Parlamentswahlen in Finnland: Adieu für den „politischen Rockstar“?
Finnland wählt am Sonntag und für Sanna Marin sieht es nicht gut aus. Fest steht: Eine Fortsetzung wird es für die Koalition nicht geben.
Was schon vor der Parlamentswahl am Sonntag feststeht: Eine Fortsetzung wird es für diese Konstellation nicht geben. Die Zentrumspartei möchte nicht mehr Teil einer solchen Regierung sein. Je nach Wahlergebnis will sie sich entweder statt nach links nach rechts orientieren oder auf der Oppositionsbank Platz nehmen. Die besten Aussichten, am Wahlabend knapp die Nase vorne zu haben, werden der konservativen Sammlungspartei eingeräumt. Und nach der politischen Tradition des Landes würde es dann deren Vorsitzender Petteri Orpo sein, der Anspruch auf das Amt des Regierungschefs erheben kann.
Mit 19,5 Prozent, nur drei Zehntel hinter den Konservativen, sahen die Meinungsumfragen vom Donnerstag die Partei Wahre Finnen. Die Rechtsaußenpartei hat ihren flüchtlingsfeindlichen Kurs noch verschärft, lehnt Arbeitskrafteinwanderung als Lösung für Finnlands Arbeitsmarktprobleme ab, plädiert für einen EU-Austritt und kritisiert die „überambitionierten Klimaziele“ des Landes. Sie punktet damit vor allem bei Männern und in der Gruppe der ErstwählerInnen, bei denen sie mit 28 Prozent mehr als doppelt so erfolgreich abschneidet wie die Sozialdemokraten.
Und warum liegen die Sozialdemokraten mit prognostizierten 18,7 Prozent hinter diesen beiden Rechtsparteien nur auf Platz 3? Zwar hat Sanna Marins Regierung tatsächlich – auch, aber nicht nur coronabedingt – manche ihrer Versprechungen nicht gehalten, vor allem im Bereich der Sozial- und Klimapolitik. Aber wirtschaftlich steht Finnland gar nicht so schlecht da und die Regierung ist dabei, das unter Dach und Fach zu bringen, was einer großen Mehrheit der FinnInnen in den letzten Monaten besonders wichtig war: die Mitgliedschaft in der Nato.
Innenpolitische Themen können die Wahl beeinflussen
Aber über die Sicherheitspolitik besteht im Parlament breite Einigkeit. Die Analysen zeigen, dass sie an der Wahlurne deshalb kaum mehr eine Rolle spielen wird, viel wichtiger sind den WählerInnen innenpolitische Themen. Die Frage der Staatsverschuldung ist in den letzten Wochen ganz nach oben geklettert. Auf über 71 Prozent des BIP ist sie gestiegen.
Die relative Staatsschuld liegt damit an der Spitze aller EU-Ostseeanrainerstaaten und ist mehr als doppelt so hoch wie in Schweden oder Dänemark – den Ländern, mit denen sich Finnland sonst gerne vergleicht und auf deren Verschuldungsniveau man sich bis vor 15 Jahren auch bewegt hatte. Die Staatsschuldenrate liegt auch deutlich über der von der Regierung Marin selbst angepeilten Marke von 57 Prozent. Für den Anstieg seien Corona und die Ukraine nur ein Teil der Erklärung, sagt beispielsweise Aki Kangasharju vom Konjunkturforschungsinstitut ETLA: Die letzten Regierungen hätten ganz einfach über ihre Verhältnisse gelebt, unter Marin habe sich die Entwicklung noch verstärkt.
Oppositionsführer Orpo und seine Sammlungspartei haben sich erfolgreich auf das Schuldenthema eingeschossen. Marins Regierung habe die „Wahnvorstellung“ gehabt, Schulden spielten keine Rolle, doch nun würde die Zinstilgung bereits dem Jahresbudget für Finnlands Polizei entsprechen. Orpo verspricht sparsameres Wirtschaften, will Finnland wieder auf den „rechten Weg“ bringen und sammelt damit offenbar Punkte.
Sanna Marin als „politischer Rockstar“
Laut Meinungsumfragen ist Sanna Marin populärer als die Partei, die sie selber leitet, und zieht WählerInnen an, die sonst nicht sozialdemokratisch stimmen würden: „Sie wird entscheidend für das Ergebnis ihrer Partei sein“, meint der Staatswissenschaftler Göran Djupsund. Aber sie sei eben auch so etwas wie ein „politischer Rockstar“, der polarisiere, sagt Petri Korhonen, Chefredakteur der sozialdemokratischen Zeitung Demokraatti. Für Konservative der Generation 50plus „ist sie zu jung, zu selbstbewusst, zu smooth auf Instagram und international definitiv zu beliebt“. Die Folgen: „Wenn du ein bestimmtes Genre, in dem ein Star singt und spielt, nicht magst, neigst du dazu, auch kein Fan dieser Person zu sein“, so Demokraatti.
Problematisch sind auch Marins spontane Alleingänge. Vor drei Wochen stellte sie bei einem Besuch in der Ukraine Wolodimir Selenski eine mögliche Lieferung von Kampfflugzeugen der finnischen Luftwaffe in Aussicht. Dann musste sie sich gefallen lassen, dass der Außen- und der Verteidigungsminister, der Armeeoberbefehlshaber und der Staatspräsident sie deshalb öffentlich zurechtwiesen: Das sei nicht nur niemals diskutiert worden, sondern auch nicht möglich. Denn Finnland brauche jedes Flugzeug selbst.
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