“

Auch die FDP-Europaabgeordnete Agnes Strack-Zimmermann forderte Medienberichten zufolge, dass Stegner nicht wieder Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium werden dürfe.

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16 Kommentare

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  • Danke Herrn Stegner & Co. für euren Mut! Ihr rennt nicht einem Leitwolf hinterher, sondern geht euren eigenen Weg. Russland ist mehr als Putin! Und Deutschland hat neben der Meinung von Herrn Merz, auch noch andere Meinungen. Demokraten halten so etwas aus, andere leider nicht.

  • Ich kann so ein verhalten nicht verstehen, zumal Stegner einen viel besseren Einblick hat als jeder andere von uns, zumal das als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Bei der Bundeswehr gibt es den Geheimnisträger, von dem man verlangt und das zurecht, das sich die Person auch entsprechend verhalten muss. Das Stegner das gut gemeint hat das möchte ihn nicht absprechen aber intelligent ist so ein verhalten ganz sicher nicht, sondern gedankenlos und fahrlässig.

  • Ob Stegner zu den "Abweichlern/Abtrünnigen" bei der Kanzlerwahl



    zählt ?

    • @Michael Balser:

      Anzunehmen. Noch im Frühjahr 2025 hat er sich in der faz namentlich dazu bekannt, Merz nicht zum Kanzler zu wählen.

    • @Michael Balser:

      Bei der Diskussion der Merzpleite vor einigen Tagen hat jemand gepostet, dass er auch im Fall Simonis (Heidemörder) mit abgestimmt hat.... fand ich interessant

  • Man sollte mit Russland genauso verfahren wie damals mit den USA beim völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der USA auf den Irak. Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen, keine Gespräche mehr mit der Führung.

    • @drafi:

      Ja, der Angriff der USA auf den Irak ist mit der Spezialoperation Russlands in der Ukraine absolut gleichzusetzen.

  • "Kontakte zu haben, ist etwas Gutes!" Das nennt man wohl Chuzpe! Wahrscheinlich fliegt er dann nächste Woche nach Nordkorea und in den Iran!..!

    • @Peter Wenzel:

      Deutschland hat sowohl mit dem Iran als mit Nordkorea diplomatische Beziehungen, die sich vermutlich nicht auf offizielle Treffen beschränken, sondern auch auf solchen informellen Kanälen beruhen. Der Ärger über Stegner folgt einem bekannten Drehbuch: man skandalisiert das Gewöhnliche, in diesem Fall auch noch ohne zu fragen, welcher Schaden dadurch eigentlich entstanden ist (im schlimmsten Fall sind solche Gespräche erfolglos).

  • Im Kreml knallen vielleicht keine Sektkorken, freuen wird man sich über die Aktion der Herrschaften aber schon. Es gibt Streit und Unruhe in der deutschen Politik und einem Teil der Öffentlichkeit, also genau das, was der Kreml erreichen möchte.



    Interessant wäre es, zu wissen, mit wem sich getroffen wurde und ob ggf. Sanktionen unterlaufen wurden, dann wären entsprechende Strafen notwendig.



    Es ist erschreckend, wie naiv manche Politiker nach mehr als 10 Jahren Besetzung der Krim und hybrider Kriegsführung mit Repräsentanten des Putin-Regiems umgehen. Stegner und allen anderen Teilnehmern sollten bis zur vollständigen Klärung des Sachverhalts vorsorglich alle Sicherheitsfreigaben entzogen werden.



    Mit Putin und seinen Handlangern verhandelt man nicht, sonder man verhandelt bestenfalls in Den Haag über sie.

    • @Flix:

      Man könnte sich natürlich nach drei Jahren Krieg auch die Frage stellen, wie realistisch der Traum vom großen Sieg über Russland noch ist. Wenn man nüchtern auf die Fakten blickt, ist es eher naiv zu glauben, man könnte auf solche Gespräche verzichten und würde Putin irgendwann in Den Haag sehen. Zu klären gibt es an diesem Sachverhalt ohnehin nichts: Die Bundesregierung war über die Reise ja informiert, lediglich die Öffentlichkeit nicht (und das ist im Falle internationaler Diplomatie eher gängig).

    • @Flix:

      Mit Feindbildern lebt es sich eben nur eindimensional

  • Ein Politiker, der einfach seinen Job macht und Diplomatie betreibt? Wo kämen wir denn da hin?

    • @Thomas Raukamp:

      Zu jemandem, der die Außenpolitik der eigenen Regierungspartei ganz offen untergräbt.

  • "Auch die FDP-Europaabgeordnete Agnes Strack-Zimmermann forderte Medienberichten zufolge, dass Stegner nicht wieder Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium werden dürfe."

    Zumindest nicht Mitglied im PKG des Bundestags, die Duma würde sich vielleicht anbieten.

  • Die Grünen zeigen immer wieder, das sie es längst auf die "staatstragende" Seite geschafft haben.