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Outsourcing von ReinigungskräftenWie schnell kann ein Mensch putzen?

An der Berliner Alice-Salomon-Hochschule klagen Reinigungskräfte über die Arbeitsbedingungen. Studierende fordern, sie nicht mehr auszulagern.

Ohne sie wäre es dreckig, ihre Arbeit wird aber nicht genug wertgeschätzt: Reinigungskräfte Foto: dpa

Man sehe sich „mit emanzipatorischem Anspruch dem gesellschaftlichen Auftrag sozialer Gerechtigkeit“ verpflichtet, heißt es etwas umständlich im Leitbild der Alice Salomon Hochschule (ASH). Tatsächlich genießt die Hellersdorfer Hochschule einen gesellschaftskritischen, feministischen und antirassistischen Ruf. Dieses Image kollidiert nun mit den Schilderungen von Frauen, die dort als Reinigungskräfte arbeiten. Anfang Juli haben erstmals zwei von ihnen öffentlich über die Arbeitsbedingungen geklagt – über ein unzumutbares Arbeits­pensum, befristete Arbeitsverträge, unkorrekte Lohnzahlungen.

Sie sei kein Roboter, sondern ein Mensch, sagt nun Galyna B., 42 Jahre alt, die vor fünf Jahren mit ihrer Tochter aus Polen nach Berlin kam. In Polen habe sie als Buchhalterin gearbeitet, in dem Beruf, den sie eigentlich gelernt hat, erzählt sie bei einem Treffen in einer Bäckerei am Bahnhof Lichtenberg. Nach einem Job im Pflegebereich habe sie nun als Reinigungskraft angefangen.

Galyna B. erzählt, dass sie während eines vierstündigen Arbeitstags nur sieben Minuten für einen Seminarraum habe – um den Boden zu wischen, Tische zu säubern, den Müll zu entsorgen, die Tafel zu putzen. Um die Arbeit gründlich zu machen, brauche sie eigentlich 15 Minuten. Auf Nachfrage der taz sagt eine Sprecherin der ASH, sieben Minuten seien branchenüblich, den Reinigungskräften stehe auch „etwas mehr als die sieben Minuten“ zu.

Was ist zumutbar?

Tatsächlich werfen nicht nur die Schilderungen der Frauen, sondern auch ihre Revierpläne, die der taz vorliegen und welche die zu bewältigenden Flächen definieren, die Frage auf: Was ist einem Menschen zumutbar? Laut Plan muss Galyna B. an einem Dienstag den Audimax, Seminar-, Büro-, Aufenthaltsräume und Lehrkräftebüros reinigen. Wenn man die Flächen zusammenrechnet, kommt man auf 1.418,90 Quadratmeter für die Vierstundenschicht. Bei der durchschnittlichen Berliner Wohnungsgröße von 73 Quadratmetern wären das mehr als 19 Wohnungen.

Zwar gibt es keine tarifliche Vereinbarung darüber, wie viel Fläche in welcher Zeit zumutbar ist. Aber es gibt sogenannte Leistungszahlen der Gütegemeinschaft Gebäudereinigung, einem Verein von Gebäudedienstleistern. In einem Merkblatt empfiehlt dieser für Unterrichtsräume in Schulen einen Richtwert von 180 bis 350 Quadratmetern und für Büroräume von 160 bis 230 Quadratmetern pro Stunde. Selbst wenn man mit diesem – von den Gebäudedienstleistern selbst – empfohlenen Maximalwert für Unterrichtsräume rechnet, überschreitet Galyna B.s Pensum diese Empfehlung. Dabei reinigt sie in einer Schicht nicht nur Unterrichtsräume, sondern auch aufwändigere Büroräume.

Zunächst hatten sich die Frauen im Juli in einem Interview in der Jungen Welt geäußert. Einige Studierende haben inzwischen eine Solidaritätsgruppe gegründet und eine Petition gestartet. Sie fordern, dass die Frauen direkt an der Hochschule angestellt werden. Die ASH dagegen verweist darauf, dass das beauftragte Reinigungsunternehmen die Tariftreue einhalte und dass alle öffentlichen Einrichtungen in Berlin die Reinigung „outgesourct“ hätten: „Diese personelle Infrastruktur zu stellen, ist für eine kleine Hochschule wie die ASH Berlin kaum zu leisten.“

Tatsächlich hatte sich bereits im Frühjahr in Neukölln eine Bürgerinitiative „Schule in Not“ gegründet, die die Rekommunalisierung der Reinigungsarbeit fordert. „Das deckt sich mit dem Bild in der Branche“, sagt Jens Korsten von der Gewerkschaft IG Bau mit Blick auf Stundenkürzungen oder unkorrekte Lohnabrechnungen. Das Problem sei nicht die Tariftreue, sondern die Leistungsverdichtung – das heißt, wie viel Fläche in welcher Zeit gereinigt werden muss. Und bei Aufträgen der öffentlichen Hand sei der Preisdruck noch mal besonders hoch, weil der billigste Anbieter normalerweise den Zuschlag bekomme, sagt Korsten.

