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Online-Konferenzen gestörtHitler-Fotos bei Holocaust-Gedenken

Antisemit*innen haben mehrere digitale Holocaust-Gedenkveranstaltungen in Deutschland gestört. Dabei zeigten sie Hakenkreuze und Hitler-Bilder.

Blieb ungestört: Analoges Gedenken in Magdeburg Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Berlin taz | Gleich mehrfach ist es am Montagabend zu antisemitischen Zwischenfällen bei Veranstaltungen anlässlich des Holocaust-Gedenktags Yom HaShoah gekommen. Diese hatten wegen der Coronakrise ausschließlich digital stattgefunden. Bereits am Dienstag war bekannt geworden, dass Antisemit*innen ein Online-Zeitzeugengespräch der israelischen Botschaft in Berlin störten, indem sie Bilder von Adolf Hitler zeigten. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich auch bei einer digitalen Gedenkveranstaltung der jüdischen Studierendenorganisation Morasha Germany.

„Wir hatten eine Gedenkzeremonie geplant, bei der eine Rednerin die Geschichte ihrer Mutter erzählen sollte, einer Holocuast-Überlebenden“, sagt Eliezer Noy, Direktor von Morasha Germany. Die Veranstaltung auf der Videokonferenzplattform Zoom sei „von sogenannten ‚Zoombombers‘ übermannt und mit antisemitischen und rassistischen Aussagen sowie erschütternden Bildern überflutet“ worden, schreibt Morasha auf Facebook und Instagram. Etwa eine halbe Stunde nach Beginn hätten sich plötzlich rund 20 Personen zugeschaltet, die sofort begonnen hätten, die Veranstaltung zu stören, sagt Noy.

Ein Ausschnitt des Geschehens liegt der taz als Video vor. Plötzlich bricht ein Stimmgewirr auf englisch aus, viele Menschen sprechen und johlen durcheinander. „Jude, Jude, Jude“, sagt eine Stimme immer wieder. Alle Juden sollten vernichtet werden. Dann bedeckt plötzlich ein Hakenkreuz den Videobildschirm. „Mein Name ist Adolf Hitler“, sagt eine andere Stimme. Dann sind historische Aufnahmen von Adolf Hitler und jubelnden Anhängern zu sehen.

„Ich habe etwa 30 Sekunden gebraucht, bis ich verstanden habe, was da passiert“, sagt Noy. Er habe die Videoveranstaltung schließlich beendet. Teilnehmende konnten sich anschließend direkt an ihn wenden, um einen neuen Link zu bekommen – diesmal Passwort-geschützt. „Unsere Rednerin war fantastisch. Sie wollte unbedingt die Geschichte ihrer Mutter zu Ende erzählen, statt diese Leute gewinnen zu lassen“, sagt Noy.

Ähnlicher Vorfall bei der Botschaft

Am nächsten Tag hätten sie noch eine Video-Session mit therapeutischer Unterstützung für die Teilnehmenden angeboten, so Noy. „Das war ja sehr verstörend. Eine Teilnehmende hat erzählt, dass sie in der Nacht nur bei brennendem Licht schlafen konnte.“ Morasha Germany hat sich an die Polizei gewandt und den Vorfall auch der Antisemitismus-Recherche- und Informationsstelle Rias gemeldet.

Der Vorfall ähnelt dem, der sich am selben Abend bei einer digitalen Zeitzeugenveranstaltung der israelischen Botschaft in Deutschland ereignete. Dort war der Holocaust-Überlebende Zvi Herschel zu Gast. Auch dort sollen die Störer*innen Bilder von Adolf Hitler gepostet und antisemtische Slogans gerufen haben, wie Botschafter Jeremy Issacharoff auf Twitter berichtet. Aber auch diese Veranstaltung wurde nach einer kurzen Unterbrechung fortgesetzt. Ob es sich bei den AngreiferInnen in beiden Fällen um die gleiche Gruppe handelte, ist unklar.

Rias berichtet, ihnen seien schon mehrere solcher „antisemitisch motivierten Störungen“ bekannt geworden. In vielen Fällen sei ein Ziel der Störenden, „so beleidigend wie möglich zu wirken“, weswegen neben unterschiedlichen Stereotypen des Antisemitismus auch rassistische und pornografische Inhalte verwendet würden.

„Eine Schande“

Von Zoombombings in den USA wisse man, dass dort „gezielt in rechtsextremen Kreisen dazu aufgerufen wurde“, erklärt Alexander Rasumny von Rias. Unabhängig davon gelte, „dass antisemitische (Bild-)Sprache gezielt eingesetzt wird, um den – während der Coronakrise ins Digitale verlagerten – Alltag jüdischer Organisationen zu beeinträchtigen“.

„Die Erinnerung an den Holocaust und die Würde des Überlebenden zu entehren ist jenseits von Scham und Schande und zeigt die offenkundige antisemitische Natur der Aktivisten“, schrieb Botschafter Issacharoff auf Twitter. Auch Eliezer Noy ist erschüttert. „Es ist unverständlich für mich, dass es im 21. Jahrhundert immer noch Menschen gibt, die andere einfach nur aufgrund ihrer Identität hassen – egal ob es Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder sonst etwas ist“, sagt er. „Es ist eine Schande, das so etwas passiert – ganz besonders am Holocaust-Gedenktag.“

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4 Kommentare

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  • Bei jeder "analogen" Veranstaltung gibt es Türsteher, bei jeder Radio-Call-In-Sendung einen "Roten Knopf" und bei jeder Talkshow eine Regie.



    Sorry - aber wer auf diese Sicherheitsmechanismen verzichtet braucht sich nicht zu wundern wenn die (ja leider recht technikgeschickten) Rechten die Veranstaltungen kapern und mißbrauchen.

  • Ja, das ist eine Schande und ich bin jederzeit dafür derlei Schmähungen per gesetzlicher Verschärfung strafrechtlich zu ahnden.



    Gleichzeitig frage ich mich aber auch (als EDV-Laie) warum es nicht gelingen kann derlei Dinge zu verhindern oder hinterher eindeutig einem PC/IPAdresse/Anschlussnummer/Täteridentifikation zuzuordnen, dann zu sperren oder zu markieren und beim nächsten online-Gang dann dingfest zu machen.

    • @Tom Farmer:

      Besser als nach dem Überwachungsstaat zu rufen wäre es, anständige Software zu verlangen, die mehr Wert auf die Bedürfnisse ihrer NutzerInnen als auf die der Kapitalgeber legt.

      Im Vorliegenden Fall war es eine bekannte, himmelschreiende Schwäche der eingesetzten Plattform, die das ermöglichte.

      Würde jemand Häuser so bauen, sässe er/sie im Knast.

    • @Tom Farmer:

      Googeln Sie einfach nach IP-Adresse verbergen, es gibt hunderte Organisationen, die diesen Service anbieten. Jeder Depp kann das.



      Und mit Proxy-Servern können Sie die IP "faken", Anleitungen gibts zu tausenden im Netz.