Olympia 2022 ohne Nordkorea: Erscheinen ist Pflicht
Das Internationale Olympische Komitee suspendiert erstmals ein Land wegen der Nicht-Teilnahme an den Spielen: Nordkorea. Recht so!
B ei den Spielen von Pyeongchang legte das Land, das sich euphemistisch Demokratische Volksrepublik von Korea nennt, kurz Nordkorea, bisweilen spektakuläre Auftritte hin. Beim Eishockey zum Beispiel marschierte eine 250 Frauen starke Formation aus dem Reich des Kim Jong-un in die Arena ein. Das erinnerte ein wenig an die Ouvertüre einer chinesischen Volksoper unter der Regie von Jiang Qing, Maos Frau.
Die Darstellerinnen jubelten einem Team zu, das sich aus Spielerinnen aus dem Norden und dem Süden des geteilten Landes zusammensetzte. „Korea, nur zusammen sind wir stark“, wurde gerufen, und das klang, als würde der ideologische Beton, der in Pjöngjang angerührt wird und dort zu einem Monument der Weltferne aushärtet, ein wenig bröseliger. Man war gespannt, welche Inszenierung beim kommunistischen Nachbarn China anlässlich der Winterspiele von Peking im Februar zur Aufführung gelangt.
Seit dieser Woche wissen wir: Nichts dergleichen wird geschehen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat das nordkoreanischen Olympiakomitee wegen der Nicht-Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen von Tokio suspendiert. Das ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Olympischen Spiele. Seit 1999 gibt es eine entsprechende Regel (27, §3) in der Charta des IOC.
Jedes NOC ist demnach verpflichtet, an den Spielen teilzunehmen und Athleten in die ausrichtende Stadt zu schicken. Nordkorea schob vor, seine Sportler vor den Folgen einer Corona-Infektion schützen zu wollen, dabei war das Hygienekonzept der Veranstalter in Tokio so strikt, dass man hätte denken können, es wäre im Hauptquartier von Kim Jong-un ersonnen worden. Beobachter mutmaßten vielmehr, dass es wieder einmal politische Gründe waren, die eine Rolle spielten.
Im Schleudergang des Kalten Krieges
Einerseits hatte Nordkorea wohl Angst vor Überläufern aus den eigenen Reihen, andererseits ist das Verhältnis beider Staaten von jeher belastet. Aber selbst wenn Kim Jong-un einen Ukas erlässt, hätten nordkoreanische Sportler theoretisch an den Spielen teilnehmen können. Das IOC ermöglicht das. Doch wie hätte das funktionieren sollen in einem autoritären Staat mit Dauerüberwachung? Da derartige individuelle Lösungen wohl nicht einmal in Erwägung gezogen wurden, ist der Ausschluss der Nordkoreaner nur konsequent.
Vielleicht verfolgt das IOC auch einen erzieherischen Ansatz, denn gerade Nordkorea neigte in den vergangenen 60 Jahren dazu, die Teilnahme an den Spielen zu instrumentalisieren: Sie waren sommers 1984 in Los Angeles und 1988 in Seoul nicht dabei. Die Winterspiele besuchten sie noch seltener. Nur bei 8 der vergangenen 13 Ausgaben machten sie mit.
Diese Art der Wankelmütigkeit möchte sich das IOC nicht mehr bieten lassen. Wer Mitglied ist, hat zu erscheinen, Punkt. Das ist etwas gebieterisch, aber das Olympiakomitee hat in der Vergangenheit auch einiges durchmachen müssen. Es befand sich im Schleudergang des Kalten Krieges – und hat davon noch immer ein Schwindelgefühl. Etliche Male wurden Olympische Spiele mit Boykotts überzogen.
Aber auch das IOC schreckte nicht davor zurück, Länder oder Athleten auszuschließen. Die Kriegstreiber des Ersten Weltkrieges (Deutschland, Bulgarien, Österreich, Ungarn und die Türkei) durften 1920 nicht zu den Spielen, 1948 blieben Deutschland und Japan außen vor. 1963 sperrte das IOC Sportler, die an den „Games of the New Emerging Forces“ in Indonesien teilgenommen hatten (auch das NOC Indonesiens), später flogen die Apartheidstaaten Südafrika und Rhodesien raus. 2000 war Afghanistan wegen seiner Frauenpolitik weg vom Fenster, 2010 Kuwait wegen staatlicher Einmischung und später Russland wegen Dopings.
So gesehen könnten Kims Körperkultler auf ewig gesperrt bleiben.
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