Und die Reinigungsfirmen in Berlin erwirtschafteten im Schnitt immerhin knapp die Hälfte ihrer Umsätze über solche öffentliche Aufträge, gibt der Gewerkschafter zu bedenken.

Das Problem Leistungsverdichtung

Haben sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert, seit die Reinigungsfirma Peter Schneider in der ASH putzt? Die Sprecherin der Hochschule möchte den vorherigen Auftragnehmer „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht nennen. Beim Stundenumfang gebe es aber „keinen großen Unterschied“. Was das konkret heißt, kann sie nicht sagen. Ein Vergleich zeige aber, dass bei der Auftragsvergabe „die angebotenen Stunden bei allen Reinigungsunternehmen ähnlich waren und Peter Schneider auch nicht die niedrigste Stundenanzahl kalkuliert hat“.

Die Firma selbst schreibt der taz, dass Befristungen von Ausschreibungsregularien abhingen. Über Leistungsverdichtung könne sie aber keine Angaben machen, ebenso wenig über das zumutbare Arbeitspensum. Die festgelegte Reinigungszeit sei „sehr individuell“ und abhängig von den „räumlichen Gegebenheiten“. Über den Vorwurf fehlerhafter Lohnabrechnungen schreibt die Firma: „Fehler passieren selten, sind aber auch nicht auszuschließen.“ Sollte das passiert sein, werde man eine Nachzahlung gewähren.

Wie kann es sein, dass beim Arbeitspensum keine verbindlichen Mindeststandards festgelegt sind? Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, sagt der taz, dass Hochschulen in Personalangelegenheiten und Dienstleistungsaufträgen autonom agierten. Zugleich verweist er auf „klare Vergaberichtlinien für die öffentliche Hand“. Offensichtlich können diese aber keine fairen Arbeitsbedingungen gewährleisten. Der Senat arbeitet derzeit an einer Novellierung des Vergabegesetzes, das Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) mit sozialökologischen Kriterien ergänzen möchte. Der Fall an der ASH zeigt, dass dabei nicht nur Tarilöhne, sondern auch das Thema Leistungsverdichtung eine Rolle spielen müsste.

In der ASH wollen sich am 1. Oktober Rektorat, Reinigungskräfte, Firma und Studierende zum Gespräch treffen. Galyna B.s befristeter Vertrag läuft eigentlich bis zum 30. September. Vergangene Woche wurde sie aber zum 4. September gekündigt. Sie vermutet, dass das mit ihren kritischen Äußerungen zu tun hat. Aber: „Ich will anderen Frauen Mut machen“, sagt sie. Sie wird jetzt einen Freiwilligendienst beginnen und hofft, so wieder einen Einstieg in den Beruf der Buchhalterin zu finden.

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11 Kommentare

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  • Um es einmal sehr böse zu formulieren: wahrscheinlich wäre es menschlicher, für diese Arbeit Sklaven einzusetzen. denn ein Sklavenhalter hat den schaden, wenn er seine Sklaven kaputt macht. Das Lohnsystem ermöglicht tatsächlich noch mehr Ausbeutung der Arbeitskraft.

  • 9G
    93559 (Profil gelöscht)

    Kenne ich sogar von der Hausreinigung (Mietshaus), wobei die dann entsprechend schlecht putzen.



    Ich habe das mehrfach der HV gemeldet mit dem Hinweis, dass billig, wenn schlecht geputzt wird, eben nicht billig ist.



    Bei solchen Institutionen läuft es dann aber wahrscheinlich darauf hinaus, dass die Kollegen so getriezt werden, dass sie dann eben unbezahlte Überstunden machen, damit sich der Auftraggeber nicht beschwert über mangelhafte Leistung.



    Ein widerwärtiges System.

  • Papier ist geduldig. Ein Leitbild aber wird einem nicht um die Ohren geschlagen, wenn man es nicht (sofort) erreicht. Es soll nur leiten, weiter nichts.

    Wenn sich Hochschulen oder andere öffentliche Einrichtungen ein Leitbild geben, in dem von einem „emanzipatorische[n] Anspruch“ und vom „gesellschaftlichen Auftrag sozialer Gerechtigkeit“ die Rede ist, ist jedenfalls Vorsicht geboten. Die meinen das meistens nicht so, wie sie das hinschreiben. Das könnten sie sich gar nicht leisten.

    Hochschulen sind – wie der gesamte öffentliche Dienst – ganz strikt hierarchisch aufgebaut. Da ist nichts mit Gerechtigkeit, mit Emanzipation. Es gibt ein Oben und es gibt ein Unten. Dazwischen gibt es Leute, die lavieren können.

