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Pay Gap zwischen Ost und WestDer Ostdeutsche ist abgehängt

Kommentar von Inga Kunze

Mehr als nur Klischee: Zwischen Ost und West besteht nach wie vor ein großer wirtschaftlicher Unterschied. Kommentar einer jungen Thüringerin.

Leerstand in Geras Stadtteil Bieblach-Ost, Anfang Juli 2024 Foto: Jacob Queißner

A ls Ossi hat man häufig noch das Klischee der reichen Westdeutschen im Kopf. Wie Frau am Pool vor Bauhaus-Eigenheim liegt und auf Mann im Anzug wartet. Ein zugespitztes Bild. Trotzdem birgt es ein Stück Wahrheit in sich.

Das reichste Prozent besitzt in Westdeutschland durchschnittlich viermal so viel wie vergleichbare Haushalte in Ostdeutschland. Ähnlich ist es bei der ärmeren Hälfte der Bevölkerung: durchschnittlich 24.000 Euro gegenüber 12.000 Euro. Wenn dann gerne (westdeutsche) Medien behaupten, der Ostdeutsche fühle sich abgehängt, übersehen sie einen Punkt: Er ist es auch.

Ostjugend-Dossiers

Der Text ist aus einem zu den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Rahmen eines Online-Workshops der taz Panter Stiftung entstandenen Ostjugend-Dossier, das durch Spenden finanziert wird: taz.de/spenden

Nicht nur Leistung und Berufsabschluss bestimmen die Gehaltshöhe. Rund 800 Euro hängen davon ab, ob mein Heimatbundesland seit 34 Jahren zur Bundesrepublik gehört oder schon länger. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst lag 2023 im Westen bei 4.578 Euro, im Osten bei 3.754 Euro.

Niemand hat diesen Unterschied so festgelegt, er hat sich entwickelt. Von den Top-500-Unternehmen sitzen lediglich 42 in Ostdeutschland. Selbst bei denen haben die hohen Posten hauptsächlich Westdeutsche inne. Nach dem Elitenmonitor, einem Forschungsprojekt der Universitäten Leipzig und Jena und der Hochschule Zittau/Görlitz, sind 12 Prozent der gesamtdeutschen Führungspositionen von ostdeutschen Personen besetzt.

800 Euro, die den Unterschied machen

Genau diese Ungerechtigkeit sorgt für Frust und Enttäuschung, denn die 800 Euro entscheiden, ob das Kind studiert und eine der wenigen ostdeutschen Führungspositionen besetzt. Ob die Fachkraft in Thüringen bleibt oder doch lieber nach Hessen geht. Wie krisenfest die Familie ist und wie gut sie steigende Energiepreise ausgleichen kann.

Auch wenn es traurig ist: Geld entscheidet über Lebensqualität und Lebenschancen. Genau diese werden durch die 800 Euro Unterschied eingeschränkt. 34 Jahre haben gezeigt, dass es der Markt nicht regelt. Es braucht Mut zuzuhören, aber auch zu handeln. Denn Politik über die Köpfe der Menschen hinweg kennen die Ostdeutschen zur Genüge.

Inga (20), Jenenserin, hat den Wanderweg Saale-Horizontale lieben gelernt und diskutiert (viel zu) häufig über die Ossi-Perspektive.Jacob Queißner, 24 Jahre alt, ist im ostthüringischen Gera geboren und aufgewachsen. Nach einem Volontariat und Fernstudium zum Fachjournalisten für historischen Motorsport, ist er während der Corona-Pandemie in seine Heimatstadt Gera zurückgekehrt, um hier als Journalist und Fotograf aktiv zu sein.

FOTO: Jacob Queißner (24) ist im ostthüringischen Gera geboren und aufgewachsen. Nach einem Volontariat und Fernstudium zum Fachjournalisten für historischen Motorsport, ist er während der Corona-Pandemie in seine Heimatstadt Gera zurückgekehrt, um hier als Journalist und Fotograf aktiv zu sein.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Durchschnittliche Vermögen und Einkommen sagen isoliert wenig über Gründe und Strukturen aus. Ebenso wie selektive Daten in einem Meinungsbeitrag Hinter den Vermögen mögen jahrzentelange Facharbeiter:innenbiographien liegen, vielleicht aber auch Erbschaften. Erbschaften sind ohnehin ungleich verteilt, große Erbschaften gibt es im Osten fast gar nicht.



