Olaf Scholz in Serbien: Regierungschef auf Lithiumjagd

Serbien gewährt der EU Zugang zu den Lithiumvorkommen im Land. Für den Deal war Olaf Scholz extra nach Belgrad gereist. Doch Umweltschützer laufen Sturm.

SCholz und Vucic sprechen miteinander

Belgrad, Serbien, 19. Juli: Bundeskanzler Olaf Scholz spricht mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic bei einem Gipfeltreffen zu kritischen Rohstoffen Foto: Michael kappeler/dpa

BELGRAD taz | Ganz Belgrad war mit deutschen Fahnen geschmückt. Bundeskanzler Olaf Scholz sollte sich in der serbischen Hauptstadt willkommen fühlen.

Attacken des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić gegen Deutschland, Kampagnen gleichgeschalteter serbischer Medien, in denen deutsche Geheimdienste beschuldigt werden, Bürgerproteste in Serbien anzustiften, um den heldenhaften Freiheitskämpfer Vučić zu entmachten – das ist ebenso Schnee von gestern wie Berlins Kritik an der herrschenden serbischen Autokratie, mangelnder Menschen- und Medienfreiheit, Wahlfälschung und dem Liebäugeln Serbiens mit Wladimir Putin.

Denn Serbien hat Lithium, und zwar in großen Mengen. Und Deutschland und die Europäische Union brauchen den für Batterien notwendigen Rohrstoff in großen Mengen, damit die Agenda 2030 durchgeführt werden, damit Deutschland bis zu diesem Zeitpunkt 15 Millionen Elektroautos bauen kann.

Nicht weniger wichtig ist, dass die Abhängigkeit vom chinesischen Lithium reduziert werden soll, von der Weltmacht, die sich immer mehr zur wirtschaftlichen und politischen Konkurrenz des Westens entwickelt.

Lithiumabbau in Serbien hochumstritten

Es geht also um einiges. Und so war sich der Bundeskanzler nicht zu schade, um von London aus auf Stippvisite nach Belgrad zu kommen, sich mit dem ungeliebten Vučić ablichten zu lassen und dabei brav zu lächeln.

Das ist wichtig auch für den serbischen Autokraten Vučić, der Unterstützung braucht, um das Projekt in Westserbien durchzuboxen. Denn laut einer Meinungsumfrage sind 55 Prozent der Serben entschieden gegen den Abbau von Lithium. Sie befürchten apokalyptische Folgen für die Umwelt.

Aus diesem Grund kam auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, nach Belgrad. Er unterzeichnete mit Vertretern Serbiens ein Abkommen, das eine umweltverträgliche Förderung des Leichtmetalls im Jadar-Tal ermöglichen soll, eine EU-Partnerschaft mit Serbien zum Abbau des für Elektroautos so wichtigen Lithiums.

Beide versicherten den Serben, dass Serbien nicht nur als Rohstoffexporteur betrachtet wird, sondern dass im Land die ganze Produktionskette entstehen soll – vom Bergwerk über die Herstellung von Batterien und Kathoden bis zur Produktion von Elektroautos. Und diese „historische Chance“ dürften die Serben nicht vergeuden.

Die Rolle von Scholz in diesem Szenario war, den Serben als Garant zu dienen, dass die Natur bei dem Vorhaben unberührt bleiben wird.

Das widerspenstige Volk

Obwohl Vučić jüngst in zwei Wahlzyklen, im Dezember und Anfang Juni, seine Macht zementiert hatte – seine Serbische Fortschrittspartei (SNS) regiert mittlerweile in jedem Dorf, jeder Gemeinde, jeden Stadt, sie kontrolliert Justiz, Polizei, Geheimdienste und die Überzahl an Medien – kann das widerspenstige Volk auch mal verrückt spielen.

Die einzige innenpolitische Niederlage musste Vučić in seiner zwölf Jahre langen Herrschaft gerade wegen Lithium einstecken. Massendemonstrationen und Straßenblockaden angeführt von Umweltschützern lähmten vor zwei Jahren so lange das Land, bis er nachgab und das „Projekt Jadar“ formal außer Kraft setzte.

Vor dem Scholz-Besuch wurde das aber schnell wieder richtig gestellt. Auf einen Wink von Vučić stufte das Verfassungsgericht blitzartig die vorherige Verordnung der Regierung, die den Abbau von Lithium beendete, als „verfassungswidrig“ ein, worauf die Regierung das Projekt mit einer neuen Verordnung ins Leben rief.

Nützlicher Autokratismus

Autokraten können eben auch nützlich sein. Sie müssen sich nicht mit der Regierung oder dem Parlament abplagen, Zeit vergeuden um eigene Parteigenossen für oder gegen etwas zu überzeugen, ihre Befehle werden schlicht ausgeführt.

Doch das Volk, das muss man noch überzeugen. Vor zwei Jahren bemühte sich der Staatspräsident aus Angst vor einem richtigen Aufstand strikt darum, eine Konfrontation zwischen Demonstranten und der Polizei zu verhindern. Das Innenministerium ließ die Umweltschützer tatenlos auch internationale Straßen blockieren.

Das werde man nicht mehr zulassen, drohte Innenminister Ivica Dačić nun prophylaktisch angesichts des Besuches der hochkarätigen Lithium-Verbündeten des serbischen Regimes. Wer blockiere, werde verhafte, drohte er. Wie die Anklage lauten und wie lange die Ungehorsamen hinter Gitter landen können, sagte er nicht.

„Todesurteil“ für das Jadar-Tal

In Serbien gibt es talibanartige Umweltaktivisten, furchtlose Draufgänger, die dem Regime gefährlich sein könnten. Und für sie ist Lithium, was für den Stier das rote Tuch ist. Einer von ihnen ist Aleksandar Jovanović Ćuta, Parlamentsabgeordneter und Chef der Partei Ökologischer Aufstand.

„Der nächste Protest ist für den 25. Juli in Loznica geplant, der Stadt unweit des geplanten Lithium-Bergwerkes. Wir werden die Stadtbehörden daran hindern, die vor zwei Jahren außer Kraft gesetzten Verordnungen wieder zu verabschieden, die notwendig für den Bau des Bergwerks sind“, sagt Ćuta zur taz.

Für ihn wurde heute in Belgrad „das Todesurteil für unser bezauberndes Jadar-Tal unterzeichnet“. Nicht Milch und Honig, sondern Schwefel würde da in die fruchtbare Erde fließen. „Wir werden dort gut vorbereitet auf den Feind warten“, erklärte er.

Ćuta ist überzeugt davon, dass es in der Bevölkerung noch viel Energie gibt für landesweite Demonstrationen, Straßen- und Bahnblockaden. Das müsse aber sehr gut organisiert werden. Und nächste Wochen plant die Opposition, im serbischen Parlament dem Regime die Hölle heiß zu machen.

Derweil läuft die Medienmaschinerie des Regimes auf Hochtouren. Sie soll die Serben überzeugen, dass der Abbau von Lithium das Beste ist, was Serbien jemals passiert ist.

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