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Partnerschaft mit Kanada unterzeichnetWasserstoff als Hoffnungsträger

Deutschland und Kanada haben ein Abkommen zum Export von Wasserstoff vereinbart. Die ersten Lieferungen sollen 2025 beginnen.

Wo geht's hier zum Wasserstoff? Bundeskanzler Scholz und Kanadas Premier Trudeau Foto: picture alliance/dpa/Canadian Press via ZUMA Press | Adrian Wyld

Calgary taz Auch in Neufundland ist der Weg in eine grüne Zukunft kein Selbstläufer. Als Olaf Scholz zum Abschluss seines dreitägigen Besuchs in Kanada am Dienstag in der Kleinstadt Stephenville eintraf, standen die Demonstranten schon bereit. „Neufundland steht nicht zum Verkauf“, hatte eine Frau auf ihr Plakat geschrieben, eine andere forderte: „Keine Windräder. Rettet unsere Tierwelt.“

Rund fünfzig Demonstranten hatten sich vor einer Industriehalle am Hafen von Stephenville versammelt, um dem Kanzler und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau klarzumachen, dass der Aufbruch in eine emissionsfreie Energiegewinnung aus ihrer Sicht noch längst keine beschlossene Sache ist. Jedenfalls nicht in Stephenville an der windgepeitschten Westküste der Insel Neufundland.

Drinnen in der Halle sah man die Sache naturgemäß anders. Der Kanzler sprach von einer „gewaltigen Chance“, Trudeau gar von einem „historischen Schritt nach vorne“. Gemeint haben die beiden damit nicht nur einen geplanten neuen Windpark in Stephenville samt Wasserstoffanlage. Sondern vor allem das erste offiziell zwischen Deutschland und Kanada abgeschlossene Abkommen zum Export von grünem Wasserstoff, das zuvor in ihrem Beisein feierlich unterzeichnet worden war.

Vereinbart haben beide Länder eine spezielle Energiepartnerschaft: Kanada stellte in Aussicht, mit Hilfe erneuerbarer Energiequellen wie Wasser oder Wind grünen Wasserstoff für den Export zu produzieren. Deutschland sagte im Gegenzug zu, die Importeure und Verbraucher der aus Wasserstoff gewonnen Kraft- und Brennstoffe zu unterstützen. Erste Lieferungen nach Deutschland sollen schon ab 2025 erfolgen.

Bei der Herstellung und Nutzung von grünem Wasserstoff entstehen keine Treibhausgase. Allerdings muss dafür mit großem Energieaufwand Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden. Für den Transport per Schiff wird der Wasserstoff in Ammoniak umgewandelt. Vor Ort dient der Rohstoff dann als Basis für Kraft- und Brennstoffe, um fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Erdgas abzulösen.

Der vereinbarte Zeitplan ist ehrgeizig: Zwar gilt die Atlantikküste von Kanada als idealer Standort, denn es gibt dort viel Wind und Wasserkraft. Noch gibt es in der Region aber keine Terminals und Anlagen, die für den Export geeignet wären. Laut kanadischer Regierung befinden sich derzeit 15 Projekte in der Planungsphase und in Kanada hofft man, dass bis 2025 ein oder zwei davon einsatzbereit sind.

Das 12-Milliarden-Dollar-Projekt

Eine der Anlagen ist in Stephenville geplant. Ein kanadisches Konsortium will dazu auf einer nahen Halbinsel 164 Windkraftanlagen bauen, zwei weitere Windparks ähnlicher Größe sollen später folgen. Der damit generierte Strom soll dann in einer Anlage im Hafen von Stephenville bei der Herstellung von Wasserstoff und Ammoniak verwertet werden. Zwölf Milliarden Dollar soll das Projekt kosten.

Weitere Projekte dieser Art sind bereits in der Pipeline. Am Rande des Scholz-Besuches vereinbarten der Düsseldorfer Uniper-Konzern und Deutschlands größter Energieversorger Eon ebenfalls Verträge zur Lieferung von grünem Wasserstoff. Die dazu nötige Anlage in Point Tupper der Provinz Nova Scotia wird bereits gebaut. Geliefert werden sollen ab 2025 je 500.000 Tonnen in Form von grünem Ammoniak.

„Die Transformation unserer Industrie geht weiter. Dies ist ein wichtiger Schritt nicht nur zur Stärkung unserer bilateralen Wirtschaftsbeziehungen, sondern auch für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Energieversorgung“, lobte der Kanzler die Abkommen der Unternehmen. Premierminister Trudeau schwärmte: „Wir haben hier in Kanada ein Angebot zu machen, auf das die Welt wartet.“

Kanada ist einer der Vorreiter in der Wasserstofftechnologie. Das Land zählt zu den zehn größten Produzenten weltweit. Bislang wird der Wasserstoff in den meisten Fällen noch mit Hilfe von Erdgas produziert, gilt also nicht als klimaneutral. Mehr als einhundert Unternehmen arbeiten in Kanada an der grünen Version. Für den heimischen Markt gibt es bereits die ersten Produktionsstätten.