    Das Thema ist wichtig, mehr Gleichheit und Teilhabe mehr als wünschenswert (die revolutionäre Morgenröte sehe ich leider nicht am Horizont). Nur scheint mir das Thema nicht angemessen für einen Kommentar, sondern für einen recherchierten Beitrag.

  • Aus den 800 EUR wird alleine nach dem Abzug des Unterschieds in der durchschnittlichen Miete 400 EUR.

    de.statista.com/in...n-in-ost-und-west/

    Und dann sind die anderen Lebenshaltungskosten, die im Osten günstiger sind, noch nicht abgezogen.

  • Wie ist der Vergleich der neuen Bundesländer zu den anderen Staaten des Ostblockes die zur selben Zeit frei wurden ? Wenn die jetzt besser dastehen dann kann man wirklich jammern.

  • Erzählt man so etwas Konservativen, dürfen die öffentlich äußern, dass sie das nicht glauben!!! Hört hört.



    Dem gegenüber steht dennoch eine im Durchschnitt niedrigere Produktivität, was zu höheren Lohnstückkosten führt. Andererseits sind die niedrigen Löhne aber auch geringere Nachfrage und damit ein Teil der rezessiven Wirtschaftslage. Auch das wollen die Konservativen nicht begreifen.



    Was also tun? Es braucht gigantische Investitionsprogramme in die üblichen Verdächtigen: Infrastruktur, Bildung etc. Man braucht starke Gewerkschaften und leistungsfähige Unternehmen in der Industrie.



    Und nein, es gibt keinen generalisierten Fach- und Arbeitskräftemangel- das gibt die Statistik gar nicht her. Aber auch das wollen Konservative wider den Zahlen nicht glauben.

  • Neben dem Ost-West-Gefälle gibt es ja auch noch das erkläckliche Nord-Süd-Gefälle.

  • Frage: Ist der Westen jetzt schuld, dass der Wohlstand im Osten noch immer hinterher hinkt?



    Tipp: Bald sind Wahlen, mit der AfDummheit wird es ganz sicher nicht besser.

  • Halte ich für ein Gerücht, dass der Ossi abgehängt ist, in Sachsen auf jeden Fall nicht. Wenn ich durch die sächsischen/Thüringer Innenstädte gehe, bin ich einfach nur erstaunt, wie schön alles ist. Und die Leute kommen auch gerne wieder zurück. Und ich kenne KEINEN, der Leipzig /Dresden Richtung Essen, Frankfurt etc. eintauschen möchte. Ich glaube, dass dies eine Mär ist, die erzählt wird, um zu erklären, warum die AFD-Ergebnisse so ausfallen, wie sie ausfallen. Diese sogenannte Abgehängtheit ist nicht der Grund dafür. Und....... Ich als Schwuler fühle mich selbst in Ekel-Pirna sicherer als in Neukölln bzw. Gesundbrunnen.

  • Das mag ja alles stimmen, aber die Aufteilung in West und Ost verschleiert mehr als sie erklärt. Lösungen, Lösungsideen oder politische Strategien ergeben eher Sinn, wenn Bruttoeinkommen, z.B. 35000 im Jahr egal wo analysiert werden und Ursachen, egal ob Nord oder Süd angeschaut werden, warum das Einkommen auf diesem Level realisiert wird. Dann, na vielleicht kommen wir aus dem Ungerechtigkeitblues nach Himmelsrichtungen gedacht heraus.

  • Da würde mich jetzt interessieren, wie das aus Sicht einer jungen Ostdeutschen jetzt „geregelt“ werde sollte. Bei den staatlichen Zahlungen kann ich mir das ja noch vorstellen, aber im privatwirtschaftlichen Bereich ist das ja eher eine Frage der Tarifpartner, ob in Gelsenkirchen, Garmisch, oder Gotha. Und bei den Führungskräften wäre staatlicherseits ja letztlich nur eine verbindliche „Ostquote“ als Handlungsoption gegeben. Kann man machen, meinetwegen auch in Verbindung mit diversen anderen geforderten Quoten. Ob‘s was bringt, wird man sehen. Könnte allerdings auch schnell zu neuen Problemen führen.