    Es gibt Rektoren, die entscheiden dürfen. Es gibt Dozenten, die gewisse Freiheiten genießen. Es gibt Studenten, die zumindest auf ein Morgen hoffen könne, auch wenn sie grade Lehrjahre erleben, keine Herrenjahre. Und dann gibt es noch die, die allen andren hinterherputzen.

    Leute wie Galyna B. haben kaum Aussicht auf ein Happy End. Nicht einmal dann, wenn sie sich beide Beine ausreißen. (Dann schon gleich gar nicht, weil sie nur sehr wenig Rente kriegen.) Sie müssen einfach sprinten, wenn der Wettbewerb beginnt.

    Dabei muss nicht einmal Galyna B. den Wettbewerb gewinnen. Gewinnen muss (und will) den Wettbewerb ihr Chef. Der Mann (oder die Frau), die den Vertrag aushandelt mit der Hochschule. Der allerdings putzt meistens gar nicht mit.

    Er muss die Auftraggeber überzeugen. Was nicht sonderlich schwierig ist, wenn der von Putzleistungen nichts versteht. Der Herr Direktor putzt kaum seine eigenen vier Wände. Von 19 Wohnungen in nur vier Stunden nicht zu reden. Der fragt bloß, wer mehr putzen (lassen) will fürs Geld.

    Das Auge isst gewöhnlich mit. Neben dem Kostenspargebot hat „der“ öffentliche Dienste das von „der“ Freien Wirtschaft abgeguckt. Deshalb das Leitbild, das ein Leidbild ist für Menschen wie Galyna B. Weil es sie offensichtlich nur verhöhnt zum Dank.

  • Danke für das Thema!



    Das ist eines der wirklichen Probleme hier in DE. Outsourcing aus Gründen der angeblichen: „Diese personelle Infrastruktur zu stellen, ist für eine kleine Hochschule wie die ASH Berlin kaum zu leisten.“ Man sollte dem Typen .... Egal.



    KLar, eigene Lehrkräfte einstellen, das geht, da hat man die Kompetenz.. und zu Hause die private Putzfrau auch... aber da wo man meist ausländischen Kräften verantwortungslos und mit Worthülsen ("Tariftreue") seine Bequemlichkeit ausleben ist es vorbei mit der Verantwortung.

    Der Kern des Problems: Alle reden von Umschichten, Steuer usw.... da kommt bei der Putzfrau dennoch nix an oder ein Almosen für irgendwas was sie selbst nicht beeinflussen kann.



    Wir müssen die Arbeit teurer machen, Festanstellungen, weniger befristung, bei öffentlicehn Ausschreibungen bekmoommt den Zuschlag der zweit- oder drittbilligste oder der mit auskömmlichen Löhnen .... dann bleibt die Kohle gleich "unten" und "oben" kommt weniger an.



    Ausschreibungstexte ändern, Lohnuntergrenze je Branche individuell, Fetsanstellungen vorschreiben... Sag das mal der SPD oder den Linken!?



    Dann fehlt denen das Feindbild Reich und sind zu uninspiriert mal ein paar gescheite Gedanken zu entwickeln.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Der Arbeitsalltag der Reinigungskräfte sollte filmisch dokumentiert und veröffentlicht werden. Das ist heute technisch einigermaßen einfach realisierbar.



    Arbeitstitel: "In Deutschland schuften wie zur Kaiserzeit"

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Bitte konkreten Kaiser, vornehmlich des Mittelalters, angeben :-), denn ich sehe im Grunde eine "Verniedlichung": das ist schuften wie im Feudalismus.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Gerhard Krause:

        .



        Meine Assoziation ging eher in diese Zeit.....



        www.zdf.de/dokumen...aiserzeit-102.html

  • Leistungsverdichtungen? Allein für derartige Wortschöpfungen könnte ich die Verantwortlichen schon (hier gehts nicht weiter weil Gewalt und so). Blanker Zynismus, eiskalte Ausbeutung und der Staat als Profiteur. Zum Kotzen!

  • Ganze sieben Minuten? Für nur ein Seminarraum? Das ist doch viel zu viel!

    Wenn wir noch einen Subunternehmer dazwischenschieben, dann kriegen wir's bestimmt in 3.5 hin!

    Was ist nur aus uns geworden? Langsam haben wir uns in Monster verwandelt. Hauptsache billig, koste es, wen es wolle.

    Geiz ist geil.

    Schön, dass in dieser Hochschule das Leiden der outgesourcten nicht ganz still verhallt. Mögen viele diesem Beispiel folgen.

    Und wenn mir heute irgend so ein Schnösel über den weg läuft und was vom "freien Spiel der Marktkräfte" faselt, dann gnade ihm...

    • @tomás zerolo:

      "Und wenn mir heute irgend so ein Schnösel über den weg läuft und was vom "freien Spiel der Marktkräfte" faselt, dann gnade ihm..."

      Sagen Sie bescheid, ich "rede" mit auf ihn ein!.. ;-)

      • @Gerhard Krause:

        Das merke ich mir :-)