Opfer im Gaza-Krieg: Die Zahlen der Hamas
Gibt es wirklich mehr als 10.000 Tote im Gazastreifen? Diese Zahl nennen Medien, NGOs und UN-Organisationen. Fallen sie auf Propaganda der Hamas rein?
Medien, UN-Organisationen und NGOs sprechen von mehr als 10.000 Toten im Gazastreifen – mit Verweis auf das Gesundheitsministerium in Gaza, das eine Behörde der Hamas-Regierung ist. Das Gesundheitsministerium in Gaza ist aktuell die einzige Quelle für Opferzahlen.
Grund für Skepsis gibt es, hat die Hamas doch ein Interesse an höheren Zahlen, denn für sie sind tote Palästinenser auch Märtyrer. Konkret machte auch ein bislang unaufgeklärter Raketeneinschlag auf einem Krankenhausgelände misstrauisch: Sehr schnell gab die Behörde an, 500 Menschen seien durch israelisches Feuer getötet worden. In so kurzer Zeit konnten aber kaum hunderte Tote geborgen werden.
Wie also kommt die Zahl von aktuell 10.818 Toten in Gaza seit dem 7. Oktober zustande? Nach Recherchen internationaler Medien geben Hospitäler in Gaza ihre Infos an das Gesundheitsministerium in Gaza-Stadt weiter. Dieses leitet sie an das Gesundheitsministerium der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland, das trotz der Parallelregierung in Gaza auch dort noch eine Rolle spielt, da es Gehälter von Angestellten bezahlt. Die PA-Behörde überprüft die Zahlen und die Identität der Toten.
Erfahrungen früherer Untersuchungen
Die Erfahrung spricht dafür, dass die Angaben weitgehend stimmen. So gab es nach einem Krieg zwischen Israel und der Hamas 2014 Nachforschungen von israelischer Seite sowie von den UN. Das war möglich, weil Israel das Bevölkerungsregister in Gaza kontrolliert. Damals gaben die palästinensischen Behörden die Zahl der Getöteten mit 2.322 an, das israelische Außenministerium mit 2.125 und eine UN-Untersuchungskommission mit 2.251.
Zudem halten es Expert*innen für realistisch, dass in vier Wochen mehr als 10.000 Menschen getötet wurden. Israel hat laut eigenen Angaben rund 11.000 Terrorziele angegriffen. Die Hamas verschanzt sich in besiedelten Gebieten, Israel zufolge sogar unter Krankenhäusern, was die Opferzahlen erhöht.
Die Zahlen „spiegeln weitgehend das Ausmaß der Todesfälle wider“, schlussfolgert Mike Ryan, zuständig für Gesundheitsnotfälle bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Auch die UN-Nothilfeorganisation OCHA gibt die Zahlen auf ihrer Webseite wieder; ebenso vertraut ihnen Human Rights Watch.
Allerdings: Die Angaben aus Gaza unterscheiden weder zwischen Kombattanten und Zivilisten noch zwischen israelischen Angriffen und fehlgeleiteten palästinensischen Raketen. Zudem zählt jeder Tote unter 18 Jahre als Kind, ungeachtet dessen, dass die Hamas auch Minderjährige rekrutiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?