Outfit der Melania Trump bei Heimbesuch: She doesn't care?
Die First Lady fährt zu einem Heim für minderjährige Migranten und trägt eine Jacke, die für Aufsehen sorgt. Über Kleidung als Politikum.
Ist das einfach Punk? Melania Trump, Präsidenten-Gattin und Ex-Model ignoriert das, was in offiziellen Kontexten „Protokoll“ genannt wird, und zeigt sich auf dem Weg, das Leiden der Anderen zu betrachten, in ihrem ganz persönlichen Look. Beim Besuch der Opfer des Hurrikans „Harvey“ in Houston waren es die hohen, schwarzen Highheels während die Sturmgeschädigten noch mit dem Schlamm kämpften; wohlgemerkt wechselte sie später in weiße Turnschuhe.
Am Donnerstag besuchte die First Lady eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Migranten in Texas, an der Grenze zu Mexiko. Beim Hin- und Rückflug zeigte sie sich lässig im „ready to wear“-Outfit in einem olivgrünen Parka der spanischen Modemarke Zara. Auf der Rückseite der Jacke steht: „Es ist mir wirklich egal. Und dir?“ Auf Twitter zeigt sie allerdings Bilder von sich in einer beigen Jacke und dankt artig den Helfenden vor Ort. Ist Kleidung nicht einfach Kleidung oder ist das schon ein Politikum?
Melania Trumps Sprecherin Stephanie Grisham versichert: „Es ist eine Jacke. Es gibt keine versteckte Botschaft.“ Der US-Präsident ist da anderer Ansicht und twittert: Die Botschaft „…richtet sich an Fake-News-Medien.“ Die New York Times kommt zum Ergebnis: Hinter der Zara-Jacke steckt kein versteckter Wink mit dem Zaunpfahl, wie nun gemunkelt wird, sondern das ist schon die Botschaft selbst. In sozialen Medien wie Twitter laufen Melania-Memes. Das Time-Magazine hat einen neuen Titel zu Trump und dessen Migrationspolitik mit der Zeile „Welcome to America“ herausgebracht, auf dem der US-Präsident auf ein kleines schreiendes Kind herunter blickt. Einige User haben sein Bild schon gegen das von Melania und ihrer Jacke getauscht.
Nun scheint es oft so zu sein, dass eher Frauen in politischen Kontexten in Stilkritik geraten als Männer. In der Politik tragen Männer eher uniform Anzug, da gibt es wenig Angriffsfläche. Außer sie tun es nicht: Sigmar Gabriel hatte bei einem offiziellen Besuch in Uganda im August 2017, damals noch im Amt des Außenministers, zwischendurch ein Safari-Outfit an. Seine Kollegen vor Ort trugen größtenteils Anzug. Die taz taufte ihn daraufhin „Safari-Siggi“.
Doch bei Frauen wird wohl eher hingesehen, selbst, wenn sie sich an die Etikette halten. Selbst Schweißflecken können da zum Thema werden, wenn Politiker*innen ein Parkett betreten, wie etwa Kanzlerin Angela Merkel 2005 bei ihrem sommerlichen Besuch der Bayreuther Festspiele feststellen musste. Für manche ist sowas sogar zu viel an berechenbarer Häme: Der Bayerische Rundfunk hatte den dunklen Fleck auf ihrem pastell-orangenen Kostüm sogar nachträglich rausretouchiert.
Was steckt denn nun hinter Melanias Jacke? Da Melania Trump selbst zu ihrer Klamottenwahl schweigt, gibt es dazu genauso viele potenzielle Antworten, wie Fragen. Möglich ist, dass ihr der ganze Politik-Medien-Rummel wirklich einfach egal ist. Doch sind ihr auch die Migranten egal? Dagegen spricht, dass es auch Melania Trump war, die öffentlich die Praxis kritisierte, Kinder an der Grenze zu Mexiko von ihren Eltern zu trennen und in Abschiebeknäste zu stecken. Es ist vielleicht Ironie der Geschichte, dass sie nun genau in diesem Kontext mit einer Zara-Jacke für Diskussionen sorgt.
Ein Gedankenexperiment dann aber doch zum Schluss: Stellen Sie sich vor, Joachim Sauer, der Gatte der deutschen Kanzlerin hätte ein T-Shirt von H&M auf dem Weg zu einer Notunterkunft für Geflüchtete an, auf dem sowas steht wie: „Highway to Hell“. Wie würde das wohl kommentiert werden? Eben. Wenn man Melania Trump eins vorwerfen kann, dann ist das fehlende Sensibilität für hochpolitische Kontexte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren