Palästinensisches Baby stirbt bei Anschlag: Zündelnde Siedler
Ein palästinensisches Kleinkind verbrennt bei lebendigem Leib in einem Dorf bei Nablus. Israels Premier Netanjahu spricht von „Terror“.
Im Westjordanland wird der Fall des kleinen Ali schon mit dem Mordanschlag auf Mohammad Abu Khdeir verglichen, der vor einem Jahr von radikalen Israelis lebendig verbrannt worden war. Der 15jährige musste aus Vergeltung für die Entführung dreier israelischer Jugendlicher sterben. Sein Tod und das massive Vorgehen der israelischen Armee im Westjordanland führten im Sommer zum Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen.
Aus Sorge vor Unruhen rief der israelische Sicherheitsapparat die höchste Alarmstufe aus und stationierte vier Brigaden im Westjordanland, wo es am Nachmittag zu einer Schießerei ohne Verletzte kam. In der Jerusalemer Altstadt flogen im Anschluß an das Freitagsgebet Steine und Flaschen auf die Grenzpolizei.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte den Mord in Duma, bei dem es sich „in jeder Beziehung um einen Terroranschlag handelt“. Er sprach der Familie Dawabscheh sein Mitgefühl aus und versicherte, eine schnelle Aufklärung voranzutreiben.
Davidstern an der Hauswand
Der Brandanschlag steht vermutlich in Verbindung mit dem Abriß zweier illegal errichteter Häuser in der Siedlung Beit El diese Woche. Die Täter hinterließen einen Davidstern an den Häuserwänden, die Aufschrift „Es lebe der König, der Messias“ und das Wort „Rache“,. Das deutet auf die extremistische Siedlergruppe „Preisschild“ hin, die immer dann ihre „Rechnung“ präsentiert, wenn Israels Regierung gegen die jüdischen Zivilisten im Westjordanland entscheidet.
„Die israelische Polizei muss verstehen, dass wir einen hohen Preis für jeden Zwischenfall dieser Art fordern“, zitierte die liberale Tageszeitung Haaretz einen „Preisschild“-Aktivisten nach der Räumung illegaler Siedlerbauten. Israelische Menschenrechtsorganisationen kritisierten wiederholt, dass Israel zu wenig gegen die jüdischen Extremisten unternehme.
Seit August 2012 gab es „sechs schwere Brandanschläge“, von denen „nicht einer aufgeklärt ist“, berichtete die Menschenrechtsorganisation Betselem. In einer Pressemitteilung der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) ist von „11.000 Siedlerübergriffen seit 2004“ die Rede.
Palästinenserpräsident Machmud Abbas nannte die Brandstiftung ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und kündigte an, den Tod Ali Dawabschehs vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Abbas machte die israelische Regierung für den Gewaltakt verantwortlich. Israel sei in der Lage gewesen, „die Gewalt der Siedler zu stoppen“, wenn das gewollt worden wäre, stattdessen aber ermutige man in Jerusalem die radikalen Siedler.
Widerstand um jeden Preis
Die islamistische Hamas-Führung im Gazastreifen rief die Palästinenser im Westjordanland, zu Protestaktionen auf. Jeder Israeli sei, infolge des Todes von Ali Dawabscheh, „ein legitimes Ziel“, hieß es. Die Führung im Westjordanland sei aufgefordert, die politischen Häftlinge aus den Gefängnissen zu entlassen. „Es gibt keinen anderen Weg als den Widerstand, um die Verbrechen der Besatzung zu beenden.“ Erst vor wenigen Wochen hatte die Autonomiebehörde in Ramallah einhundert Hamas-Aktivisten inhaftiert.
Israels Präsident Reuven Rivlin zeigte sich „beschämt und schockiert“ über den Tod des palästinensischen Kleinkindes und räumte ein, dass Israel „mit dem Phänomen jüdischer Terror zu lasch umgegangen sei.
Auch Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei „Das jüdische Haus“, distanzierte sich von dem „unerträglichen Mord“ an dem kleinen Jungen. Die EU bezeichnete den „kaltblütigen Mord“ als „tragische Erinnerung an die dramatische Situation in der Region, die die dringende Notwendigkeit für eine politische Lösung im palästinensisch-israelischen Konflikt hervorhebt“. Die EU wiederholte ihre „starke Opposition gegen die israelische Siedlungspolitik, die die Zweistaatenlösung erheblich gefährdet“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?