  • Und?

    Was soll also geschehen? Soli bis zum Gleichstand? Nach dem Ende der DDR lag die Wirtschaft dort weitgehend brach. Der "Westen" investierte 2 Billionen Euro.

    Anscheinend nicht genug. Im Osten fehlten eben Jahrzehnte der kapitalistischen Dynamik, das kann man nicht eben mal aus dem Hut zaubern.

    • @Jim Hawkins:

      "Der "Westen" investierte 2 Billionen Euro."



      Es wurde steuerbegünstigt der Immobilienkauf durch Westdeutsche gefördert. Die Sanierung von Innenstädten ist positiv, aber keine Wirtschaftspolitik. Beides wird als Investition in die Wirtschaft verbucht, ist es aber nicht. Der Osten wurde dem "Markt" überlassen, die Folge war ein wirtschaftlicher Einbruch.



      " Im Osten fehlten eben Jahrzehnte der kapitalistischen Dynamik,"



      falsch, im Osten sieht man genau die 30ig-jährige Dynamik des Kapitalismus . Kapitalismus hat kein ureigenes Interesse an gesellschaftlichem Aufbau, die Auswirkungen auf die Gesellschaft sind bestenfalls zufällig, aber keineswegs eine Garantie für Aufschwung.

      • @nutzer:

        Nachtrag: die Auswirkungen von 40 Jahre Sozialismus könnte man 1989 sehen – nicht mal die Angst vor den sowjetischen Panzern hielt die Leute noch vom Demonstrieren ab.

      • @nutzer:

        Nicht nur die Innenstädte wurden saniert, auch die Infrastruktur wurde auf – ja – Westniveau gehoben. Und dass der Osten dem Markt überlassen wurde war nicht zuletzt eine Entscheidung, die aus der Volkskammerwahl 1990 folgte. Die, die es langsam angehen wollten und einen kontrollierten Übergang planten, waren in der Minderheit, der Anschluss nach Art. 23 hatte klar die Mehrheit. Konnten die damaligen Wählerinnen und Wähler wissen das so kommt? Schwierig, ziemlich sicher wollten sie es jedenfalls nicht wissen. Und ob der andere Weg tatsächlich besser funktioniert hätte, ist genauso fraglich: dass dann viele in den Westen rüber gemacht hätten, weil sie nicht länger auf das Konsumangebot der Marktwirtschaft verzichten wollten, kann als wahrscheinlich gelten.

      • @nutzer:

        Es wurde flächendeckend und massiv in die Infrastruktur im Osten investiert (den Status quo habe ich im Sommer 1990 mit dem Fahrrad besichtigt), und das auf Kosten der Infrastruktur im Westen.



        Es wurden gigantische Summen für die Beseitigung des Erbes der DDR-Industriepolitik ausgegeben (beispielsweise in der Region Bitterfeld).



        Die ebenfalls gigantischen Investitionen in die Sanierung der Innenstädte (wiederum auf Kosten von Investitionen in diesem Bereich im Westen) helfen selbstverständlich der Wirtschaft im Osten massiv. Nicht zuletzt in Dresden profitiert man massiv vom Tourismus, der durch diese Investitionen getriggert wird.

        "Kapitalismus hat kein ureigenes Interesse an gesellschaftlichem Aufbau"

        Richtig, Kapitalismus setzt auf EIGENINITIATIVE. Und das ist eines der großen Probleme im Osten, weil viele das bis heute nicht verstanden haben. Die Pay Gap liegt zumindest auch an dem geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Der ÖPNV ist dort ausreichend vorhanden, wo sich das rechnet. Rechnet sich das nicht, ist wieder Eigeninitiative gefragt. Auf dem Dorf, wo ich groß geworden bin, haben wir das vor Jahrzehnten selbst organisiert. Im Osten wählt man AfD. Tja ...

      • @nutzer:

        Ca depend, würde ich mal sagen.

        Auch ganz ohne Klassenkampf sieht der Kapitalismus in Deutschland ganz anders aus als der etwa in Russland oder Brasilien.

        Die "soziale Marktwirtschaft" ist zwar auf den Hund gekommen, aber immerhin noch nicht abgeschafft.