Im Rahmen ihrer Wasserstoff-Strategie hat sich die Regierung Kanadas zum Ziel gesetzt, ihr Land bis 2050 zu den Top-3-Produzenten weltweit auszubauen. Dazu stellt sie den beteiligten Unternehmen rund neun Milliarden Dollar an Fördergeldern und Steuererleichterungen zur Verfügung. Wenn alles gutgeht, könnten in der Branche laut Schätzungen mehr als 300.000 neue Jobs entstehen.

Bis es so weit ist, muss aber auch in Kanada noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Zum Beispiel bei Demonstranten wie Marilyn Rowe, die mit ihrem Protestschild eigens nach Stephenville gekommen war. Rowe wehrt sich gegen das gewaltige Ausmaß der geplanten Windparks in ihrer Nachbarschaft. Sie fühle sich als „Versuchskaninchen“, klagte sie. Als ein Opfer im globalen Wettlauf um die Energiequellen der Zukunft.

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15 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Trudeau braucht unbedingt auch umweltpolitisch etwas Vorzeigbares.



    Was die Kanadier seit Jahren in Fort McMurray anstellen, sprengt alles an Umweltsauereien.

  • Hier geht es um eine erste Ausbaustufe. 500.000 Tonnen werden es jährlich im Endausbau, die aber nicht alle nach Deutschland gehen werden.

    Ammoniak hat einen Heizwert von 5,2 kWh/kg, das ergibt dann insgesamt 2600 GWh jährlich, oder eine Leistung von knapp 0,3 GW im Jahresmittel, umgerechnet auch 24/7-Lieferung.

    Zum Vergleich: Zum LNG-Terminal in Brunsbüttel heißt es:



    "Natural gas will be sent into the national grid with a maximum flowrate of 920,000 Nm³/h or 8 billion m³ per annum." laut germanlng.com/term...s-and-key-figures/

    Erdgas hat einen Brennwert von 10 kWh/Nm³, das ergibt dann eine Leistung des in Brunsbüttel ins deutsche Netz eingespeisten Erdgases von 9,2 GW. Also in einem einzigen Terminal mehr als das dreißigfache der Leistung, die irgendwann in dem kanadischen Projekt erzeugt werden soll und (vielleicht) teilweise nach Deutschland kommen wird.

    Bereis die Zahlenverhältnisse belegen, dass es sich hierbei vor allem um Greenwashing der fossilen Shoppingtour von Scholz und Habeck handelt.

    Für effektive Rahemenbedingungen für die Grünen Wasserstoff- bzw. Ammoniak-Importe hat die Bundesregierung nicht gesorgt, wohl aber bei den subventionierten LNG-Terminals, die zudem die Wirtschaftlichkeit des Wasserstoffes beeinträchtigen.

    Natürlich stehen auch andere Länder auf dem Start, Grünen Wasserstoff nach Europa zu liefern, in weitaus größeren Mengen als Kanada, vorzugsweise sollte das auf der Basis von Solarstrom erfolgen. Die Bundesregierung weigert sich aber, den "Schalter umzulegen" damit das auch passiert.

    Ebenso beim Bau von unsubventionierten Solarparks in Deutschland, der mit großflächigen Verboten und drei Genehmigungsstufen verhindert wird.

  • Energie lässt sich nicht erneuern, nur aufwendig (!) umwandeln. Ist aber mittlerweile allgemeiner Sprachgebrauch. Physiker, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen, behaupten sogar, dass Wasserdampf (in Form von Wolken) ein Klimagas ist, weil er die Wärmeabstrahlung ins All behindert. Wasser verdunstet auf natürliche Weise langsam. Seine Gasform erreicht es bei industrieller Nutzung schneller. Etwa 9kg Rohwasser werden für 1kg Wasserstoff benötigt. Muss das Wasser erst entsalzt werden, sind mehr als 22,5 kg Wasser nötig, wie z.B. für den Nordsee H2.



    Dass die Windanlagen, Elektrolyseanlagen, Transport- und Landungsinfrastrukturen nicht ohne CO₂-Emissionen zu realisieren sind, sollte nicht unter den Tisch fallen. Noch haben wir keinen "grünen" Zement, keinen "grünen" Stahl etc.



    Bis 2030/2045/2050 müssen die CO₂-Emissionen dramatisch reduziert werden. Sie bleiben schließlich für Jahrhunderte in der Atmosphäre, was, bei aller Euphorie über die Chancen eines Weiter-so durch Wasserstoff, nicht vergessen werden sollte.



    Im Gegensatz zu Kanada, verfügen Marokko und andere Staaten auf dem afrikanischen Kontinent über viel Sonnenschein, aber nur wenig Wasser, das dort für wichtigere Dinge benötigt wird, als unsere Stahlindustrie "klimaneutral" zu machen.



