Pandemiepolitik und K-Frage: Laschet unter Dauerfeuer
Mit seiner Idee eines „Brücken-Lockdowns“ stößt der CDU-Chef auf breite Skepsis. Auch in der K-Frage steigt der Druck auf ihn.
Als „typischen Laschet“ kann man auch dessen ungelenken Auftritt jüngst bezeichnen. Hatte der NRW-Ministerpräsident vor dem Osterwochenende verkündet, erst einmal nachdenken zu wollen, wie die sich auftürmende dritte Pandemiewelle zu brechen sei, sendete Laschet am Montag weißen Rauch: Er stellte sich vor die Kameras und erklärte, dass nun ein „Brücken-Lockdown“ nötig sei – bis genug Menschen geimpft sind. Habemus Lockdown.
Am Dienstag legte er im ZDF nach: Dieser harte, kurze Lockdown solle „zwei bis drei Wochen“ dauern. Jetzt sei absehbar, „dass schon in ganz kurzer Zeit 20 Prozent, danach 30, 40 Prozent der deutschen Bevölkerung geimpft ist“, sagte er. Das Ziel sei eine Inzidenz von unter 100.
Die Reaktionen folgten prompt: Ist das sein Ernst? Ist es nicht exakt das, was Wissenschaftler seit Monaten vehement fordern? Hat Laschet so lange gebraucht, um zu erkennen, dass die britische und gefährlichere Virusvariante weitere Schritte nötig macht? Bei Twitter bekam der CDU-Chef jedenfalls viel Häme ab. Unter dem Hashtag #laschethatnachgedacht zeigten Tweets einstürzende Brücken oder Brücken, die ins Nichts führen.
Handlungsdruck ist da
Dabei ist Spott eigentlich fehl am Platz: Die Pandemielage ist weiterhin ernst. Auch wenn wegen der geringeren Tests an den Feiertagen weniger Neuinfektionen erfasst wurden – am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) knapp 6.900 neue Infektionen und eine leicht sinkende 7-Tage-Inzidenz von 123 –, füllen sich die Intensivstationen wieder. Der Trend zeigt exponentiell steigende Fallzahlen. Handlungsdruck ist also da.
Die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg, Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne), hatten schon kürzlich in einem gemeinsamen Brief an ihre Kollegen eine striktere Anti-Corona-Politik gefordert, auch mit nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. Härtere Maßnahmen fordert auch Kanzlerin Merkel. Bisher war der Ruf jedoch vielerorts ungehört verhallt – auch in CDU-geführten Bundesländern.
Doch selbst in der Sache erntete Laschet Skepsis. Vor allem weil er bemerkenswert unkonkret blieb. „Ein Brücken-Lockdown für eine Übergangszeit, und dann mit welchen Maßnahmen? Was heißt das alles?“, fragte etwa Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Laschet hatte zudem gefordert, die für kommenden Montag geplante Bund-Länder-Runde vorzuziehen. Müller, der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, sagte nun, da Laschet viele Überlegungen noch nicht abgeschlossen habe, habe eine vorzeitige Konferenz keinen Sinn.
Abgeordnete wollen bei K-Frage mitreden
Andere Länderchefs, selbst aus der eigenen Partei, äußerten sich ähnlich. So wie Tobias Hans aus dem Saarland, der gegenüber der Welt sagte, er sehe „keine Notwendigkeit für ein vorgezogenes Treffen“. Auch die Bundesregierung erklärte über eine Sprecherin: „Der Bund steht immer bereit für gemeinsame Beratungen. Voraussetzung ist, dass diese gut vorbereitet sind.“
„Wenn sie eine Brücke bauen, müssen sie wissen, sehe ich das andere Ufer und wie weit ist es weg“, kritisierte auch Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund. Niemand wisse, wann der Impferfolg erreicht sei. Laut RKI hatten bis Dienstag rund 12 Prozent der Deutschen mindestens eine Impfung erhalten.
Auch in der Frage der Kanzlerkandidatur steigt der Druck auf Laschet. Da ist CSU-Chef Markus Söder, der immer wieder stichelt. Und da sind mehrere Mitglieder der Unionsfraktion, die am Dienstag Mitsprache verlangten – anstelle von „Auskungeln im Hinterzimmer“. Da Laschet als CDU-Chef traditionell erstes Zugriffsrecht hat, kann man dies auch als Stichelei deuten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“