piwik no script img

Zensur bei Winterspielen in PekingOlympische Blase

100 Tage vor der Eröffnung der Winterspiele in Peking zeigen sich die Organisatoren zugeknöpft. Pressefragen werden nicht zugelassen.

Eisschnelläuferinnen im Test für die Winterspiele im Stadion in Peking Foto: Marc Schiefelbein/ap

Am Mittwochmorgen gaben die Pekinger Organisatoren einen ersten Vorgeschmack auf die kommenden Winterspiele, doch dieser ließ die anwesenden Journalisten vor allem sprachlos zurück: Gegen Ende der Pressekonferenz beim chinesischen Staatsrat nahmen die Experten schließlich keine einzige Frage der ausländischen Presse an. Stattdessen lasen sie die bereits vorgefertigten Antworten für die heimischen Staatsmedien vor. Die Reak­tionen im Raum reichten von „Farce“ bis hin zu „Trauerspiel“.

100 Tage vor den olympischen Winterspielen in der chinesischen Hauptstadt steht nun zumindest das grobe Pandemiekonzept fest. Die „Corona-Bubble“ wird wenig überraschend lückenlos sein: Alle Teilnehmer von Athleten bis hin zu freiwilligen Helfern müssen geimpft sein oder eine 21-tägige, zentralisierte Quarantäne absolvieren.

Innerhalb des Olympiakosmos wird zudem täglich getestet. Zudem wird jeder von ihnen „streng von der äußeren Gesellschaft separiert“, wie Pekings Vize-Bürgermeister Zhang Jiandong am Mittwoch schildert. Auf diesem Wege werde erstmals bei Olympischen Spielen seit Ausbruch der Pandemie heimisches Publikum zugelassen, internationalen Zuschauern sowie Sponsoren bleibt der Zutritt nach China verboten.

Dass die Chinesen keine einzige Infektion dulden werden, wird dieser Tage mehr als deutlich: Gestern riegelten die Behörden wegen einer Hand voll Fälle eine Dreieinhalb-Millionen-Metropole ab. Doch auch wenn Regierungsvertreter Zhang Covid-19 als „größte Herausforderung“ für die Organisation nennt, dürfte der chinesischen Staatsführung doch die aufkeimende Boykottdebatte wegen der Menschenrechtsverbrechen im Land mindestens ebensolche Kopfschmerzen bereiten.

Aus der Öffentlichkeit ausradiert

Anstatt sich allerdings inhaltlich mit den Anschuldigungen – Internierungslager in Xinjiang, Unterdrückung der Zivilgesellschaft in Hongkong – auseinanderzusetzen, blockt die Volksrepublik stattdessen vollkommen ab. Diese Woche zeigte sich dies geradezu beispielhaft, als der staatenlose NBA-Basketballer Enes Kanter auf seinem Twitter-Account Chinas Regierung für seine Unterdrückung in Tibet und Xinjiang kritisierte. Er wurde daraufhin innerhalb einer Stunde vollständig aus der Öffentlichkeit ausradiert: Sein Name lässt sich auf chinesischen Onlineplattformen nicht einmal mehr suchen.

Doch auch der politisch harmlosen Vorberichterstattung über die Vorbereitung der Spiele verweigert sich die Staatsführung. Fast alle westlichen Medien sind trotz monatelanger Anfragen daran gescheitert, offizielle Interviews zu ergattern oder bloß die Sportstätten zu besuchen.

Dabei können die sich mehr als sehen lassen: Die „Big Air“-Snowboarder werden inmitten einer spektakulären Industriekulisse ihre Sprünge vollbringen. Denn die überdimensio­nale Sprungschanze wurde neben einer ehemaligen Stahlfabrik errichtet, die mittlerweile zu einem Kulturpark umfunktioniert wurde. Die olympischen Souvenirläden stehen den Besuchern dort schon offen, inklusive Stoffmaskottchen von Panda „Bing Dwen Dwen“.

Zudem lässt sich bereits erahnen, welch technologische Errungenschaften die Chinesen während der Sportveranstaltung präsentieren: Die Busse sind alle elektrobetrieben und fahren automatisch, genau wie einige Lieferkuriere. Doch auch im „Shougang Park“ will niemand mit Reportern reden. „Ich bin nicht autorisiert, Fragen zu beantworten“, sagt eine junge Frau, die um ihren Hals ihren Mitarbeiterausweis des Olympischen Komitees trägt, ehe sie hektisch verschwindet.

Eine halbe Stunde vom Pekinger „Shougang Park“ steht das „Vogelnest“-Stadion, das man bereits von den Sommerspielen von 2008 kennt. Dort werden die Athletinnen und Athleten während der Eröffnungszeremonie einlaufen. Nur einen Steinwurf daneben ragt schließlich das Olympische Dorf in die Luft: hochwertige 15-stöckige Apartmenttürme, die sich angenehm vom brutalistischen Stadtbild abheben.

All dies lässt wenig Zweifel daran, dass Peking 2022 als die perfekt organisierten Winterspiele einer wirtschaftlich, technologisch und politisch aufstrebenden Weltmacht in die Geschichtsbücher eingehen werden. Doch ebenso klar ist bereits jetzt, dass sie auch als Spiele in Erinnerung bleiben werden, in denen bloßes Nachfragen nicht erlaubt ist.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die Organisation von Profisport ist in meinen Augen ein korrupter, undemokratischer Haufen.



    Ein Boykott von China und Katar wäre die einzig richtige Antwort.



    Aber im Sport gelten ja andere Gesetze. Ein Kimmich darf ungeimpft auf den Platz. Homosexuelle gibt es nicht und öffentlich werden Lose gezogen, obwohl das Ergebnis längst feststeht.