Orbán und Schröder in Wien: Gäste zum Gruseln
In Wien plauderte Ungarns Premier Viktor Orbán mit Altkanzler Gerhard Schröder über „Frieden in Europa.“ Der Erkenntnisgewinn blieb mager.
![Gerhard Schröder, Weltwoche-Chef Roger Köppel und Viktor Orban auf einem Podium Gerhard Schröder, Weltwoche-Chef Roger Köppel und Viktor Orban auf einem Podium](https://taz.de/picture/7330161/14/Frieden-in-E-WW-Wien-10-24-0407-1.jpeg)
Vielleicht waren das die Gründe, warum die rechte Schweizerische Weltwoche ausgerechnet hier zur Debatte mit Ungarns Premier Viktor Orbán und dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder lud. Thema der Veranstaltung am Halloween-Tag war „Frieden in Europa“, wobei insbesondere Orbán keinen Zweifel daran ließ, dass er damit die Unterordnung der Ukraine unter die russischen Interessen verstand. Putin verstehe nur die Sprache der Macht, anders als die Europäer.
Dass alle bisherigen Friedensbemühungen erfolglos blieben, liege laut Orbán an der fehlenden Unterstützung der anderen EU-Staaten, „die weiter Krieg führen wollen“. Und das, „obwohl der schon verloren ist“. Nur minimal differenzierter argumentierte Gerhard Schröder. Der Krieg sei nicht zu gewinnen, weder von Russland, noch von der Ukraine.
Schröder erinnerte an seine eigenen Vermittlungsbemühungen, konkret seine Reise zu Putin im März 2022. Sie war nicht mit der Bundesregierung abgestimmt und blieb, wie alle anderen Vermittlungsversuche, erfolglos.
Konkrete Aussagen fehlen
Schröder und Orbán vermieden während der anderthalbstündigen Debatte Konkretes. Wie soll ein Frieden mit Russland aussehen? Wie viel Territorium muss die Ukraine, souveräner Staat seit 1991, an den Aggressor abtreten? Wie viele Millionen Ukrainer*innen sollen fortan unter russischer Besatzung leben? All diese Fragen wurden nicht einmal touchiert.
Stattdessen ging es vor allem um die Friedensbemühungen Orbáns. Der habe lang überlegt, wie er die EU-Ratspräsidentschaft seines Landes anlegen solle. „Im Sinne der Brüsseler Bürokraten, dass also Kapitel für Kapitel abgearbeitet wird, aber im Grunde alles bleibt wie es ist? Oder sollte man sich nicht doch für einen Frieden oder zumindest einen Waffenstillstand einsetzen?“, sagte Orbán.
Donald Trump als Hoffnungsträger
Seine Entscheidung ist bekannt. Seit Beginn der Ratspräsidentschaft im Juli fällt Orbán durch erratische Alleingänge auf. Seine Reisen erst zum ukrainischen, dann zum russischen Präsidenten zum Beispiel – nicht mit dem Rest der EU koordiniert. Oder die Reise zu Donald Trump nach Mar-A-Lago. Denn einzig die USA würden auch die Sprache der Macht wie Russland verstehen, sagte Orbán.
Seine größte Hoffnung auf Frieden sei demnach ein Präsident Trump. Auch Schröder lobte, durchaus überraschend, den republikanischen Kandidaten als „denjenigen, der einen Beitrag zum Ende der Kämpfe leisten will“.
Kein Widerspruch, keine Fragen zugelassen
Zum Thema Russland gab sich der Ex-Kanzler schaumgebremster als in der Vergangenheit. Über Putins wahre Ambitionen wolle er nicht mutmaßen, „ich bin kein Psychologe“. Zumindest eine Teilschuld für den Krieg schob er der Ukraine zu, die habe schließlich Russisch als Amtssprache abgeschafft. Ukrainisch ist in der Ukraine zwar seit der staatlichen Unabhängigkeit 1991 alleinige Amtssprache. In einigen Teilen des Landes im Osten und Süden konnte Russisch jedoch zwischen 2012 und 2019 zur regionalen Amtssprache erhoben werden. Das gilt jetzt nicht mehr.
Widerspruch gab es ohnehin nie, auch Fragen waren nicht zugelassen. Schon am Vortag hatte Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel, der die Debatte moderierte, sich in den ORF-Nachrichten für Trump ausgesprochen – und recht unwidersprochen erklärt, warum die Sorgen um die Demokratie aufgebauscht seien.
Mehrmals schwenkte Orbán zum Thema Migration, die es einzudämmen gelte. Er verwies auf „Millionen getötete Christen, die den Kriegen des 20. Jahrhunderts zum Opfer fielen.“ Den 500 Zuhörern, vom russischen Botschafter bis hin zu FPÖ-Politikern, gefiel der gefällige Plausch. Immer wieder brandete Applaus auf.
Vom FPÖ-Parlamentspräsidenten hofiert
Einige Stunden zuvor rollte schon Österreichs neuer Parlamentspräsident Walter Rosenkranz von der rechtsradikalen FPÖ dem ungarischen Premier den roten Teppich aus. Rosenkranz, kaum eine Woche im Amt, müsste sein Amt überparteilich ausüben, davon war aber nichts zu merken.
Anders als üblich wurden weder Rosenkranz' Stellvertreter, noch Politiker*innen anderer Fraktionen eingeladen. Stattdessen an seiner Seite: FPÖ-Chef Herbert Kickl sowie andere Parteigranden. Seit jeher macht die Partei keinen Hehl daraus, dass sie für Österreich einen illiberalen Kurs wie in Ungarn anstrebt. Seit kurzem sitzen FPÖ und Orbáns Fidesz-Partei auch zusammen in der neuen Fraktion „Patrioten für Europa“ im EU-Parlament.
„Wiener Erklärung“ gegen LGBTQ und Migration
Orbán und Kickl unterzeichneten bei diesem Anlass eine „Wiener Erklärung“. Man sei dagegen, „dass es neben Frau und Mann noch eine absurde Vielzahl anderer Geschlechter geben soll“, heißt es in dem dünnen Papier etwa. Auch sollen „illegale Migration sowie Missbrauch von Asyl, muss mit allen Mitteln der Rechtsstaatlichkeit bekämpft werden“. Dass Orbáns Regierung selbst seit Jahren systematisch gegen das Asylrecht verstößt, etwa durch Pushbacks und automatische Ablehnung von Asylanträgen, kam freilich nicht zur Sprache.
Auch im Parlament stellten sich Orbán und Kickl keinen Fragen, einzig einen Fototermin gab es. Im Hintergrund wehten die österreichische und die ungarische Fahne. Die europäische fehlte.
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