    Die Lücke, zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der ganzen Wasserstoffeuphorie, ist gewaltig. Es wird ein Hochamt der Verdrängung von Widersprüchen und "Nebenwirkungen" gefeiert. Die Ängste vor Wohlstandsverlusten lassen PolitikerInnen offensichtlich keinen Raum. Sie sorgen sich um das Ende ihrer Zukunft, am nächsten Wahltag, wenn sie aufhören, gern gehörte Illusionen zu verbreiten und dafür milliardenschweren Geschenke für eine zusätzlich aufzubauende Industrie verteilen wollen.



    Framing kann nur erfolgreich sein, wenn kontextuelle Zusammenhänge und Widersprüche nicht offen diskutiert werden.

    • @Drabiniok Dieter:

      Na, das ist keine Behauptung von Klimaforschern und Physiker, dass Wasserdampf ein Klimagas ist. Es ist sogar ein sehr starkes Klimagas, viel stärker als CO2.



      Die Klimaforscher wissen aus Laborversuchen, dass bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts der Atmosphäre die Temperatur in der simulierten Atmosphäre knapp 1 °C steigt. Doch es wird von einer Wasserdampf-Verstärkung, einer positiven Rückkopplung ausgegangen: je wärmer es infolge des zunehmenden CO2 wird desto mehr Wasserdampf kommt in die Atmosphäre und desto wärmer wird es. Deshalb wird aktuelle vom IPCC angenommen (es ist nicht messbar), dass die "Klimasensivität des CO2" bei 3 Grad C liegt, dass bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts der Atmosphäre es 3 Grad wärmer wird.



      Andersrum ist es mit den von Ihnen genannten Wolken, die tatsächlich die Erwärmung der Erde stark beeinflussen, sie können kühlen (wenn es mehr werden) und bei Abwesenheit für eine Erwärmung sorgen. Laut IPCC lassen sich die Wolken in ihrer Dynamik mit den Klimamodellen bisher noch nicht sicher simulieren, hier wird noch fest geforscht.

  • Schönes Ablekungsmanöver. Statt hier lokal Energie zu erzeugen, kauft man sie ein, ab 2025 vielleicht. Die mehrfache Umwandlung und der Transport fressen sicher auch 30-50% der durch Windkraft geernteten Energiemengen wieder auf. So billig wie das politisch-strategisch subventionierte Gas aus Russland wird es nie werden, auch wenn "demokratische" Abhängigkeiten besser sind.

    Alle reden von Gasspeicher und Winter, aber im Frühjahr sind dann alle



    Probleme weg? Warum können Söder und Merz noch immer Blockieren und Nebelkerzen zünden? Warum spricht Scholz kein Machtwort?

    • @Roland81:

      Wasserstoff wird nicht Erdgas als Brennstoff ersetzen.

    • @Roland81:

      Lokal erzeugter Solarstrom und Importe aus Kanada schließen sich nicht aus. Bei Kanada hat Scholz eine Ausrede, wenn es etwas länger dauert, daher kann man da ungeschadet Photos machen. In der Tat ein Ablenkungsmanöver.

      Solarparks im Deutschland könnten sehr schnell gebaut werden, wenn es vorher nicht drei Genehmigungsstufen (Regionalplanung, Bauleitplanung, Baugenehmigung) zu überwinden gäbe, und die (Landes-) Behörden blockieren würden, so z.B. blockiert das Land MeckPomm von NordStream-Freundin Schwesig seit einem Jahr alle Zielabweichungsverfahren für Solarparks.

      Würde über heimische Solarenergie geredet, müsste Habeck peinliche Antworten geben, warum kostengünstiger Strom aus Solarparks nicht geliefert werden darf.

  • Wofür ist denn der Bedarf an Wasserstoff gedacht hier in D?

    • @Grauton:

      Bei den Winzmengen, welche da transportiert werden können, vermutlich die Stahlindustrie. Der Rest nimmt weiter Erdöl.

      • @Herbert Eisenbeiß:

        Bei den Stahlwerken Bremen (Acelor Mital) ist Wasserstoff ein großes Thema. Woher also ihre Info a'la "Eisenbeiss weiss was die Stahlindustrie mag"

  • warum wird sowas nicht in Deutschland gemacht? z.B. an der Ostsee hätten wir die Möglichkeit ein Werk hinzustellen. Strom würde von den Windrädern der Nordseeküste kommen. Ostseewasser kann kostenfrei entnommen werden.

    • @Maik Voss:

      Man sollte sich mal über die technischen Prozesse schlau machen, bevor man in Fallen tappt.

      Für die Herstellung von H2 benötigt man in der Chemie Reinstwasser. Dazu benötigt man im Falle von Meerwasser eine Entsalzungsanlage.

      • @Herbert Eisenbeiß:

        Und wie machen das die Kanadier?